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E-Mail Best Practices und ihre Bedeutung heute

Best Practices sind zeitlos. Ihre Bedeutung hat sich jedoch enorm gewandelt. Heute reicht es nicht mehr länger, nur die Basics zu berücksichtigen.
Jan Niggemann | 26.05.2014
Wenn man sich fragt, wie sich E-Mail Best Practices im Lauf der Zeit weiterentwickelt haben, dann stellt man fest, dass sie in vielerlei Hinsicht zeitlos sind. Doch wie ist das möglich angesichts des fortwährenden technologischen Fortschritts in der E-Mail-Kommunikation?

Die Best Practices selbst haben sich in der letzten Dekade tatsächlich kaum verändert. Was sich gewandelt hat, sind die Auswirkungen des Einsatzes von Best oder Bad Practices, denn sowohl die Filtermethoden der Mailbox Provider als auch die rechtlichen Konsequenzen der Missachtung von Best Practices haben sich immer weiter entwickelt. Das bedeutet, dass es nicht mehr länger reicht, nur die Basics zu berücksichtigen, um erfolgreiches E-Mail Marketing zu betreiben. Heute sind Best Practices ein Muss, wenn E-Marketer erreichen wollen, dass ihre E-Mail-Programme bei ihren Abonnenten im Posteingang landen und gelesen werden.


Am Anfang war die Beschwerderate
Vor zehn Jahren war alles, was man als E-Marketer tun musste, um bei der Mehrheit der Mailbox Provider ordentliche Zustellraten zu erzielen, auf eine sauber konfigurierte Versandplattform und eine niedrige Beschwerderate zu achten. Heute sind diese Kriterien immer noch wichtig, aber Mailbox Provider haben längst erkannt, dass ihre Mechanismen zum Abfangen von Spam und Schadmails weitaus mehr Kriterien berücksichtigen müssen, um ein effektives Ausfiltern zu ermöglichen. So hatten Spammer schnell begonnen, ihre Spam-Mails an zumeist erworbene umfangreiche Adresslisten zu versenden. Um die kontinuierliche Zustellung an die Posteingangsordner zu gewährleisten, brauchten sie lediglich die Adressen mit Beschwerden aus ihren Verteilern streichen. Allein mit dieser Praxis der Listensäuberung konnten Spammer die Beschwerderate niedrig halten und ihre E-Mails landeten im Posteingang.

Die IP-Reputation entstand
2009 folgte dann das allgemeine Konzept der IP-Reputation, das Mailbox Provider als bis heute wichtigstes Kriterium der E-Mail-Filterung einführten. Statt sich allein auf Beschwerden zu stützen, begannen sie, Kriterien wie unbekannte Nutzer (Fehlermeldung „550 5.1.1 rejected“), TINS (wenn E-Mail Adressaten erwünschte E-Mails aus dem Spam-Ordner „retten“) und Inhalte für Filterentscheidungen zu nutzen. Sie entwickelten zudem Verfahren wie Microsofts „Sender Reputation Data“ (SRD) und Yahoos „Trusted Voters“, in denen E-Mail Adressaten, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, Feedback dazu geben, ob sie eine empfangene Mail als „Spam“ oder „kein Spam“ ansehen. Diese Bewertung wird ebenfalls zur Einschätzung der Versenderreputation herangezogen, um ein möglichst genaues Bild eines Versenders zu erhalten. Die E-Mail-Filterung durch die Mailbox Provider wurde damit effektiver und illegitime Versender hatten es jetzt schwerer, den E-Mail-Kanal für sich zu nutzen. Spammer konnten jetzt nicht mehr folgenlos an umfassende Listen mailen, denn die Qualität des Verteilers rückte mehr und mehr in den Fokus. Dies bekamen auch legitime E-Marketer zu spüren: Wollten sie die Reputation ihrer IP-Adressen für den E-Mail-Versand und damit die Zustellung an den Posteingang nicht gefährden und sinkenden Return on Investment riskieren, wurde es unumgänglich, die Beschwerderate kontinuierlich im Auge zu behalten und nicht an unbekannte Nutzer oder stillgelegte Accounts zu mailen.

User-Engagement ins Rampenlicht gerückt
Als nächstes feilten Mailbox Provider weiter an der Spam-Filterung, indem sie Kriterien und Kennzahlen für das Engagement ihrer User, also deren Interaktion mit den Werbemails aufstellten. Der SmartScreen-Filter von Microsoft ist hierfür ein Beispiel. Kennzahlen für das Engagement sind beispielsweise Klicks, das Weiterleiten der E-Mail, wenn die Mail ungelesen gelöscht wird oder auch das Laden von Bildern. Die Filterung ging jetzt über das einfache Erfassen von Beschwerden und TINS-Entscheidungen hinaus, auch wenn diese nach wie vor zu den relevanten Filterkriterien gehören. In diesem Zusammenhang gewann auch die Versandfrequenz mehr an Bedeutung. E-Marketer konnten ihre Abonnenten nicht mehr mit E-Mails überschütten, ohne die Zustellung an den Posteingang zu gefährden, selbst wenn keine Beschwerden erfolgten.

Authentifizierung und Domain-Reputation breiten sich aus
Neuerdings wird die Prüfung der korrekten Authentifizierung von E-Mails für Mailbox Provider als Filterkriterium zum breiten Trend – nicht zuletzt durch das DMARC-Standardverfahren. Das Gleiche gilt für das Konzept der Domain-Reputation.

Bereits im November 2008 hatte AOL begonnen, E-Mails auf DomainKeys Identified Messages (DKIM) zu kontrollieren, nachdem der ISP zuvor, im April 2008, diese Authentifizierungsmethode in seine Best Practice Richtlinien für Versender aufnahm. 2009 implementierte dann auch Yahoo DomainKeys in sein Feedback-Loop. Die Authentifizierung als E-Mail-Filterkriterium gibt es also seit fast fünf Jahren. Aber viele Mailbox Provider nutzen die Authentifizierungs-Checks erst jetzt aktiv innerhalb ihrer E-Mail-Filter-Entscheidungen.

Mit der korrekten Authentifizierung der eigenen E-Mails schützen E-Marketer ihren Brand vor Spoofing und Phishing. Authentifizierung ist zwar an sich kein Reputations-Parameter, aber Mailbox Provider sind auf dem Weg, die Authentifizierungsdaten in die Bewertung der Domain-Reputation mit einzubeziehen. Die Zuordnung der Reputation zu einer Domain erlaubt Mailbox Providern, die Filterung an einen Versender und damit einen Brand bzw. ein Unternehmen – unabhängig von der oder den verwendeten IP-Adressen - anzupassen. Die Folge davon ist, dass die Strategie der Segmentierung verschiedener IP-Adressen in solche für E-Mails hoher Qualität und solche für E-Mails niedriger Qualität obsolet wird. Es wird hingegen zunehmend wichtig, die Reputation für die gesamte Domain sorgfältig im Auge zu behalten.

Anti-Spam-Gesetze: Best Practices gewinnen an Wirkung
Vorschriften für kommerziellen E-Mail Versand wie die deutschen Datenschutzstandards oder die von der Europäischen Union verabschiedete E-Privacy-Richtlinie gehören seit jeher zu den striktesten im internationalen Vergleich. Es ist interessant zu beobachten, wie aktuell viele andere Staaten nachziehen und ähnlich umfangreiche Regeln aufstellen.

So wird in diesem Jahr das Canadian Anti-Spam Law (CASL) in Kraft treten und die gesetzlichen Konsequenzen der Nichtbefolgung von Best Practices – wie Opt-in als Mailing-Voraussetzung – werden schwerwiegender. Das CASL nimmt Versender in wesentlich höherem Maß in die Verantwortlichkeit, was sich auch in deftigen Strafen niederschlägt, die bis zu 10 Millionen US-Dollar betragen können! Damit wird das Einholen der Einwilligung für den Empfang von Marketing-E-Mails zum Muss.


Als Fazit lässt sich feststellen, dass Best Practices nicht mehr nur empfohlene Vorgehensweisen sind; sie werden immer mehr zur Grundvoraussetzung für Erfolg im E-Mail-Marketing, der mit bestmöglichen Zustellraten beginnt. Wichtig waren Best Practices schon immer, aber ihr Einfluss ist gestiegen. Die Methoden der E-Marketer zu Aufbau und Pflege ihrer E-Mail-Verteiler haben sich nicht stark verändert, wohl aber die Möglichkeiten der Mailbox Provider, akzeptable oder illegitime Praktiken zu erkennen und entsprechend zu filtern. Die Qualität und die Segmentierung des Adressbestandes für das E-Mail-Programm sind damit heute wichtiger denn je.