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Wie sich Touchpoints klassifizieren lassen

Die Markt-Spielregeln werden von den Konsumenten diktiert. Das Marketing der Zukunft orientiert sich deshalb an Touchpoints und der Customer Journey.
Anne M. Schüller | 12.02.2018
© Anne M. Schüller
 

Touchpoints entstehen überall da, wo ein (potenzieller) Kunde mit einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern beziehungsweise seinen Produkten, Dienstleistungen, Plattformen und Marken in Berührung kommt. Online wie offline zeigt sich in solchen „Momenten der Wahrheit“, was die Versprechen eines Anbieters tatsächlich taugen. Sie sind die Bewährungsproben einer Kundenbeziehung und richten über „hopp oder topp“. Begehrlichkeit, Immer-wieder-Kauflust und positive Mundpropaganda gezielt auszulösen ist deshalb die einzige Wahl. Entscheidend ist also, was an den einzelnen Touchpoints passiert. Dazu muss man diese zunächst verstehen.

Wie man direkte und indirekte Touchpoints näher betrachtet

So wie jeder Kunde anders ist, so ist auch das Vorgehen der Anbieter je nach Branche verschieden. Insofern lassen sich Touchpoints auf unterschiedliche Weise gruppieren. Zum Beispiel so: Direkte Touchpoints, an denen die Mitarbeiter unmittelbar mit einem Kunden interagieren, wie etwa ein Verkäuferbesuch, die Hotline oder der Messestand. Indirekte Touchpoints, bei denen ein Bindeglied zwischengeschaltet ist, wie etwa eine Website, der Online-Shop, ein Mailing, eine Rechnung, ein Paket. Bei direkten Touchpoints spüren intuitionsbegabte Mitarbeiter meistens unmittelbar an der Reaktion eines Kunden, ob das, was dort passiert, enttäuschend, okay oder begeisternd ist. Beim indirekten Kontakt spürt man das nicht. Und hierin liegt eine große Gefahr: Man verheddert sich in standardisierten Prozessen, die für die Firma zwar praktisch, für die Kunden jedoch unvorteilhaft sind. Oder man denkt nur an die Kosten, nicht aber daran, was eine Sache aus Kundensicht bringt. Oder man fragt nicht nach und geht von seiner Eigensicht aus. „Also, mir würde Mailing A besser gefallen“, sagt zum Beispiel der Chef. Und weil das Wort des Chefs Evangelium ist, wird wider besseren Wissens Mailing A an die Kunden verschickt.

Rolle der Human Touchpoints

Je nach Unternehmensgröße und Branche kann das Gesamt der Touchpoints auch wie folgt unterteilt und gegliedert werden, um die einzelne Facetten einer Dienstleistung aus Kundensicht in den Fokus zu rücken: • Human Touchpoints • Process Touchpoints • Product Touchpoints • Document Touchpoints • Location Touchpoints Betrachten wir zum Beispiel ein Hotel, dann sind die Mitarbeiter, mit denen man an vielen Punkten in Berührung kommt, die Human Touchpoints. Prozesse wie der Ein- oder Auscheckvorgang sind Process Touchpoints. Die Zimmerausstattung ist ein Produkt Touchpoint. Das Informationsmaterial auf dem Zimmer oder die Speisekarte sind Document Touchpoints. Der Parkplatz oder die Wellnesszone sind Location Touchpoints. Meist spielt der Human Touch die entscheidende Rolle. So kann es passieren, dass ein Kunde seiner Automarke treu verbunden bleibt, jedoch den angestammten Händler verlässt, weil sein langjähriger Betreuer in ein anderes Autohaus wechselt. Und weiter kann es passieren, dass die Loyalität, die der Verkäufer mühevoll aufgebaut hat, in wenigen Augenblicken durch einen miserablen Kundendienst vernichtet wird. Bereits das zweite Auto „verkaufen“ also die Service-Mitarbeiter. Wenn man sich allerdings in die Service-Bereiche der Händler begibt, ist davon wenig zu spüren. Manchmal verstecken sich diese sogar im Keller, und dort sieht es aus wie im Baumarkt. Besser ginge es über eine breite Treppe in den ersten Stock, um zu zeigen, wie wertvoll eine bestehende Kundenbeziehung ist.

EPOMS: den Phasen beim Kaufprozess eines Kunden entlang

Die infragekommenden Touchpoints lassen sich auch analog der Phasen im Kaufprozess eines Kunden gruppieren. Hierzu habe ich das Akronym EPOMS entwickelt: • Earned Touchpoints, also solche, die man sich durch gute Arbeit verdient (Word-of-Mouth, Bewertungen, Empfehlungen, Erfahrungsberichte usw.), • Paid Touchpoints, also solche, die ein Unternehmen sich kauft (Anzeigen, Bannerwerbung, Adwords, TV- und Radiospots, Plakate usw.), • Owned Touchpoints, also solche, die man besitzt (Website, Unternehmensblog, Kundenmagazin, Online-Shop, Firmengebäude, Ladengeschäft usw.), • Managed Touchpoints, also solche, die man an Drittplätzen managed (Facebook, Regalfläche im Handel, externes Callcenter, Messestand usw.), • Shared Touchpoints, also solche, die ein User mit anderen teilt (Content vom Anbieter selbst, von den Kunden produzierter Content). Die Paid und die Owned Touchpoints lassen sich relativ leicht „kontrollieren“. Bei den Managed Touchpoints hat die Kontrolle allerdings Grenzen, weil der Betreiber der Plattform die dortigen Regeln diktiert. Unangekündigt kann er sie jederzeit ändern. Dies kann sehr viel Arbeit von heute auf morgen zunichtemachen. Zudem kann eine Plattform ruckzuck wieder von der Bildfläche verschwinden. Deshalb gehören Kernaktivitäten und kommunikative Kronjuwelen immer auch auf eigene Präsenzen.

Earned und Shared Touchpoints: von immer höherem Stellenwert

Die Earned und die Shared Touchpoints haben, auch weil Anbieterwerbung zunehmend blockiert wird, enorm an Bedeutung gewonnen. Zudem ist das, was Dritte sagen, glaubwürdiger und damit auch wertvoller als das, was ein Anbieter selbst über sich sagt. Doch dabei tappen Unternehmen sehr oft im Dunkeln. Denn dies lässt sich nicht kontrollieren. Man muss es sich durch herausragende Leistung verdienen. Durchschnitt wird niemals empfohlen. Als Empfehler steht man mit seinem guten Ruf für einen Anbieter ein. Man will sich obendrein mit ihnen schmücken. Deshalb spielen Superlative und Sympathie eine maßgebliche Rolle: je emotionaler, desto viraler, so lautet die Regel. Marketingressourcen müssen vor allem dorthin geleitet werden, wo das kostenfreie, freiwillige Influencing via Mundpropaganda und Weiterempfehlungen intensiviert werden kann. Exzellente Kundenerfahrungen sind hierfür ein Muss. Zudem ist dafür zu sorgen, dass einem die einmal gewonnenen Kunden erhalten bleiben. Dazu muss man in die Loyalisierungsphase investieren. Doch 76 Prozent der Marketingbudgets fließen nach wie vor in die Vorkaufphase, fand eine kürzliche Untersuchung von Brand Trust heraus. Überdies wird im Vertrieb vor allem die Neukundengewinnung incentiviert.