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Webseitenoptimierung dank Behavior Patterns

Immer noch optimieren Shop-Betreiber ihre Webseiten auf rationale Entscheidungsmuster. Verschenktes Potenzial, denn in Wahrheit entscheidet der Bauch.
Timo Burmeister | 02.12.2019
Erfolgreiche Webseitenoptimierung dank Behavior Patterns © Pixabay / Mudassar Iqbal
 

Wir alle besitzen zwei Entscheidungssysteme: ein rationales und ein intuitives. 95 % aller Entscheidungen werden von unserem intuitiven Entscheidungssystem gefällt. Dies geschieht unbewusst aufgrund von erlernten Verhaltensmustern und kann von uns nicht aktiv beeinflusst werden. Dennoch, wer diese Verhaltensmuster kennt, kann dem Nutzer vieles erleichtern. Diese Erkenntnis sollten sich Onlineshop-Betreiber bei der Optimierung ihrer Webseite immer vor Augen führen. Denn wer seine Webseite auf die unbewussten Verhaltensweisen der Nutzer optimiert, verbessert nicht nur die Conversion, sondern auch das Nutzererlebnis und dadurch letztlich auch die Kundenzufriedenheit.

Behavior Patterns – Effizienzbringer für unser Gehirn

Rationales Nachdenken kostet uns viel Energie. Und da unser Gehirn effizienzoptimiert ist, treffen wir daher den Großteil unserer Entscheidungen intuitiv. Doch unsere intuitiven Entscheidungen sind keineswegs irrational und entstehen auch nicht zufällig. Sie resultieren aus klar definierten und immer wiederkehrenden Verhaltensmustern – den Behavior Patterns. Diese Patterns sind wie Schablonen für unser Handeln – sog. Heuristiken. Das heißt, sie lassen uns mit unsicherer Information und wenig Zeit dennoch zu einer guten Entscheidung kommen und schonen damit die Kapazitäten unseres Gehirns. Auch aus evolutionärer Sicht sind diese standardisierten Verhaltensmuster wichtig: Hätten sich unsere Vorfahren bei jedem Rascheln im Gebüsch lange Gedanken machen müssen, ob es sich um eine Gefahr für sie handelt oder nicht, würde es uns heute vermutlich nicht mehr geben. Behavior Patterns sind aber auch ein unglaublich wirksames Instrument, um die Conversion Rate positiv zu beeinflussen.

Warum Onlineshop-Betreiber Behavior Patterns kennen sollten

Die positive Wirkung von Behavior Patterns im E-Commerce konnten wir in einer Studie unter 2.400 Teilnehmern nachweisen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Behavior Patterns an mehreren Stellen entlang der User Journey im E-Commerce positiv auf die UX und Conversion-Rate der optimierten Seite einwirken. Die Warenkorbgröße der Nutzer steigt bei Seiten, die unsere unbewussten Verhaltensmuster ansprechen. Behavior Patterns wirken unbewusst: Der Business Value, also die Kombination aus Conversion-Rate und Warenkorbgröße steigt unabhängig davon, ob eine modifizierte Seite besser bewertet wurde oder nicht – und das durchschnittlich um 23,4%.

Ein Blick auf die Praxis:

Praxisbeispiele zeigen sogar eine deutlich höhere Relevanz als die Studienergebnisse. In bisherigen Projekten wurde ein durchschnittlicher Uplift von 50 % gegenüber klassischen Optimierungsmaßnahmen erzielt. Wie Onlinehändler Behavior Patterns erfolgreich einsetzen können, erläutern wir an einem Praxisbeispiel:

 

Kerbholz – Mit Behavior Patterns 91,1 % Conversion-Steigerung

Kerbholz stellt Uhren und Brillen aus Naturmaterialien her und vertreibt diese über einen Onlineshop. Sowohl die Produktdarstellung im Onlineshop als auch die Produktbeschreibung wurde mit Hilfe von Triggern, die unbewusste Verhaltensmuster beim Käufer ansprechen, optimiert. Beispielsweise wurde das „Social Proof“-Pattern in die Produktdarstellung integriert. Wenn wir nicht wissen, wie wir uns entscheiden sollen, orientieren wir uns an anderen Menschen. Wir vertrauen darauf, dass andere Personen, die die Entscheidung bereits getroffen haben, mehr Wissen darüber verfügen und  denken, dass wir unser Risiko minimieren, wenn wir ihnen Vertrauen. Ein Beispiel für die Umsetzung des Social Proof-Patterns ist die Einbindung von Kundenbewertungen.  Außerdem wurde auch an der Darstellung der Preise gearbeitet. Das Pattern „Magnitude Priming“ besagt, dass numerische Ausdrücke im Gehirn als Größenrepräsentationen verarbeitet und codiert werden. Sollen Preise gering wahrgenommen werden, wird empfohlen, die Schriftgröße und Linienstärke des Zahlenwerts gering zu halten. Diese und weitere Maßnahmen führten zu dem Ergebnis, dass mit einfachen Mitteln die Conversion-Rate konnte um 91,1 % gesteigert werden konnte.

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Optimierung der Produktdarstellung durch den Einsatz von Behavior Patterns im Online-Shop von Kerbholz

 

 

Optimierung der Produktbeschreibung durch den Einsatz von Behavior Patterns im Online-Shop von Kerbholz

 

 

 

Uplift der Conversion-Rate bei Kerbholz durch die Optimierung des Online-Shops von Kerbholz mit Behavior Patterns

Alles Manipulation oder was?

Wer den Schaltplan in den Händen hält, kann leicht feststellen, welche Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, um ein bestimmtes Verhalten auszulösen. Deshalb kommt es im Kontext mit Behavior Patterns schnell zu der Frage, ob es sich um eine Manipulation der Käufer handelt. Die Antwort lautet: Ja, man kann mit Behavior Patterns manipulieren. Denn viele der Verhaltensmuster sind evolutionär so tief in unseren Gehirnen verwurzelt, dass wir uns gegen ihre Wirkung kaum verwehren können. Übertragen wir die Aussage von Paul Watzlawick „Wir können nicht nicht kommunizieren“ auf die unbewussten Verhaltensweisen im E-Commerce, könnte diese lauten „Wir können nicht nicht manipulieren“.

Wir müssen uns also der Diskussion stellen, wo Manipulation beginnt und klare Regeln definieren, wo die rote Linie gezogen wird. Glücklicherweise beruht die Debatte nicht nur auf moralischen Aspekten. Sie hat ein überzeugendes betriebswirtschaftliches Fundament: Jede Manipulation von Nutzern wird mit Nachkauf-Dissonanz bestraft. Erhöhte Retouren- bzw. Storno-Quoten sowie eine beeinträchtigte Kundenbeziehung sind die unerwünschten Folgen. Im schlimmsten Fall wird die Kundenbeziehung sogar ganz beendet. Wer in Kundenlebenszyklen denkt und an einer langfristig profitablen Beziehung interessiert ist, sollte die Entscheidungsarchitektur so anpassen, dass Nutzer lediglich einen kleinen Schubser in die Richtung erhalten, die ihren Bedürfnissen entspricht. E-Commerce Steuerung im modernen Sinne setzt auf Weiterempfehlungen und einen Customer Lifecycle Value und sollte tunlichst von der bewussten Manipulation der Käufer absehen. Neukundenakquise ist deutlich teurer als Bestandskundenpflege. Deshalb sollte das unternehmerische Ziel eine nachhaltige Beziehung zu loyalen Kunden sein. Und das ist nur gegeben, wenn Kunden mit ihren Entscheidungen langfristig zufrieden sind und wenn sie Entscheidungen nicht gegen ihren rationalen Willen getroffen haben.

Fazit

Behavior Patterns bergen ungeheures Potenzial für Webseitenbetreiber, ihre Onlineshops zu optimieren. Doch obwohl die Erkenntnisse über die unbewussten Entscheidungsmuster bekannt sind und viele Optimierungsmaßnahmen schnell und unkompliziert realisierbar sind, ist das Potenzial nach wie vor weitgehend ungenutzt. Nicht nur im Hinblick auf die reine Conversion. Wer sich in seiner Kundenansprache an Behavior Patterns orientiert, verbessert das Kundenerlebnis und trägt damit auch langfristig zum Geschäftserfolg bei.