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Social Media: 5 Vergleiche zur Einordnung in den Marketing-Mix

Die Rolle die Social Media im Marketing-Mix spielen soll, ist oft noch von Unsicherheit geprägt.
Rolf Klein | 12.06.2013
Social Media wird unter vielen Aspekten diskutiert und als die Umwälzung im Marketing angepriesen. Es ist ein wenig so, wie seinerzeit mit dem Hype um die Webpräsenzen im aufkommenden Internet. Alle haben zwar inzwischen eine, doch nicht für jedes Geschäftsmodell haben sie sich als tragende Säule im Marketing-Mix herausgestellt. Wenn man nicht gerade ein internetbasiertes Geschäftsmodell verfolgt, stellt sich die Frage nach dem richtigen Mix offline wie online nach wie vor in besonderem Maße.

Die Datenlage zu Social Media ist opulent und vor lauter neuen Möglichkeiten, Tools und Trends
verliert man schnell den Blick auf das Wesentliche. Die für die nachfolgenden Betrachtungen herangezogenen Studien sind am Textende aufgeführt.

Wenn Social Media als aktiver Kanal für das eigene Marketing genutzt werden soll, muss es sich einigen Vergleichen mit bestehenden Alternativen stellen, um eine Neuausrichtung von Ressourcen zielgerichtet entscheiden zu können. Dabei bieten folgende Kriterien erste Hilfestellung:

1. Reichweite
Wäre Facebook ein Land auf dieser Welt, wäre es nach eigenen Angaben das mit der drittgrößten Bevölkerung. Gerne wird mit der schieren Größe des Platzhirschen die Bedeutung von Social Media unterstrichen. Doch Facebook ist nach eigenen Angaben die Summe aus 211 Ländern dieser Welt. Also für einen nationalen oder regionalen Player genauer zu betrachten.

Keine Frage: Deutschland ist Netzwerkland. Etwa 75 % aller Deutschen besitzen mindestens einen Netzwerkaccount.¹ Doch das ist nur die technische Reichweite, bei der Fernsehen mit rund 90% immer noch eine Nasenlänge voraus wäre. Dieser Wert macht für konkrete Aktivitäten bisher wenig Sinn, denn noch jeder nationale Spartensender erreicht technisch über 70 % aller Haushalte. Entscheidend ist die genutzte Reichweite der Programme/Titel/Seiten/Blogs/Foren etc..

Unter allen Internet-Usern sind z.B. 72 % Facebook-Mitglieder, von denen 77 % mindestens einmal täglich im Netzwerk aktiv sind (gefolgt von Youtube mit 39 % und 42 % täglichen Nutzern).¹ Das „Programmangebot“ ist nur schier unübersichtlich. Jedes Netzwerkmitglied macht sein eigenes. Das ist Fluch und Segen zugleich. Während z.B. Fernsehspots im TV - sorgfältig nach Umfeldern und Zeitschienen geplant- schlimmstenfalls im Wohnzimmer „stranden“, kann bei Facebook jede Botschaft zu jeder Zeit durchschnittlich an 138 Freunde (Twitter 112) weitergeleitet werden.²

Allerdings leiten nur 40 % aller Social-Medianutzer Inhalte und Links regelmäßig weiter. Rund 33% tun das gar nicht. Auf Facebook klicken wiederum nur 34,5 % empfohlene Links an (Twitter nur 24,3%).² Ein Grund, bei der wirksamen Reichweite genauer hinzuschauen.

So hatte McDonald’s Deutschland 2012 stolze 1,3 Mio. Fans bei Facebook. Im gemessenen Zeitraum (letzten 7 Tage) haben nur 3,5 % davon mit der Seite interagiert. Lediglich 1,4 % waren auf der Pinwand aktiv und können so zu den engagierteren Markenliebhabern gezählt werden. Diese Abschmelzraten sind kein Einzelfall.³

Zentrale Frage:
Können mit Social Media –im Vergleich zu den Alternativen- wirksame Reichweitenzuwächse für das jeweilige Geschäft erzielt werden?

2. Zielgruppen
Social-Media ist inzwischen breit in der Gesellschaft angekommen und kein Thema allein für
jugendliche Nerds. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind nicht signifikant.¹ Am Weitesten verbreitet ist es bei den konsumintensiven 30-49 Jährigen mit 41%, gefolgt von den 14-29 jährigen mit 35%. Erreicht also die meist mediarelevante Zielgruppe zusätzlich zu den klassischen Kanälen. Auch 50+ ist mit inzwischen 24% dabei.²

Doch soziodemografische Merkmale reichen schon lange nicht mehr für eine effektive Mix-Planung. Die großen Plattformen sind breit gestreut. Da etwa 80% der Internet-User mehr als einen Netzwerkaccount besitzen, deckt nicht jedes Angebot alle Interessen ab.¹ Eine zusätzliche Frage gewinnt an Bedeutung: „Kann ich mich damit identifizieren?“. Das VZ-Netzwerk gehörte laut Bitkom 2010 in Deutschland noch zu den Top 10 und ist heute bereits Geschichte. Abwanderungstendenzen von jüngeren Facebookmitgliedern z.B. zu Tumblr werden ebenso beobachtet. Hat man spezielle Zielgruppen im Visier lohnt es sich, die speziellen Themen und Funktionen der zahlreichen Plattformen zu analysieren. Denn Involvement-Fähigkeit ist in Social-Media von entscheidender Bedeutung.

Zentrale Frage:
Ist in Social Media die eigene Zielgruppe in aufnahmeaffinen Umfeldern erreichbar und
kann ein relevanter Kontext hergestellt werden?

3. Kontaktqualität
Mit 2-3 Stunden durchschnittlicher Aufenthaltsdauer pro Tag in Social Media ist die Nutzungsintensität der User auf Augenhöhe mit anderen Gattungen.¹ Und das ohne Beschränkungen in Zeit und Ort. Zudem können Inhalte multimedial aufbereitet werden. Je nach Komplexität oder Emotionalität und dem besonderen Reiz der 1:1-Kommunikation.

Doch dazu muss man erst mal den User dazu bringen, einen LIKE-Button zu drücken. Das erreicht man am ehesten mit Rabatten (34%) und Give aways (21%). Erst dann folgen laut einer US-Studie⁴ Loyalität (14%) und Markenvertrauen (11%). In Zeiten der Gewinnspielkarten spürte man, dass ein Großteil der Teilnehmer nur flüchtige Sympathien pflegen. Man darf sich heute allein vom Begriff „Freund“ oder „Follower“ nicht blenden lassen.

Bei Bekanntheit werbeaktiver Branchen ist Social Media klassischer Werbung unterlegen. Nicht umsonst setzt selbst ein Internetplayer wie Zalando für die Bekanntheit auf TV. Deshalb wird immer wieder „content is king“ beschworen. Den on- wie offline produzierten Content setzt Zalando nach eigenen Angaben für die Imagebildung zur Kundenloyalität ein. Bei dem Einfluss auf eine Markenbeziehung haben TV, Print und klassische Webpräsenz die Nase allerdings noch vorne.¹

Der Einfluss von Social Media an den Kaufentscheidungen liegt im Durchschnitt gleichauf mit TV (7,6% zu 7,8%) und leicht unter Print (8,4%). ¹ Das differiert naturgemäß zwischen Branchen. Der Anteil im Online-Handel ist mit 12,2 % am höchsten sowie bei Produkten für Medien (9,1%) und bei Dienstleitungen für die Gastronomie (8,7%).¹

Zentrale Frage:
Gelingt es, inhaltlich auf das Umfeld und die Userbedürfnisse abzustellen? Und zwar in
inhaltlicher Tiefe, permanenter Weiterentwicklung und Dialogfähigkeit?

4. Kosten
Owned Media im Netz, von der Website über Fanpage oder Blog bis Newsletter etc. beansprucht für die Verfügbarkeit vergleichsweise nur geringe Kosten. Doch dieser Content ist jeweils nur ein Tropfen im Ozean des www. Ohne Paid Media wird daraus nur schwer eine Welle.

Paid Media –online wie offline- ist also notwendig, um Inhalten im Netz Bekanntheit zu verleihen. Nach Angaben von Zalando sind auch hier 3-4 Anstöße im Netz notwendig, um Akquisitionspotential zu entwickeln. Interessant wird es jedoch, wenn es dadurch gelingt, die Inhalte und Botschaften in eine virale Verbreitung zu bringen und so Earned Media im Netz zu generieren.

Earned Media ist- wie bei PR- jedoch keinesfalls umsonst. Anders als in der Klassik, wo einmal produzierte Werbemittel über lange Zeiträume eingesetzt werden können, bedarf Social Media dem Umfeld angepasste, der Zielgruppe Mehrwert liefernde und schon über kurze Zeiträume stets weiterentwickelte Inhalte. Das verlagert den Aufwand von der Verbreitung in die Erstellung. Ob zugekauft oder selber geleistet entsteht ein nicht unerheblicher Ressourcenbedarf in Technik, Personal und Zeit.

Diese Strukturkosten lassen sich nur schwerlich auf einzelne Aktivitäten zurückrechnen, sollten aber im Vergleich mit Alternativen keinesfalls unter den Tisch fallen. Positive Zusatzeffekte wie Datengenerierung, Kundendialog und vieles mehr machen diese Rechnung etwas komplizierter als bei den reinen one way-Medien.

Zentrale Frage:
Gelingt es mit Neuallokation der bestehenden Mittel in Richtung Social Media eine bessere
Kommunikationseffizienz zu erreichen? Oder sind mit zusätzlichen Mitteln dafür quantitativ und qualitativ definierte Ziele erreichbar?

5. Media-ROI
Wenn das Geschäftsmodell nicht gerade internetbasiert ist, wird es immer Lücken in der direkten und monokausalen Berechnung vom Verhältnis Mediainvestment zu getätigten Käufen geben. Die Einflussfaktoren auf den Kaufakt werden durch Social Media –positiv wie negativ-eher vielfältiger. Zumal das für jede Branche oder Marke stark differiert.

Um das annäherungsweise zu ergründen, bietet sich z.B. eine Touchpointanalyse an, die zeigt, welche Wahrnehmung und Wichtigkeit bestehende und potentielle Kunden dem eigenen Mix beimessen. Dagegen kann man seine Aufwendungen spiegeln -Achtung: Investments in Handelswerbung nicht vergessen- und so eine Grundlage für Berechnungen und Optimierungen definieren.

In einem Interview (Horizont 3/2013) gestand Nestlés Mediachefin Tina Beuchler ein, dass sich der Media-ROI aller analysierten Markenkampagnen des Unternehmens zwischen 2008 und 2011 im zweistelligen Prozentbereich verschlechtert hat. Ob verstärktes Engagement in Social Media das kompensieren kann, ist eine Option jedoch leider keine Gleichung.

Es gibt natürlich noch eine Menge Zusatzeffekte, die ein Investment in Social Media sinnvoll erscheinen lassen. Vom HR-Recruitment über Servicemanagement und Marktforschung bis hin zu Innovationslabs ergeben sich viele Ansätze, die auch Prozesse modernisieren helfen.

Zentrale Frage:
Ist die Istsituation transparent und sind für zukünftige Investments Key Success Factors definiert und messbar?

Mit Social Media ist Word of Mouth zu einem eigenen Kanal avanciert. Unternehmen und Marken finden auch ohne aktive Beteiligung darin statt. Will man nur wissen was dabei vorgeht, reicht ein smartes Social Media-Monitoring. Will man dabei Einfluss nehmen, tut man das nicht nur mit Marketing im Netz. Will man jedoch direkt mit im Austausch sein, sollte man über aktives Social Media-Marketing nachdenken. Die sinnvolle Dosis ist dabei stark abhängig von Geschäft, Angebot und Marke. Als günstiger Ersatz zu Alternativen oder aktivistische Kompensation allerdings zu kurz gesprungen. Nur wer klare Ziele, Strategien und Maßnahmen definiert und bereit ist, sich dabei vom Customer Marketing Management (CMM) zum Customer Relationship Management (CRM) zu bewegen, wird damit erfolgreich sein.

Rolf Klein
http://www.erkabe.com/

Studien:
¹ Social Media Consumer Report 2012/2013_Uni Münster/ Roland Berger Strategy Consultants: http://www.socialmediathinklab.com/new-study-german-social-media-report-2012-2013/

²Social Media Impact 2012_allyve

³Social Media KPI’s_beebopmedia
http://de.slideshare.net/beebopmedia/social-media-kpis-erfolge-messbar-machen

⁴Like us_Lab 42
http://lab42.com/infographics/like-us
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