Optimale Ansprache durch Kundenwertberechnung
Dies ist der zweite Teil des Fachbeitrags von Stefan Schulte mit dem Titel „Mit optimierten Daten zu optimierter Kommunikation“. Im ersten Teil ging es um Data Warehouse und um den Customer Lifecycle als Basis für die Kundenkommunikation.
Die Definition des Customer Lifecycle – passend auf das jeweilige Geschäftsmodell – ist der erste Schritt zur Optimierung der Kundenkommunikation. Die sich anschließende Herausforderung ist die Verteilung der Gelder und damit die Planung der Kommunikation für die einzelnen Segmente. Schnell wird man feststellen, dass die Aufteilung der Kunden in die einzelnen Phasen des Customer Lifecycle nicht ausreicht, da die Zuordnung von Kunden zu einer Phase des Lebenszyklus ein zu grobes Raster darstellt. Es fehlt in diesem Schritt noch die genaue Einordnung des Werts des einzelnen Kunden, um zu einer optimalen Budgetverteilung zu kommen. Daher wird im nächsten Schritt der Wert des einzelnen Kunden qualifiziert. Der Kundenwert ist eine analytische Größe und gibt auf Basis qualifizierter Faktoren an, welchen reellen Wert der einzelne Kunde für das Unternehmen hat. Auf Basis dieses Werts im Zusammenspiel mit der jeweiligen Phase des Lebenszyklus, in der sich der Kunde befindet, ist es dann möglich, mehr oder weniger intensiv in diesen Kunden zu investieren.
Marketing Automation als Königsweg?
Neben dem klassischen Lebenszyklusmodell findet man auch immer häufiger Modelle aus dem Bereich Marketing Automation. Mit Marketing Automation sind Software-Plattformen gemeint, die aus den Funktionen Datenbank, Web-Controlling, Kommunikation, Workflows und CRM-Synchronisation bestehen. Damit können Marketingkampagnen effizient geplant und umgesetzt werden. Außerdem können Unternehmen damit messen, welchen Erfolg die einzelnen Marketingmaßnahmen haben. Marketing Automation – richtig eingesetzt – kann ein sehr effektives Medium zum Kundendialog sein, wenn die Datenbasis stimmig ist und es eine klare führende Variable gibt, die den Dialog bestimmt zum Beispiel der Kundenwert.
Kundenwertberechnung – ein Modell mit drei Variablen
Für die sogenannte Customer-Value-Berechnung gibt es eine Fülle an Möglichkeiten von unterschiedlicher Komplexität. Die Herausforderung liegt in der Reduzierung der Komplexität bei maximaler Transparenz des Potenzials und des Zeitpunkts, zu dem dieses Potenzial realisiert werden kann. Hierzu bietet sich ein Modell unter Einbeziehung folgender drei Variablen an:
Potenzial
Das tatsächliche Potenzial des Kunden auf Basis von Einkommenssituationen, Mitarbeiterzahlen, Umsätzen oder anderen Kundenkennzahlen abhängig vom B2B- oder B2C-Charakter des jeweiligen Geschäftsmodells.
Umsatz
Der heute getätigte Umsatz im Rahmen der aktuellen Geschäftsbeziehung.
Aus diesen beiden Kennzahlen Umsatz und Potenzial lässt sich der sogenannte Share of Wallet ableiten. Bei der Share-of-Wallet-Analyse wird untersucht, wie viel Prozent des Budgets eines Kunden für einen bestimmten Produkt- oder Dienstleistungsbereich durch das eigene Unternehmen abgedeckt wird. Aufbauend auf diesem Wissen können Maßnahmen erarbeitet werden, die das Ziel verfolgen, den noch nicht abgedeckten Teil der Ausgaben zu akquirieren.
Wahrscheinlichkeit/Probability
Diese Variable besagt, zu welchem Zeitpunkt wie viel Prozent des noch offenen Potenzials für welche Produkte vonseiten des Kunden ausgegeben werden.
Interessant bei dieser Herangehensweise ist die Kombination aus eindimensionalen und mehrdimensionalen Verfahren. Als eindimensional bezeichnet man Verfahren, die eine Berechnungsgröße als Maßstab heranziehen. Hierzu gehört zum Beispiel die Kundendeckungsbeitragsrechnung. Zu den Multidimensionalen Verfahren gehört beispielsweise das Scoring-Verfahren als Disziplin des Data Minings. Als Data Mining bezeichnet man die nicht-triviale Extraktion von impliziten, vorher unbekannten und möglicherweise nützlichen Informationen, die aus Daten in Datenbanken gewonnen werden können.
Kombiniert man die drei Variablen ergibt sich folgendes Modell:
Kombination der drei Variablen
Alle drei Variablen werden klassifiziert und mit Einzelwerten versehen. Die Summe der Einzelwerte ergibt den konsolidierten Kundenwert.
Zur Berechnung der Variablen werden unterschiedliche Verfahren herangezogen. Der Umsatz kann mit normalen analytischen Verfahren ermittelt werden. Für die Variablen Potenzial und Wahrscheinlichkeit werden in der Regel statistische Verfahren herangezogen.
Clusterung als zentrales Element der Segmentierung
Idealerweise bedient man sich dabei der Verfahren Clustering und Predictive Modelling. Für die Berechnung der Potenzialgröße ergeben sich durch das Clustering unter Einbeziehung der relevanten Variablen (zum Beispiel Anzahl Mitarbeiter) homogene Gruppen, für deren Aufteilung unterschiedliche qualitative Segmente notwendig sind. Unter Clusteranalyse (Clustering-Algorithmus, gelegentlich auch: Ballungsanalyse) versteht man Verfahren zur Entdeckung von Ähnlichkeitsstrukturen in (großen) Datenbeständen. Die so gefundenen Gruppen von „ähnlichen“ Objekten werden als Cluster bezeichnet, die Gruppenzuordnung als Clustering. Die gefundenen Ähnlichkeitsgruppen können graphentheoretisch, hierarchisch, partitionierend oder optimierend sein. Die Clusteranalyse ist eine wichtige Disziplin des Data Minings, dem Analyseschritt des Knowledge-Discovery-in-Databases-Prozesses.
Bei der Clusteranalyse ist das Ziel, neue Gruppen in den Daten zu identifizieren (im Gegensatz zur Klassifikation, bei der Daten bestehenden Klassen zugeordnet werden). Man spricht von einem „uninformierten Verfahren“, da es nicht auf Klassenvorwissen angewiesen ist. Diese neuen Gruppen können anschließend beispielsweise zur automatisierten Klassifizierung, zur Erkennung von Mustern in der Bildverarbeitung oder zur Marktsegmentierung eingesetzt werden (oder in beliebigen anderen Verfahren, die auf ein derartiges Vorwissen angewiesen sind).
Zahlreiche Algorithmen unterscheiden sich vor allem in ihrem Ähnlichkeits- und Gruppenbegriff, ihrem Cluster-Modell, ihrem algorithmischen Vorgehen (und damit ihrer Komplexität) und der Toleranz gegenüber Störungen in den Daten. Ob das von einem solchen Algorithmus generierte „Wissen“ nützlich ist, kann jedoch in der Regel nur ein Experte beurteilen. Ein Clustering-Algorithmus kann unter Umständen vorhandenes Wissen reproduzieren (beispielsweise Personendaten in die bekannten Gruppen „männlich“ und „weiblich“ unterteilen) oder auch für den Anwendungszweck nicht hilfreiche Gruppen generieren. Die gefundenen Gruppen lassen sich oft verbal nicht beschreiben oder bleiben sehr allgemein (zum Beispiel „männliche Personen“), gemeinsame Eigenschaften werden in der Regel erst durch eine nachträgliche Analyse identifiziert. Bei der Anwendung von Clusteranalysen ist es daher oft notwendig, verschiedene Verfahren und verschiedene Parameter zu probieren, die Daten vorzuverarbeiten und beispielsweise Attribute auszuwählen oder wegzulassen.
Die Ergebnisse der Clusterung der Variablen Umsatz und Potenzial spiegeln sich in einer Matrix wider. Die Kunden können im Sinne des Share of Wallet beispielsweise in die Gruppen eingeteilt werden: eine Gruppe, deren Share of Wallet zwischen 0 und 33 Prozent liegt, die nächste Gruppe mit einem Wert zwischen 33 und 66 Prozent und schließlich eine Gruppe mit einem Wert, der größer als 66 Prozent ist, eingeteilt werden.
Die Tabelle 1 zeigt exemplarisch die Verteilung von High-Medium und Low-Potential-Kunden sowie High-Medium und Low-Share-of-Wallet-Kunden in eine 9-Felder-Matrix.
Tab. 1: Verteilung von High-Medium und Low-Potential-Kunden sowie High-Medium und Low-Share-of-Wallet-Kunden in eine 9-Felder-Matrix (exemplarisch)
Daraus abgeleitet ergeben sich in Tabelle 2 folgende inhaltliche Strategien für die Kommunikationsplanung pro entsprechendem Segment.
Tab. 2: Sich ergebende inhaltliche Strategien für die Kommunikationsplanung pro entsprechendem Segment
Der dritte und letzte Teil dreht sich um Predictive Modelling zur Bestimmung der Variable Wahrscheinlichkeit.