DSGVO und Fotografie
Fotos und auch Videoaufnahmen von Personen sind derzeit vor allem „Bildnisse“ im Sinne des Kunsturhebergesetzes (KUG) von 1907. Dieses Gesetz stellt in §§ 22, 23 besondere Regeln für das sog. „Recht am eigenen Bild“ als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf. § 22 KUG erlaubt die Verbreitung bzw. öffentliche Zurschaustellung von Personenfotos grundsätzlich nur mit Einwilligung – es sei denn, es ist eine der gesetzlichen Ausnahmen des § 23 KUG einschlägig. Hiernach sind Veröffentlichungen von Fotos, die im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis stehen, Fotos von Versammlungen oder Landschaften, auf denen Personen als „Beiwerk“ zu sehen sind, in der Regel auch ohne Einwilligung der abgebildeten Personen erlaubt. Im Laufe der Jahre sind hierzu viele Urteile ergangen, welche dieses Recht konkretisierten. Dabei wurde stets eine einzelfallgerechte Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit und den Interessen des Fotografen an der Verwertung und Veröffentlichung seiner Werke auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsrecht der Abgebildeten auf der anderen Seite vorgenommen. Die bloße Aufnahme von Personenbildern fällt hingegen bislang nicht unter dieses Gesetz – sie wird aber von der Rechtsprechung auch als mögliche Rechtsverletzung angesehen, wenn eine Güter- und Interessenabwägung mit dem Persönlichkeitsrecht des Fotografierten im jeweiligen Einzelfall dagegen spricht. Das ist insbesondere der Fall, wenn jede denkbare Veröffentlichung oder Verbreitung von vorneherein ohne Einwilligung der fotografierten Person unzulässig wäre.
Wann fallen Fotos überhaupt unter das Datenschutzrecht?
Jede Anfertigung eines Fotos oder Videos, auf dem Personen erkennbar abgebildet sind, ist erst einmal eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der der ab 25. Mai gültigen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Das sagt inzwischen auch die EU-Kommission auf die Anfrage eines Fotografen hin: „Fotos, die Personen abbilden, enthalten personenbezogene Daten. Selbst, wenn das Foto der Person ohne den Namen der abgebildeten Person veröffentlicht wird, ist diese Person bei einer Zuordnung des Namens identifizierbar. Dafür genügt es, wenn einzelne Betrachter den Namen zuordnen können, wenn sie das Bild sehen. Damit unterliegt auch die Weiterleitung an einen Dienstleister und dessen Verarbeitung den Vorschriften (der DSGVO). Auch dann, wenn mit den Fotos nicht der Namen der abgebildeten Person weitergeleitet wird. Die datenschutzrechtlichen Anforderungen gelten ebenso für Foto-Aufnahmen, die bei Veranstaltungen gemacht werden. (…)“ Fotos von erkennbaren Personen sind also generell personenbezogene Daten – sie unterliegen aber zunächst nur als Digitalfotos bzw. als eingescannte analoge Fotos i.S.d. DSGVO, denn diese gilt nach Art. 2 Abs. 1 zunächst nur für „für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.“Darüber hinaus ist die DSGVO aber auch dann auf Fotos anwendbar, wenn sie gem. Art. 4 Abs. 6 in einem analogen Dateisystem verwaltet werden, also z.B. in Karteikarten oder auf eine andere Art sortiert sind.
DSGVO auch bei Fotos ohne Metadaten
Entgegen z.T. verbreiteter Ansicht sind Fotos also nicht nur dann personenbezogen in den Fällen, in denen zusätzliche Metadaten wie etwa Ort, Zeitpunkt der Aufnahme in den EXIF- und/oder den IPTC-Dateien gespeichert werden. Diese Datenerhebungen sind tatsächlich zusätzliche personenbezogene Daten – zum einen in Bezug auf die abgebildete Person, zum anderen im Hinblick auf den Fotografen selbst. Sie unterliegen grundsätzlich immer dem Datenschutzrecht – wenn nicht die Bundesländer hier im Hinblick auf Fotojournalismus eine medienspezifische Ausnahme finden. Das war aber auch bislang schon so, jedoch bekommt dieser Aspekt kurz vor Geltung der DSGVO nun neue Aufmerksamkeit. Auch jede nach der Anfertigung eines Fotos vorgenommene Speicherung, Vermarktung und Veröffentlichung, z.B. durch den Auftraggeber, ist dann eine weitere Verarbeitung personenbezogener Daten.
Was haben die Gerichte bislang zum Verhältnis BDSG und KUG gesagt?
Die Gerichte haben bisher gesagt: Für die Veröffentlichung und Zurschaustellung von Personenbildnissen haben die §§ 22, 23 KUG Vorrang vor dem bisherigen deutschen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG a.F.). Ob das auch für das Anfertigen von Fotos gilt, ist nicht abschließend geklärt, es wird jedoch von den meisten Juristen angenommen.
Wie verhält sich die DSGVO zum KUG?
Das ist die Kernfrage, um die sich derzeit alles dreht. Fakt ist: der Gesetzgeber hat die Antwort letztlich größtenteils den Gerichten überlassen, sodass hier gerade Rechtsunsicherheit herrscht – voraussichtlich über den 25. Mai hinaus. Daher können wir hier nur einen Überblick über die derzeit vertretenen Auffassungen geben. Generell ist es so, dass die DSGVO erst einmal aufgrund der Normenhierarchie zwischen europäischem und nationalen Recht Anwendungsvorrang vor den deutschen Gesetzen hat – sie regelt den Bereich des Datenschutzrechts abschließend, abgesehen von den Bereichen, in denen der nationale Gesetzgeber durch sog. Öffnungsklauseln ausdrücklich Handlungsspielraum erhalten hat. Somit kann nicht generell angenommen werden, dass das KUG weiterhin als spezielleres Gesetz der DSGVO vorgeht. Daher muss man schauen, wie offen die DSGVO selbst für spezielle Regelungen zum Recht am eigenen Bild ist. Die DSGVO räumt den Mitgliedstaaten einen solchen Gestaltungsspielraum ein und zwar in Art. 85 DSGVO. Unklar ist allerdings, wie weit diese Öffnungsklausel geht – entweder, der Gesetzgeber soll nur Ausnahmen zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken finden (nach Abs. 2). Oder aber er darf darüber hinaus auch weitere Aspekte regeln, um das Recht auf freie Meinungsäußerung und mit dem Datenschutzrecht in Einklang zu bringen (nach Abs. 1). Wir sind der Ansicht, dass Abs. 1 durchaus eine solchen Regelungsmöglichkeit für die EU-Länder enthält, weil es viel mehr viele Fälle von Grundrechtskollisionen gibt als nur in den beispielhaft genannten Fällen. Nicht umsonst gibt es eine so umfangreiche Rechtsprechung zum KUG, auch für die gewerbliche Fotografie.
Welche Gefahren drohen beim DSGVO-Verstoß?
Leider bestehen derzeit für alle Fotografen diverse Rechtsunsicherheiten und Risiken, die wir derzeit nicht ausräumen können. Hierfür ist auf Klarstellungen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung zu warten. Es ist durchaus möglich, dass demnächst einige Wettbewerber mithilfe von Abmahnkanzleien versuchen werden, verunsicherte Fotografen wettbewerbsrechtlich abzumahnen. Hier gilt jedoch: Ruhe bewahren und einen Anwalt kontaktieren. Denn gerade weil hier die Klärung durch die Gerichte abzuwarten ist, besteht eine gute Chance, hier Recht zu bekommen. Gleiches gilt, sollten die Aufsichtsbehörden Bußgelder nach Art. 83 DSGVO verhängen. Diese können zwar theoretisch sehr hoch sein – doch auch hier lohnt aufgrund der Rechtsunsicherheit im Einzelfall ein Gang vor die Verwaltungsgerichte. Letztlich bleibt zu hoffen, dass am Ende nichts so heiß gegessen wie gekocht wird und die Behörden und Gerichte in die erhitzte Diskussion um KUG und DSGVO schnell Ruhe bringen werden