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CES 2021: Der neue Ton im Marketing

Zahlreiche Unternehmen stellten neue Produkte vor, die den Fokus auf Gesundheit und Hygiene legen.
Frank Puscher | 18.01.2021
Mit digitalen Content-Plattformen versuchen LG und Samsung auch das Fernsehpublikum ans Internet anzuschließen und an sich zu binden © Samsung
 

In Sachen Produktinnovation zeigte die CES 2021 die gleiche Prozedur wie alle Jahre. In Sachen Marketing-Themen setzte die größte Technikshow der Welt die Agenda für das Corona-Halbjahr. Nachhaltigkeit, Gesundheit, innere Einkehr, familiärer Zusammenhalt sind die Themen der Stunde. Und mittendrin: digitale Avatare.

 

Die CES 2021 ist zu Ende. Und nicht wenige Beobachter zeigen sich enttäuscht. Die Highflyer-Themen des letzten Jahres wie kleine Haushaltsroboter, digitale Haustiere oder der ganze Bereich Beauty-Tech waren kaum zu finden. Dagegen zeigten zahlreiche Unternehmen neue Produkte, die den Fokus auf Gesundheit und Hygiene legen. LG reinigte nicht nur die Luft, sondern auch das Wasser mit UV-Licht. Hersteller GHSP präsentierte eine UV-Schreibtischlampe, die auch die Computertastatur von Keimen befreit. Und LG stellte die UV-Variante eines Staubsaugerroboters vor, der durch die Wohnung fährt und Bakterien jagt.

 

Viel Aufmerksamkeit zogen HighTech-Masken auf sich. Sowohl PC-Hersteller Razer als auch erneut LG präsentierten Masken, die nicht nur die Luft reinigen, sondern sich gleichzeitig auch noch beim Sport angenehm tragen lassen sollen und die mit Sensoren feststellen, wie schlecht die Luft im Umfeld wirklich ist. Die Maske von Razer reinigt sich selbst, enthält Mikrofon und Kopfhörer und macht aus dem lästigen Hygiene-Accessoire ein Lifestyle-Produkt. Eine Maske vom chinesischen Hersteller Airpop signalisiert durch Sensoren, wann Filter ausgewechselt werden müssen.

 

Die Unterhaltungsplattformen   

Samsung und LG, die traditionellen Platzhirsche der CES, lieferten sich mal wieder eine Schlacht um den besten, größten und flachsten Fernseher. Aber dieses Jahr hat der Zweikampf eine neue Ebene erreicht und die ist für Marketer wirklich spannend. Beide Tech-Riesen bauen mit großem Mitteleinsatz Content-Plattformen hinter den Fernsehern auf. ThinkQ heißt die Universalplattform von LG, bei Samsung gibt es einzelne Services wie SmartThings Cooking oder den SmartTrainer kombiniert mit TVPlus als Medienhub.

Solche Zusatzservices führen dazu, dass der Fernseher dauerhaft Internetverbindung haben muss und das wiederum macht ihn für digitale Werbung adressierbar.  „Samsung hat heute schon ein beachtliches Werbegeschäft“, weiß Marius Rausch, der mit dem Technologiedienstleister Xandr versucht, möglichst viele digitale Bewegtbildsignale zu bündeln und als Reichweiten-starkes Targeting-Segment aufzubauen.

 

Die Gadgets

In der Lieblingsdisziplin der CES, dem Zeigen verrückter Technik-Gadgets, schwächelte die Digitalausgabe der Messe 2021. Bessere Prozessoren, Notebooks, Smartphones oder smarte Brillen gehören zum Grundrauschen der Messe und erzeugen nicht wirklich den großen Wow-Faktor. Kohlers smarte Überlauf-Badewanne für schlappe 16 000 Dollar ist ein Hingucker, aber mehr auch nicht. Das aufrollbare Smartphone von LG kennt die Branche ebenso, wie die Playstation 5. Hier ging der CES-Pokal an Samsung. Bei der Sonderpräsentation Unpacked 21 zeigte Samsung das lange erwartete Galaxy S21 und vor allem das Galaxy Ultra 21. Da der Mobile World Congress dieses Jahr auf Sommer verschoben wurde, war die CES das perfekte Launch-Date für Samsung. Allerdings ging es hier ebenfalls um noch mehr Pixel in den Kameras und ein tolles neues Gehäusedesign. Mit dem Innovationsaufschlag von Apple in Sachen Lidar-Scanner kann Samsung nicht mithalten.

Sony konzentrierte sich bei der CES-Präsentation ganz stark auf Produktionstechnik, weniger auf Endkundenprodukte. Besserer Surroundsound, eine spektakuläre Kameradrohne und volumetrisches Video sind eher für die Produktionsgesellschaften spannend, als für die Endkunden.

 

Die CES 2021 für Marketer

Doch halt. Sony legte die Messlatte für Veranstaltungspräsentationen dann doch eine Stufe höher. Am Donnerstag flimmerte Madison Beer, ein US-Popstar über die Bildschirme. Und es war nicht sie selbst, sondern ihr Avatar. Madison tanzte in einem Studio und wurde von der Sony-Übertragungstechnik live auf einen 3D-Avatar übertragen. In beeindruckender Qualität.

Die Verwendung von 3D-Puppen zur „Teleportation“ von Stars kommt in Mode. Letztes Jahr gab es schon eine Handvoll virtueller Konzerte, und Kendal Jenner schickte ihr digitales Double zum Fotoshooting für Burberry. Merke: Digitale Models sind pflegeleicht, pünktlich, essen nicht viel und kosten weniger. Nach den virtuellen Models, wo es vor allem um die Herstellung von Standbildern oder vorgefertigten Videos geht, ist der Avatar die nächste Evolutionsstufe, denn hier geht es um „remote live experience“ inklusive Interaktion mit dem Publikum. Schon haben sich mit Wave, Jadu oder Genie Plattformen für die Avatar-Vermarktung in Stellung gebracht.

Auch LG schickte eine Digitalpuppe ins Rennen. Die virtuelle Influencerin Reah konnte aber mit der Digitalkopie von Madison Beer nicht mithalten.

Neben dieser technischen Perspektive zählt aber die inhaltliche Ausrichtung der CES-Präsentationen zum spannendsten, was in Las Vegas zu sehen war. Es geht um Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Resilienz. Offensichtlich sind große Konsumartikelhersteller der Auffassung, dass der amerikanische Markt reif ist, für die leiseren, nachdenklicheren Töne im Marketing. Und wenn das für den US-Markt gilt, gilt es allemal für Europa und Deutschland.

Samsung stellte Features für Behinderte in den Mittelpunkt der Produktpräsentation und zählt die giftigen Batterien, die durch die solar-betriebene Fernbedienung gespart werden. Bosch verkündet, man sei inzwischen über alle 400 Fertigungsstätten klimaneutral. Razer berichtet, man habe eine Million Atemmasken aus eigener Herstellung vor allem an Entwicklungsländer gespendet. Selbst Luxusgüter-Hersteller wie Kohler präsentieren die smarten Funktionen ihrer Wasserhähne unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes.   

Einzig die groß angekündigte Keynote von Verizons CEO Hans Vestberg wählte den eher klassischen Weg. Vestberg eröffnete mit: „Vor zwei Jahren habe ich die Keynote gehalten und erzählt, was 5G alles Tolles kann. 2020 hat alles verändert“. Um dann daraus abzuleiten, dass die Pandemie E-Learning, HomeOffice und Telemedizin in die Digitalisierung gezwungen hat. Dann aber leitet Vestberg nahtlos über in eine Präsentation dessen, was 5G alles Tolles leisten kann und beginnt mit den ganz neuen Übertragungsmöglichkeiten beim Live-Sport.

Die deutlich empathischere Keynote kam von Mary Barra, der Chefin von General Motors. Sie skizzierte, wie die Investoren von den Marken immer stärker verlangen, auf Nachhaltigkeit zu setzen. Und GM wagt den Neustart mit einer komplett elektrischen Flotte. Barra ging sogar noch einen Schritt weiter, in dem sie den Tod von George Floyd thematisierte und klar Stellung bezog: „Wir dürfen uns nicht nur fragen, warum so etwas passiert, wir müssen endlich dagegen handeln“.  

Die CES 2021 setzt den Takt für das Jahr. Hersteller werden sich genau überlegen, in welcher virtuellen Umgebung sie neue Produkte zeigen, so lange die Menschen nicht reisen. Im Zweifel kann das auch die eigene Plattform sein, statt die einer etablierten Messe.

Zweitens dominieren heute die Marketer die Szene, die es schaffen Empathie und Mitgefühl mit einem Moment des Aufbruchs, dem Licht am Horizont zu koppeln. Einfach „weiter so“ wirkt respektlos und realitätsfremd. Selbst Großmarken wie Verizon aber auch Mercedes tun sich offensichtlich schwer damit, sich an diese veränderte Tonlage anzupassen.

Und die CES hat technische Standards in Sachen virtueller Konferenz gesetzt. Die Videos von Pressekonferenzen oder Keynotes standen zumeist wenige Minuten nach Ablauf des Live-Termins bereits auf der Plattform zur Verfügung. Die Navigation über Aussteller, Themen oder Zeitplan war einfach gehalten und dadurch transparent.

Man darf gespannt sein, was die deutschen Marketer und Veranstalter von diesem Jahresauftakt mitnehmen.

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Über Frank Puscher

Frank Puscher ist Journalist mit über zwei Jahrzehnten Berufserfahrung.