Der Weg zur konsistenten Customer Experience
Das Thema der Customer Experience Optimierung (CXO) zeichnet sich oftmals durch ein Wetteifern zwischen möglichst schnellen sowie möglichst genauen Entscheidungen aus. Wann ist eine Echtzeitoptimierung sinnvoll und wann profitiert ein Shop-Betreiber eher von der Grundlage größerer Datensätze? Diese und weitere Fragen zu Personalisierungsprozessen beantwortet im folgenden Interviewausschnitt André Morys, der Gründer von konversionsKRAFT. Dieses Interview wurde im Rahmen unserer Recherche für unser Whitepaper Customer Experience Optimierung geführt, in dem vier prominente Top-Experten aus den Bereichen Online Marketing und Digital Analytics die CXO näher unter die Lupe nehmen.
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ODOSCOPE: Hallo, Andre. Ich freu mich, dass du uns heute ein paar Fragen zum Thema Customer Experience und deren Optimierung beantwortest. Kannst du dich bitte zu Beginn noch einmal kurz vorstellen?
André Morys (AM): Ja, klar. Mein Name ist André, ich bin Gründer von konversionsKRAFT. Wir sind jetzt 85 Consultants und Kollegen, die sich damit beschäftigen, mit besserer Customer Experience mehr ROI, also Return on Investment, und Umsatz für unsere Kunden rauszuholen - also letztlich mehr Wachstum.
Mehr Wachstum will ja jeder. Wie würdest du denn Customer Experience definieren und wie misst man eine gute oder eventuell schlechte Customer Experience?
AM: Das ist genau die Krux daran. Customer Experience kann man nicht messen, denn die läuft tief irgendwo in den Hirnwindungen eines Kunden ab. Vielen Aspekten der Customer Experience ist sich der Customer selbst gar nicht bewusst! Du kannst Kunden auch nicht fragen „Wie findest du diese Hotelbuchungsseite?“ und der Kunde antwortet „Oh ja, da fehlt mir Verknappung.“ Verstehst Du? Wir brauchen also schon auch Expertenwissen. Und das, was verkauft wird, ist auch nicht zwingend das, was der Kunde auch unbedingt toll findet. Da gibt es auch noch viele Definitionsfragen.
Customer Experience zu messen ist schwierig. Eigentlich wollen wir eben den Umsatz erzielen und deshalb ist die Frage: Welche Customer Experience bringt dem Unternehmen letztlich einen Umsatzdeckungsbeitrag? Ich würde deshalb unterscheiden zwischen Customer Experience erforschen und verstehen, also qualitativ. Den Outcome guter Customer Experience kannst du messen. Aber das, was du jetzt gute Customer Experience nennst, ist eventuell etwas, wozu der Kunde gar nicht mal sagen würde: „Das ist jetzt die perfekte Customer Experience.“ Dessen muss man sich bewusst sein.
Verstehe. Optimiert man denn eher, um die bestehenden Kundenerwartungen zu erfüllen, oder gestalte ich gezielt eine Customer Experience, die dann vom Kunden angenommen wird? Wie geht man da vor?
AM: Wie gesagt, sind sich Kunden oft gar nicht dessen bewusst, was sie brauchen. Erst, wenn sie es dann sehen, finden sie es toll. Deshalb sag ich immer: Es ist beides! Du musst A natürlich die Hygienefaktoren und Bedarfe aus Kundensicht treffen – ein Kunde will irgendein Problem gelöst haben und das ist so deine Mindestanforderung dessen, wo du dich nach dem Kunden richtest. Aber dann kannst du durch geschicktes Hinzufügen von Elementen, deren sich ein Kunde vielleicht gar nicht bewusst ist, letztlich den Outcome deiner Customer Experience erhöhen.
Du kannst aber dieses Mehr, was du lieferst, erst dann liefern, wenn du die Basis schon entwickelt hast. Also sprich, wenn dein Online-Shop oder deine Website so schlecht sind, dass sie die Basisanforderungen nicht erfüllen, dann brauchst du auch nicht irgendetwas dazu bauen. Da gibt es ja auch diese Analogien zu iPhone und Nokia Handys. Im Prinzip brauchst du beides.
Wenn ich dann optimiere, wo und wann ist eine Realtime-, also Echtzeitoptimierung sinnvoll? Das heißt, man ist schneller, hat aber vielleicht weniger Daten zur Verfügung. Und wo ist Realtime-Optimierung nicht sinnvoll?
AM: Na, zunächst Mal ist die Rechnung hier ganz einfach. Je schneller ich eine gute Customer Experience ausliefere, desto mehr ROI habe ich. Als warum sollte ich damit warten? Aus der, ich sage jetzt mal, „Conversion Optimierer Sicht“ wissen wir, dass wir das Verhalten eines Kunden beeinflussen wollen. Je früher der Kunde diesen Stimulus wahrnimmt, desto früher können wir auch sein Verhalten verändern.
Das auf der einen Seite. Auf der anderen Seite haben wir natürlich auch Anforderungen an eine gewisse Qualität. Wenn ich dem Kunden Quatsch zeige, weil ich zu wenig oder schlechte Daten habe, ist das auch nicht gut. Also irgendwo muss ich unter diesen Bedingungen das Optimum finden. Aber ich würde immer sagen, gute Resultate brauchen kontrastreiche Veränderungen. Deshalb plädiere ich dafür, je früher desto besser mit der Realtime-Optimierung.
Sehr gut. Besonders in der Zeit, wo alles sofort verfügbar ist, niemand mehr Geduld hat und die Aufmerksamkeitsspannen sinken.
AM: Richtig. Viel wichtiger ist meiner Meinung nach, dass wir uns dessen bewusst sind, dass ein Kunde auch den Bedarf hat, eine konsistente Customer Experience zu haben. Ich muss also bei jeder Personalisierung aufpassen: Wenn ein Kunde tagsüber an seinem Desktop-Rechner im Büro sitzt, surft und irgendeine Kategorie-Seite mit Ergebnissen angezeigt bekommt, will er diese vielleicht abends seiner Frau zeigen. Er nimmt das iPad, hat dann ein anderes User-Profil, andere Cookies und sagt dann: „Guck mal, da habe ich diesen Artikel gefunden!“ und zack ist der weg. Ein Worst-Case Szenario aus Customer Experience Sicht! Um entscheiden zu können, wie viel wir ändern, wie schnell und wie gut wir es ändern, müssen wir deshalb natürlich gut verstehen: Wie tickt der Kunde?
Ja genau, darüber haben wir auch schon viele Diskussionen geführt. Also diesen Fall: die Liste ist anders, dann findet man die Produkte nicht mehr, die man eigentlich zeigen wollte. Da gibt es einen Zielkonflikt. Einen anderen Zielkonflikt gibt es auch im Rahmen der Personalisierung, ob man regelbasierte oder datengetriebene Entscheidungen treffen sollte. Was präferierst du und wie würdest du die beiden Möglichkeiten bewerten?
AM: Also ich sehe da erst einmal gar keinen Widerspruch. Ich würde daraus vielleicht sogar eine Art Pyramidenmodell bauen. Denn vielleicht kann ich ja die Customer Experience sogar grundsätzlich für alle Kunden verändern, ohne dass ich das Personalisierung nenne - sondern einfach nur eine gute Customer Experience und dafür brauche ich keine festen Regeln.
Dann bin ich vielleicht regelbasiert, weil es so grundsätzliche, einfache Dinge gibt, die ich auch schon mit einer einfachen Regel machen kann. Dann sollte ich die auch umsetzen. Dann würde ich vielleicht oben datenbasiertes Realtime Targeting draufsetzen, als zusätzliche Ebene. Bestimmt hat irgendwer schon so ein Modell gemacht, aber für mich ist das gar kein Widerspruch.
Verstehe. Das heißt, so eine Kombination kann eigentlich noch bessere Ergebnisse liefern, als wenn man sich nur auf einen Ansatz fokussiert.
AM: Ganz genau. Aus der Conversion-Sicht sind wir ja immer auf ROI getrimmt. Wenn ich eine Customer Experience für die Gesamtheit aller Kunden optimiere, habe ich natürlich dadurch, dass es bei allen Kunden effektiv ist, einen größeren ROI, als wenn ich das spezifisch für ein Segment machen würde. Also eine regelbasierte Personalisierung, die irgendein Element ausspielt, das ich vorher festgemacht habe, zieht ja dann schon wieder nur in einem bestimmten Segment. So muss ich eben aufpassen, dass ich durch meine Granularität nicht auch den ROI „homöopathisch“ mache. Wenn ich eine gute Personalisierung habe, dann muss ich natürlich schauen, dass ich sie für ein möglichst großes Segment meiner Kunden wirksam kriege.
Gibt es da vielleicht eine Möglichkeit, Veränderungen schon zu antizipieren? Wenn man irgendwie merkt, bestimmte Dinge müssen verändert werden, denn sonst springen mir die Kunden ab und die Conversion Rate geht nach unten?
AM: Definitiv. Das gilt grundsätzlich für Optimierungen der Customer Experience wie auch für Personalisierung. Ein guter Verkäufer weiß ja auch, wenn du in den Laden bzw. in den Showroom läufst. Angenommen du gehst zu deinem BMW-Dealer und kaufst dir morgen den neuen M5. Du gehst da mit so einem vorsichtigen Gang rein. Dann weiß der Verkäufer ja auch schon, bevor du das erste Wort sagst, „oh, du könntest vielleicht eher so ein traditioneller Kunde sein“. Also er antizipiert deine Präferenzen auf Basis gewisser Signale, die du sendest.
Eine gute Personalisierung macht nichts anderes als das und guckt, wenn ich einen bestimmten Referrer habe, etwa von einem Preisvergleichsportal: „Ein valides Signal dafür, dass ich ein bestimmter Kundentyp bin.“ Also warum warten mit der Personalisierung? Wir haben ja durch unseren psychologischen Background einen Blick auf Cluster, der auch qualitativ ist. Also du sagst Cluster A versus Cluster B ist eine Sichtweise, die Datensicht. Aber was bedeutet das karierte Hemd denn jetzt? Wie verkaufe ich dir denn diesen BMW besser, wenn du ein kariertes Hemd anhast? Der gute Verkäufer weiß das.
Ja, das stimmt. Spannende Punkte. Ich springe zu der Frage zurück, wo du gesagt hast, es braucht eine gute Basis, um eine Customer Experience zu optimieren. Ich nehme an, du spielst auf sowohl technologische als auch menschliche, das heißt, prozedurale als auch organisatorische an, oder?
AM: Naja. Erst einmal müssen wir uns in die Schuhe des Kunden stellen und uns sagen, der unterscheidet das nicht. Der geht auf eine Website und sagt: „Puh, ich habe hier irgendetwas, finde mich aber nicht zurecht“. Und da kann das jetzt personalisiert sein, wie es will. Wenn ich das Gefühl habe, ich bin hier falsch oder das ist zu teuer, dann gehe ich wieder weg. Das passiert nicht nur in der Personalisierung. Das passiert auch bei technischen Umstellungen von Shops, die jetzt responsiv werden sollen. Dann hat alles mehr Weißraum, sieht teurer aus und die Kunden kaufen nicht mehr.
Schön, dass das jetzt alles lückenlos auf allen Devices klappt, aber wenn mein Shop nun teuer aussieht, ich aber Artikel verkaufe, die gar nicht teuer sind, habe ich ein Problem. Das meine ich mit Hygienefaktoren. Denn wenn etwas stört, springt der Kunde ab. Erst, wenn ich die Hygienefaktoren gelöst habe, dann kann ich andere Faktoren optimieren. Das sind Dinge, die ich grundsätzlich in der Customer Experience optimieren muss. Und erst, wenn die geregelt sind, dann kann ich mich an die sogenannten Begeisterungsfaktoren machen. Das ist ein uraltes Modell von einem Japaner namens Kano, was leider oft in Vergessenheit gerät, und das umfasst alles. Egal, ob Logistik, Customer Experience, Sortiment oder Personalisierung.