Gamification im Onlinehandel
„Im CRM-Bereich kämpfen viele Unternehmen heute darum, überhaupt noch von Kunden gehört zu werden. Zunehmend schotten sich Kunden gegen die Informations- und Werbeflut ab, im Internet entstehen ´walled gardens´“ Nora S. Stampfl¹ Besonders der Onlinehandel steht vor der Frage, wie sich diese walled gardens durchbrechen lassen; wie ein gelungenes Marketing, eine gelungene Kundenbindung im Social-Media-Zeitalter ausgestaltet werden kann. Der persönliche Bezug, welcher mit Kundenbindungsmaßnahmen aufgebaut werden kann, ist in der konkurrenzintensiven e-Commerce-Branche besonders wichtig. Preisvergleiche gehen im Netz leicht von der Hand, kostenloser Versand ab einer bestimmten Warenkorbgröße gehört zum Standard und auch die Verfügbarkeit ihrer bevorzugten Zahlungsmethode sehen die meisten Konsumenten als Selbstverständlichkeit an. In diesem Umfeld ist es anspruchsvoll, den Kunden für die eigene Marke beziehungsweise den eigenen Shop zu begeistern. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die bestehenden Maßnahmen ausreichen, um eine optimale Kundenbindung zu erreichen. Welche Wege existieren noch, um Kunden zu begeistern und sich von der Konkurrenz abzuheben? Ein neuer, innovativer Ansatz zur Stärkung der Kundenbindung ist Gamification. Dabei handelt es sich um das Prinzip, spielerische Mechanismen auf Alltagssituationen zu übertragen. Gamification nutzt den natürlichen Spieltrieb des Menschen und bietet die Möglichkeit, eine spannende Erlebniswelt aufzubauen, um beispielsweise Mitarbeiter zu motivieren, Lernprozesse zu erleichtern, oder aber um Kundenbindung zu fördern. Gamification basiert auf Elementen, die Teil nahezu jedes modernen Computerspiels sind, wie z.B. Belohnungen, Fortschrittsanzeigen, Herausforderungen, Punktesysteme und Levels. Analog zu einem Onlinerollenspiel wie beispielsweise World of Warcraft kann der Spieler sukzessive im Spielverlauf aufsteigen, Belohnungen erhalten und sich mit anderen Teilnehmern messen. Neben virtuellen Belohnungen können analog zu einem Bonuspunkteprogramm auch reale Prämien vergeben werden, entscheidend ist jedoch die intrinsische Motivation der Teilnehmer. Hierunter wird der Antrieb verstanden, etwas um seiner selbst willen zu tun, weil es Spaß macht, Interessen befriedigt oder eine Herausforderung darstellt. Triebfedern von Gamification sind soziale Anerkennung und das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Die spielerischen Mechanismen sprechen das Belohnungszentrum des menschlichen Gehirns an. Beim Erreichen eines Erfolges kommt es zur Ausschüttung von Dopamin und damit der Entwicklung eines Glücksgefühls. Aus diesem Grund ist dieses Instrument besonders gut zur Kundenbindung geeignet, da eine positive Beziehung zur Marke entsteht. Gamification kann vor allem für die Ansprache der wachsenden jungen Zielgruppe verwendet werden. Für Digital Natives sind die Mechanismen, die in solchen Lösungen zum Einsatz kommen, nicht erklärungsbedürftig, sondern intuitiv verständlich. Gleichzeitig ist Gamification aber auch auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe ausgerichtet, die weniger an materiellen Belohnungen und Rabatten, sondern eher an sozialen Faktoren wie Anerkennung, Status und Privilegien interessiert ist. Wirkungsmechanismen von Gamification Die Ausgestaltung einer konkreten Gamification-Lösung kann sich als relativ komplex erweisen, der zugrunde liegende Gedanke der Übertragung von Spielmechanismen in spielfremde Situationen ist jedoch simpel – und so finden sich auch Anwendungsmöglichkeiten für Gamification in zahlreichen Lebensbereichen. Lernprozesse können mit Gamification erleichtert und gefördert werden, monotone Tätigkeiten können spannender gestaltet werden, Mitarbeiter können mit Gamification motiviert werden. Das Ziel ist hingegen stets das gleiche: Mit Hilfe von Gamification soll ein bestimmtes Verhalten der Teilnehmer gefördert werden. Eines der wesentlichsten Elemente zur Motivation ist hierbei ein jederzeit sichtbarer und messbarer Fortschritt des Spielers. Fortschrittsbalken visualisieren dem Spieler seine bisherige Entwicklung, zeigen, wie viele Punkte zum Erlangen des nächsten Ziels fehlen und animieren dazu dieses auch zu erreichen. Der Fortschritt des Spielers ist in der Regel in Levels gegliedert. Diese stellen nicht nur ein Ziel für den Spieler dar; sie bieten auch eine Vergleichsmöglichkeit zwischen einzelnen Teilnehmern. Der Aufstieg in ein höheres Level ist mit einem sichtbaren Status verbunden und kann bestimmte Boni oder Belohnungen freischalten. Der Vergleichbarkeit zwischen Spielern dienen ebenso Highscores und Leaderboards. Sie fügen dem Spiel ein kompetitives Element hinzu und spornen die Teilnehmer dazu an, sich mit anderen zu messen. Dieser spielerische Wettbewerb motiviert dazu, die Punktetabelle anführen zu wollen und anstehende Aufgaben zu erfüllen. Wettbewerb ist ein zentrales Element von Gamification. Die Teilnehmer können sowohl für sich selbst spielen, als auch Gruppen bilden und in Teams miteinander konkurrieren. Achievements und Badges sind ein weiteres wichtiges Motivationselement. Sie stellen zu erreichende Leistungen dar. In der Regel werden für gewonnene Achievements Trophäen verliehen. Dies können virtuelle Güter wie Medaillen oder gar reale Güter sein. Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang ist die Transparenz der Regeln zur Vergabe von Auszeichnungen. Wie in einem konventionellen Spiel ist es auch für den Erfolg einer Gamification-Lösung entscheidend, dass der Spieler sich in einem Umfeld mit nachvollziehbaren, fairen Regeln bewegt. Daher werden Punkte und Badges nach einheitlichen Maßstäben vergeben. Eine Vergleichbarkeit zwischen den Spielern ist zu jedem Zeitpunkt gegeben. Community-Features ermöglichen es den Spielern, untereinander zu kommunizieren und miteinander zu agieren. Sie können Tipps & Tricks zu einzelnen Aufgaben austauschen und erreichte Erfolge miteinander teilen. Das Nutzerprofil bietet eine Plattform zur Selbstdarstellung sowie eine Möglichkeit für die Spieler, sich mit anderen Teilnehmern zu vergleichen. Eingebettet werden diese Funktionen in eine Rahmenhandlung, die dem Spiel einen konkreten Kontext verleiht. Ein übergeordneter Plot weckt das Interesse der Spieler und bietet einen greifbaren Hintergrund für Aufgaben und Badges. Die Rahmenhandlung gibt dem Spieler das Gefühl, innerhalb eines übergeordneten Projekts zu handeln und kann Emotionen transportieren. Die Story bietet ebenfalls einen Anhaltspunkt für die visuelle Gestaltung einer Gamification-Lösung. Gamification als Marketinginstrument In gewisser Weise gleicht Werbung heutzutage einem Wettrüsten. Werbespots in TV und Radio, Werbeplakate, Animationsfilme in der U-Bahn und natürlich Bannerwerbung im Web sind nur einige Werbeformen, die tagtäglich um das Interesse der Konsumenten buhlen. Doch deren Aufmerksamkeit ist in einer Multiscreen-Welt ohnehin bereits fragmentiert. TV, Online und mobile Medien werden zunehmend parallel genutzt.² Die Menschen haben in diesem Umfeld längst gelernt, das für sie Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und Werbung weitgehend herauszufiltern, sie auf einen Bestandteil des medialen Grundrauschens zu reduzieren. Für den Werbetreibenden stellt sich in diesem Umfeld die Frage, wie er den Konsumenten noch effektiv erreichen kann. Gamification kann als wirkungsvolles Werbeinstrument eingesetzt werden. Gelingt es einem Unternehmen, seine (Marken-)Botschaft in eine spannende Erlebniswelt einzubetten, ist eine deutliche Image- und damit letztendlich Verkaufssteigerung möglich. Ein großer Vorteil von Gamification im Vergleich zu anderen Marketingmaßnahmen liegt darin, dass es schlicht und ergreifend Spaß macht. Gamification-Kampagnen sind von Natur aus viral, d. h. sie verbreiten sich sehr schnell über Mundpropaganda. Dieser virale Charakter kann durch Schnittstellen zu Social-Media-Plattformen noch weiter gefördert werden. Auf diese Weise können die Spieler beispielsweise ihre Achievements teilen, Freunde einladen oder Wettbewerbe starten. Eine Gamification-Kampagne ist gut geeignet, um Aufmerksamkeit zu erregen und das Involvement von Konsumenten zu steigern. Sie kann gleichermaßen Interessenten und Bestandskunden ansprechen, den Wiedererkennungswert einer Marke erhöhen und ein Angebot als einzigartig herausstellen. Informationen über Produkte und Neuigkeiten können hierbei in die Rahmenhandlung eingeflochten werden. Auch ist es möglich, Achievements und Badges an konkrete Verkaufsziele zu koppeln und Potentiale für Cross-Selling zu nutzen. Für e-Commerce eignet sich Gamification zum einen, weil sich Spielmechanismen leicht in eine Onlineplattform integrieren lassen, zum anderen weil das Konzept gut anwendbar ist, um Nutzer in einem Umfeld zu binden, in dem sie binnen eines Mausklicks auf eine andere Webseite wechseln können. Ein Aspekt, bei dem sich die Struktur eines Webshops und Gamification ebenfalls gut ergänzen, ist die Messbarkeit von Ergebnissen und die Möglichkeit, einen umfassenden Datenbestand aufzubauen bzw. bestehende Angaben zu ergänzen. In diesem Bereich ist der eCommerce ohnehin bereits stark aufgestellt. Besucherströme können in einem Webshop hervorragend gemessen und die Wirksamkeit von Werbemaßnahmen sehr gut nachvollzogen werden. Auch sammelt ein Onlineshop über die Bestellverfahren auf natürliche Weise zahlreiche Informationen über seine Kunden. Diese Stärke kann durch Gamification weiter ausgebaut und um Daten aus sozialen Netzwerken und die Vorlieben der Nutzer ergänzt werden. Darüber hinaus bietet das auf diese Weise gesammelte Wissen optimale Voraussetzungen für Kundenbindungsprogramme. Gamification in der Kundenbindung Kundenbindungsprogramme haben sich branchen- und größenunabhängig im Handel als sehr wirksam erwiesen. Von der Stempelkarte einer Imbissbude bis hin zu den Bonuspunkteprogrammen großer Tankstellenketten existieren zahlreiche Ansätze, um Kunden langfristig zu binden und zur Wiederkehr und Markentreue zu bewegen. E-Commerce-Riesen wie Amazon und Zalando setzen im Bereich Kundenbindung auf einen ausgezeichneten Service, Kundenmagazine, Newsletter und personalisierte Angebote auf der eigenen Plattform oder spezielle Versandkostenmodelle wie Amazon Prime. Ergänzt werden diese Ansätze um Community-Features, wie Kundenrezensionen oder dem Zalando Fashion Club. Gamification erweitert ein auf materiellen Prämien basierendes Loyalty-Programm um immaterielle Belohnungen, kann jedoch auch weiterhin Rabatte oder Incentives beinhalten. Auf diese Weise wird ein breiteres Spektrum an Motivatoren abgedeckt; es erfolgt eine sowohl emotionale als auch rationale Ansprache. Mit materiellen Belohnungen wird dieselbe Zielgruppe und auch dieselben Verhaltensweisen wie mit einem Bonuspunkteprogramm angesprochen. Mit seinen Spielmechanismen und Community-Funktionen erweitert Gamification das Prinzip jedoch um einen spannenden Spaßfaktor, welcher über ein reines Punktesammeln, um eine Prämie zu erhalten, hinausgeht. Des Weiteren bietet der Wettbewerb unter den Spielern einen starken Anreiz, der sich auch auf das Konsumverhalten der Teilnehmer auswirken kann. Eventuell tätigt der Kunde einen bestimmten Kauf, um endgültig im Level aufzusteigen oder um ein Achievement zu erlangen. Möglicherweise stellt er einige zusätzliche Rezensionen ein, um im Highscore vor einem Konkurrenten platziert zu werden. Vielleicht reizt ihn aber auch die Anzeige von möglichst vielen Badges in seinem Nutzerprofil, sei es nun zur Selbstdarstellung oder aus einem Sammeltrieb heraus. Im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms bietet Gamification zahlreiche Chancen, um einen zusätzlichen Burn-Mechanismus für Bonuspunkte einzuführen.³ Die spielerischen Elemente erweitern hierbei nicht nur bestehende Ansätze zur Kundenbindung, sondern auch das Shoppingerlebnis selbst. Die Attraktivität eines Shops wird durch den Spaßfaktor erhöht und aufgrund des viralen Charakters von Gamification besteht die Möglichkeit, sowohl weitere Nutzer für ein Bonuspunkteprogramm als auch neue Kunden für einen Webshop zu gewinnen. Wie bereits oben erwähnt, kann darüber hinaus der vorhandene Datenpool eines Kundenbindungsprogramms mit Gamification erweitert werden. Zum einen lässt das Spielverhalten der Teilnehmer auch Rückschlüsse auf ihr Konsumverhalten zu, zum anderen können über soziale Schnittstellen weitere Daten gewonnen werden und auch die Gamification-Mechanismen selbst können einen Anreiz für Nutzer bieten, ihr Profil zu vervollständigen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Gamification neue Chancen für den E-Commerce-Bereich bietet. Dank der Verwendung von Spielmechanismen kann die Verweildauer in Onlineshops erhöht und Anreize für Wiederholungskäufe geschaffen werden. Vor allem aber bietet Gamification einen möglichen Ausweg aus der starken Fixierung auf den Preis im Onlinehandel und eine Gelegenheit, sich von Mitbewerbern abzugrenzen. Die Herausforderung liegt darin, Spielmechanismen auf eine sinnvolle, ansprechende Weise zu implementieren, messbare KPIs für die Erfolgskontrolle zu schaffen und ein Verständnis für das Spielverhalten der Nutzer zu entwickeln. Das ist keine leichte Aufgabe, aber eine sehr lohnende. Autor: Björn Rimpel Junior Online Marketing Manager SoInteractive GmbH www.sointeractive.de www.marketing-boerse.de/Unternehmen/details/SoInteractive-GmbH Weitere Informationen: www.soi-engagement.de Quellen: ¹ Stampfl, Nora S. (2012): Die verspielte Gesellschaft: Gamification oder Leben im Zeitalter des Computerspiels. Heise Zeitschriften Verlag, Hannover. ² http://www.google.com/think/research-studies/the-new-multi-screen-world-study.html ³ http://www.maritz.com/~/media/Files/MaritzDotCom/White%20Papers/NewParadigmLoyalty_Marketing.ashx