Silodenken - der klassische Fehler im Marketing
Sie selbst, oder wenn Sie der jüngeren Generation angehören, Ihre Eltern besitzen sicherlich den Stolz aller Bildungsbürger: den großen Brockhaus, die Bibel des Bildungsbürgers, der allerdings keinen praktischen Nutzen mehr hat und als Zierde der Wohnzimmerschrankwand seit Jahren verstaubt. Hat ihn doch die digitale Revolution mit Google an der Spitze überflüssig gemacht. Heute können wir uns das Wissen der Welt jederzeit und an jedem Ort innerhalb einer halben Sekunde verfügbar machen. Sicher werden Sie daher, wie die meisten Menschen, ganz sicher glauben, dass durch das Web und vor allem die sozialen Medien der Austausch von Informationen und die Meinungsvielfalt deutlich zugenommen hat und Ihre eigenen Möglichkeiten fundierte, faktengestützte Entscheidungen zu treffen sich geradezu dramatisch verbessert haben. Das ist aber eine Täuschung, denn in der Realität ist häufig sogar das genaue Gegenteil der Fall:
Die moderne Mediengesellschaft im Allgemeinen und das Internet im Besonderen überfordern uns mit einer maßlosen Informationsflut, dargereicht in meist geringer geistiger Tiefe und häufig verpackt als leicht konsumierbares Entertainment, getreu dem Motto: „Wir dürsten nach Wissen, aber wir ersaufen in Informationen“. Die nur allzu menschliche Reaktion darauf ist, dass wir diese Informationen filtern oder auch gerne von Facebook & Co. filtern lassen und uns dann im Biotop Gleichgesinnter wiederfinden. Das wiederum vernebelt uns den Blick auf alternative Ansichten. Die Digitalisierung erweitert also nicht unseren Blickwinkel, sie schränkt ihn häufig sogar ein. Dabei ist Silodenken oder das Verweilen in einer Filterblase (Eli Pariser hat dazu ein lesenswertes Buch gleichen Titels geschrieben) in der Marketingarbeit ein schwerwiegender Fehler.
Ein typisches Beispiel ist die irrige Vorstellung vieler Marketingentscheider, dass ganz Deutschland „Online“ ist und Werbekampagnen „Digital First“ oder sogar „Mobile First“ ausgerichtet sein müssen. In der Tat scheint auch Vieles dafür zu sprechen, so zu handeln: sind doch laut ARD-Online-Studie über 84 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung ab 14 Jahren angeblich Online und nutzt doch die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen sagenhafte 250 Minuten pro Tag das Web, davon inzwischen ¾ der Zeit auf mobilen Endgeräten.
Ist Ihnen aber andererseits bewusst, dass weniger als die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung das Internet nicht mehrfach pro Woche nutzt, also „gar nicht“ oder „nur gelegentlich“ und ist Ihnen auch klar, dass die Zielgruppe der „Nicht- und Wenignutzer“ diejenige ist, die über die Hälfte der Kaufkraft und über 60 Prozent des Vermögens in diesem Land verfügt? Wussten Sie nicht? Da hat die Filterblase und das Silodenken wieder ganze Arbeit geleistet. Schade eigentlich, denn wir haben Möglichkeiten wie niemals zuvor in der Geschichte des Marketing alle unsere Zielgruppen in einem früher nicht für möglich gehaltenen Individualisierungsgrad anzusprechen.
Die Lösung dieses Problems: die zentrale Herausforderung ist es, aus den vielfältigen Bausteinen der „above the line“- und der „below the line“-Kommunikation eine ganzheitliche, weitgehend automatisierte „through the line“-Kommunikation zu entwickeln. Es ist ein wenig so wie der Dirigent eines Orchesters, der jetzt statt einer Kammerbesetzung mit 6 Musikern ein Symphonieorchester mit 80 Musikern dirigieren muss und dabei trotzdem das gleiche Stück, auf die Marketingarbeit umgemünzt, „die gleiche konsistente Markenbotschaft“, zur Aufführung bringt.
Deutlich wird dies aus meiner Sicht am Beispiel der sozialen Medien und dem mobilen Marketing. Unbestritten gehört diesen Instrumenten die Zukunft (denken Sie an das Mediennutzungsverhalten der unter 30-Jährigen) und es ist klug, dort in Know-how und Personal zu investieren. In vielen Branchen stellt sich allerdings zu Recht die Frage, ob „Social“ und „Mobile“ bereits die Gegenwart gehört. Die Antwort darauf ist häufig “nein” und deshalb dürfen wir diese Gegenwart nicht vernachlässigen.
Ein typisches Beispiel hierfür ist die einseitige Ausrichtung des Marketing auf die „Digital Natives“. Oft gehören wir selbst und vor allem auch unsere Werbefachleute aus der Agentur ja selbst dieser Generation an. Um das Klischee zur vervollständigen: wir bewegen uns dann noch vorwiegend im großstädtischen Milieu (wie nur 25 Prozent der Bevölkerung) und wohnen im schicken, komplett gentrifizierten Stadtquartier, wo es praktisch keine Geringverdiener, keine Rentner und keine Familien mit Kindern mehr gibt. Schnell werden dann das eigene Denken und das eigene Lebensumfeld zum Maßstab auch für das berufliche Handeln.
Da wird in eine Facebook-Seite investiert, die in einem Jahr 34 Besucher hat, es werden Diskussionsforen kreiert, auf denen fast ausschließlich die eigenen Mitarbeiter, aber eben leider keine Kunden kommunizieren. Auf jeden Flyer wird ein QR-Code gedruckt, der dann bei einer Auflage von 10.000 Stück nicht ein einziges Mal aufgerufen wird oder eine Bank lässt eine Finanzplanungsapp entwickeln, die im Jahr insgesamt nur 120 Mal heruntergeladen wird. Das hier investierte Geld (am Beispiel der letztgenannten Finanzplanungsapp waren das zum Beispiel 80.000 €) fehlt dann an anderer Stelle. Auch hier hat uns dann wieder unser Silodenken überlistet und zu einer suboptimalen Ressourcenallokation verleitet. Dabei sind viele klassische Wege der Kommunikation weder „altbacken“ noch „ineffizient“.
Exemplarisch hierfür: Das klassische Mailing ist nicht „tot“, es kann gut gemacht, sogar wesentlich wirksamer sein als ein Mailshot an unsere Kunden, der im Spam-Filter des Unternehmens oder ungelesen im Papierkorb des Mailempfängers landet. Bei einem Preisausschreiben am POS ist eben klug, eine Postkarte in einem Dispenser parallel zu einer Microsite im Web anzubieten. Und vielleicht will der Einkäufer, den wir zu unserem Messeabend einladen, schlicht mit einem Faxformular antworten und nicht mit dem Click auf einen Link auf unserer Extranet-Seite im Kundenbereich unserer Website.
Hüten Sie sich also davor, das eigene Denken und das eigene mediale Verhalten und das Ihrer Umgebung zu generalisieren, sondern konzentrieren Sie, bei aller Zukunftsorientierung, Ihre Sorgfalt, Ihre Energie und Ihre Ressourcen vor allem auf die aktuellen Informations- und Vertriebswege Ihrer Kunden und Interessenten. Vielleicht ist die Zeit für eine Finanzapp (selbstverständlich für Android und iOS) noch nicht reif, Ihr eigenes Forum generiert noch kein ausreichendes Interesse (wohl aber vielleicht schon Ihre Beiträge in Fremdforen) und ein eigener Webshop bringt noch keine signifikanten Umsätze, verärgert aber Ihre Fachhändler. Vielleicht bewohnen Ihre Kunden ja auch ein Silo, aber eben kein „digitales“. Sie sollten deshalb Customer Insights von all Ihren Zielgruppen haben und Ihr Marketing, was Inhalte, Medien und Ressourcen anbelangt entsprechend vielfältig ausrichten.
Auf das wahre Leben umgemünzt: Seien Sie stolz darauf, dass zu Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis Menschen ohne Smartphone gehören, Freunde, die Ihre Mails niemals lesen und angerufen werden möchten. Querdenken statt Silodenken, der ständige neugierige Blick über den Tellerrand statt dem Verharren in der eigenen Filterblase, Mut statt Feigheit, Vielfalt statt Einfalt und Brainstorming statt Brainlulling sind die besten Ratgeber, um das Potenzial von Märkten und auch das eigene persönliche Potenzial optimal auszuschöpfen.
Die moderne Mediengesellschaft im Allgemeinen und das Internet im Besonderen überfordern uns mit einer maßlosen Informationsflut, dargereicht in meist geringer geistiger Tiefe und häufig verpackt als leicht konsumierbares Entertainment, getreu dem Motto: „Wir dürsten nach Wissen, aber wir ersaufen in Informationen“. Die nur allzu menschliche Reaktion darauf ist, dass wir diese Informationen filtern oder auch gerne von Facebook & Co. filtern lassen und uns dann im Biotop Gleichgesinnter wiederfinden. Das wiederum vernebelt uns den Blick auf alternative Ansichten. Die Digitalisierung erweitert also nicht unseren Blickwinkel, sie schränkt ihn häufig sogar ein. Dabei ist Silodenken oder das Verweilen in einer Filterblase (Eli Pariser hat dazu ein lesenswertes Buch gleichen Titels geschrieben) in der Marketingarbeit ein schwerwiegender Fehler.
1. Denkfehler: Alle sind immer online
Ein typisches Beispiel ist die irrige Vorstellung vieler Marketingentscheider, dass ganz Deutschland „Online“ ist und Werbekampagnen „Digital First“ oder sogar „Mobile First“ ausgerichtet sein müssen. In der Tat scheint auch Vieles dafür zu sprechen, so zu handeln: sind doch laut ARD-Online-Studie über 84 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung ab 14 Jahren angeblich Online und nutzt doch die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen sagenhafte 250 Minuten pro Tag das Web, davon inzwischen ¾ der Zeit auf mobilen Endgeräten.
Ist Ihnen aber andererseits bewusst, dass weniger als die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung das Internet nicht mehrfach pro Woche nutzt, also „gar nicht“ oder „nur gelegentlich“ und ist Ihnen auch klar, dass die Zielgruppe der „Nicht- und Wenignutzer“ diejenige ist, die über die Hälfte der Kaufkraft und über 60 Prozent des Vermögens in diesem Land verfügt? Wussten Sie nicht? Da hat die Filterblase und das Silodenken wieder ganze Arbeit geleistet. Schade eigentlich, denn wir haben Möglichkeiten wie niemals zuvor in der Geschichte des Marketing alle unsere Zielgruppen in einem früher nicht für möglich gehaltenen Individualisierungsgrad anzusprechen.
Die Lösung dieses Problems: die zentrale Herausforderung ist es, aus den vielfältigen Bausteinen der „above the line“- und der „below the line“-Kommunikation eine ganzheitliche, weitgehend automatisierte „through the line“-Kommunikation zu entwickeln. Es ist ein wenig so wie der Dirigent eines Orchesters, der jetzt statt einer Kammerbesetzung mit 6 Musikern ein Symphonieorchester mit 80 Musikern dirigieren muss und dabei trotzdem das gleiche Stück, auf die Marketingarbeit umgemünzt, „die gleiche konsistente Markenbotschaft“, zur Aufführung bringt.
2. Denkfehler: Einseitige Ausrichtung auf Digital Natives
Deutlich wird dies aus meiner Sicht am Beispiel der sozialen Medien und dem mobilen Marketing. Unbestritten gehört diesen Instrumenten die Zukunft (denken Sie an das Mediennutzungsverhalten der unter 30-Jährigen) und es ist klug, dort in Know-how und Personal zu investieren. In vielen Branchen stellt sich allerdings zu Recht die Frage, ob „Social“ und „Mobile“ bereits die Gegenwart gehört. Die Antwort darauf ist häufig “nein” und deshalb dürfen wir diese Gegenwart nicht vernachlässigen.
Ein typisches Beispiel hierfür ist die einseitige Ausrichtung des Marketing auf die „Digital Natives“. Oft gehören wir selbst und vor allem auch unsere Werbefachleute aus der Agentur ja selbst dieser Generation an. Um das Klischee zur vervollständigen: wir bewegen uns dann noch vorwiegend im großstädtischen Milieu (wie nur 25 Prozent der Bevölkerung) und wohnen im schicken, komplett gentrifizierten Stadtquartier, wo es praktisch keine Geringverdiener, keine Rentner und keine Familien mit Kindern mehr gibt. Schnell werden dann das eigene Denken und das eigene Lebensumfeld zum Maßstab auch für das berufliche Handeln.
Da wird in eine Facebook-Seite investiert, die in einem Jahr 34 Besucher hat, es werden Diskussionsforen kreiert, auf denen fast ausschließlich die eigenen Mitarbeiter, aber eben leider keine Kunden kommunizieren. Auf jeden Flyer wird ein QR-Code gedruckt, der dann bei einer Auflage von 10.000 Stück nicht ein einziges Mal aufgerufen wird oder eine Bank lässt eine Finanzplanungsapp entwickeln, die im Jahr insgesamt nur 120 Mal heruntergeladen wird. Das hier investierte Geld (am Beispiel der letztgenannten Finanzplanungsapp waren das zum Beispiel 80.000 €) fehlt dann an anderer Stelle. Auch hier hat uns dann wieder unser Silodenken überlistet und zu einer suboptimalen Ressourcenallokation verleitet. Dabei sind viele klassische Wege der Kommunikation weder „altbacken“ noch „ineffizient“.
3. Denkfehler: Klassische Werbemittel sind tot
Exemplarisch hierfür: Das klassische Mailing ist nicht „tot“, es kann gut gemacht, sogar wesentlich wirksamer sein als ein Mailshot an unsere Kunden, der im Spam-Filter des Unternehmens oder ungelesen im Papierkorb des Mailempfängers landet. Bei einem Preisausschreiben am POS ist eben klug, eine Postkarte in einem Dispenser parallel zu einer Microsite im Web anzubieten. Und vielleicht will der Einkäufer, den wir zu unserem Messeabend einladen, schlicht mit einem Faxformular antworten und nicht mit dem Click auf einen Link auf unserer Extranet-Seite im Kundenbereich unserer Website.
Hüten Sie sich also davor, das eigene Denken und das eigene mediale Verhalten und das Ihrer Umgebung zu generalisieren, sondern konzentrieren Sie, bei aller Zukunftsorientierung, Ihre Sorgfalt, Ihre Energie und Ihre Ressourcen vor allem auf die aktuellen Informations- und Vertriebswege Ihrer Kunden und Interessenten. Vielleicht ist die Zeit für eine Finanzapp (selbstverständlich für Android und iOS) noch nicht reif, Ihr eigenes Forum generiert noch kein ausreichendes Interesse (wohl aber vielleicht schon Ihre Beiträge in Fremdforen) und ein eigener Webshop bringt noch keine signifikanten Umsätze, verärgert aber Ihre Fachhändler. Vielleicht bewohnen Ihre Kunden ja auch ein Silo, aber eben kein „digitales“. Sie sollten deshalb Customer Insights von all Ihren Zielgruppen haben und Ihr Marketing, was Inhalte, Medien und Ressourcen anbelangt entsprechend vielfältig ausrichten.
Was lernen wir daraus?
Auf das wahre Leben umgemünzt: Seien Sie stolz darauf, dass zu Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis Menschen ohne Smartphone gehören, Freunde, die Ihre Mails niemals lesen und angerufen werden möchten. Querdenken statt Silodenken, der ständige neugierige Blick über den Tellerrand statt dem Verharren in der eigenen Filterblase, Mut statt Feigheit, Vielfalt statt Einfalt und Brainstorming statt Brainlulling sind die besten Ratgeber, um das Potenzial von Märkten und auch das eigene persönliche Potenzial optimal auszuschöpfen.