Warum Websites das Unterbewusstsein erreichen müssen
Wir alle wissen grundsätzlich Bescheid, dass der streng rational handelnde Homo Oeconomicus eine Legende von Wirtschaftswissenschaftlern aus dem vergangenen Jahrhundert ist. Wir wissen genauso, dass Menschen meist aus dem Bauch heraus entscheiden und sich vieler Entscheidungen überhaupt nicht bewusst sind. Nur: Websites ignorieren diese unstrittigen Erkenntnisse bis heute konsequent. Menschen verfügen über zwei Entscheidungssysteme, hat uns der Vordenker der Behavioral Economics und Nobelpreisträger Daniel Kahneman nahegebracht: Ein Intuitives („System 1“) und ein Rationales („System 2“). Die beiden kann man sich vorstellen wie einen Autopiloten und eine Rechenmaschine, wie Pippi Langstrumpf und Mister Spock, meinetwegen auch wie Ernie und Bert. System 1 agiert schnell, intuitiv, assoziativ und unbewusst, System 2 dagegen logisch und rational, verbraucht aber auch viele Ressourcen und ist langsam. Auch wenn die beiden Systeme nicht als voneinander getrennte Silos begriffen werden dürfen, geht man heute davon aus, dass unser intuitives System für rund 95 Prozent aller Entscheidungen zuständig ist. Das bedeutet: Nur 5 Prozent aller Entscheidungen treffen wir wirklich rational.
Heutige Websites richten sich nur an 5 Prozent des Kundengehirns
Die meisten Websites (im Übrigen gilt dasselbe auch für E-Mails, Apps und Printprodukte) tun aber immer noch so, als wäre dieses Verhältnis umgekehrt. Conversion-Optimierung heißt meistens: Noch ein Feature ergänzen, ein weiteres funktionales Kaufargument hinzufügen, lauter und direkter kommunizieren. Damit richten sich diese Maßnahmen gewissermaßen an lediglich 5 Prozent des Kundengehirns. Ein wunderbares Beispiel sind USPs. Viele Optimierer haben jahrelang Mantra-artig die Bedeutung von USPs („Am besten sofort im sichtbaren Bereich!“) gepredigt. USPs sind dabei aber schon der Wortbedeutung nach „Unique Selling Propositions“ – also Verkaufsargumente. Damit nehmen sie die Perspektive des Unternehmens ein (=verkaufen), statt sich den Bedürfnissen von Kunden zu widmen (=kaufen). Diese Kundenbedürfnisse sind – wie wir anhand der beiden Entscheidungssysteme gesehen haben – sehr oft nicht rational codiert. USPs kommen heute meist eher im Stil von „36.000 Umdrehungen pro Minute“ daher, statt als „höchste Saugkraft für perfekte Reinigung“, was dem tatsächlichen Bedürfnis der Kunden entsprechen würde. Um es klar zu sagen: Alleinstellungsmerkmale sind wichtig, aber sie sollten als „Unique Value Propositions“ den Nutzen für Kunden und dessen intuitives Entscheidungssystem in den Mittelpunkt stellen.
Mit Behavior Patterns die Weichen des Nutzerverhaltens stellen
Unser Gehirn ist eine auf Effizienz getrimmte Maschine. Evolutionär war es Jahrtausende entscheidend, sparsam mit Ressourcen umzugehen und schnell handlungsfähig zu sein. Das Ergebnis sind immer wiederkehrende Muster unseres Verhaltens – die sogenannten Behavior Patterns. Diese Patterns setzen sich aus Heuristiken (gewissermaßen die Daumenregeln intuitiver Entscheidungen) und aus Biases (kognitive Verzerrungen bzw. Denkfehler) zusammen. Das Spannende für E-Commerce-Professionals: Diese Muster sind tief in unsere Gehirne einprogrammiert und wirken damit unabhängig vom Kontext. Das macht sie für die Optimierung von Oberflächen so spannend: Wer Behavior Patterns einmal verstanden hat und weiß, wie sie aktiviert werden, besitzt damit ein extrem mächtiges Werkzeug, um das Nutzerverhalten im Sinne einer höheren Conversion Rate und einer besseren User Experience direkt zu beeinflussen. Auf Basis eigener Kundenprojekte taxiert die Digital-Beratung elaboratum die Wirkung der Website-Optimierung mit Behavior Patterns auf ca. 2,5 Mal so hoch wie bei klassischer Conversion-Optimierung. Das Luxus-Problem: Behavior Patterns sind aufgrund Ihrer Wirksamkeit als Forschungsfeld so attraktiv, dass die Masse an hochwertigen Forschungserkenntnissen im Praxisalltag kaum mehr gehandhabt werden kann. Abhilfe schaffen Bücher wie „Webs of Influence“ oder „PsyConversion“, die wissenschaftlich validierte und im E-Commerce relevante Behavior Patterns zusammentragen, für Praktiker aufbereiten und direkte Ansatzpunkte für deren konkrete Nutzung liefern. Das u.a. von Google, Amazon, OTTO und der Allianz rezensierte „PsyConversion“ listet etwa 101 Behavior Patterns auf, was die erstaunliche Bandbreite der Befunde verdeutlicht. Das wirft naturgemäß die große Frage auf, wo wir die ethisch-moralischen Grenzen der Arbeit mit Behavior Patterns ziehen. Um es kurz zu machen: Hier lassen sich kaum eindeutige Standards definieren. Manipulation sollte allerdings allein schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen unbedingt vermieden werden: Kunden zu einem eigentlich ungewünschten Kauf zu motivieren, ist mit Behavioral Economics zwar grundsätzlich möglich, allerdings stellt sich dies bei einer langfristigen Kundenwertbetrachtung (inkl. Nachkaufzufriedenheit, Wiederkaufs- und Weiterempfehlungsbereitschaft) schnell als grober Unfug heraus.
Ein „Chief Behavioral Officer“ in jedem Unternehmen?
Mit dem Thema Grenzen und Standards könnte sich künftig auch eine ganz neue Rolle im Vorstandsgremium vieler Unternehmen beschäftigen. Viele führende Tech-Unternehmen wie Etsy, Twitter oder Lemonade haben bereits zu Protokoll gegeben, dass sie heute nur noch zwei echte Mega-Trends sehen – nämlich Künstliche Intelligenz und Behavioral Economics. Das hat dazu geführt, dass die ersten Firmen ihre Vorstände konsequenterweise um einen „Chief Behavioral Officer“ erweitert haben. Somit steht quer über alle Hierarchie-Ebenen, Branchen und Phasen der Entscheidungskette fest: Sich mit Behavior Patterns zu beschäftigen ist heute Pflicht. Und es gibt keinen besseren Zeitpunkt, damit zu starten, als jetzt! Weiterführende Informationen, Test-Ergebnisse und konkrete Beispiele für wirksame Behavior Patterns finden Sie kostenlos unter www.psyconversion.de.