Ist Voice wirklich wichtig?
Alle Statistiken zur Nutzung von Google Home und Amazon Echo weisen in die gleiche Richtung: Die User haben sich auf einen kleinen, recht scharf umgrenzten Einsatzbereich eingeschossen, der weit unter dem liegt, was zur Hochphase des Hype vor zwei Jahren erwartet wurde. Das SEO-Unternehmen Systrix stellte in einer Studie Ende letzten Jahres sogar fest, dass die Gesamtnutzung der SmartSpeaker zurück geht. Hoffnungsfrohe Frühkäufer waren offensichtlich enttäuscht.
Die Anwendungsbereiche sind im wesentlichen SmartHome, Medienkonsum und einfache Aufgaben wie das Pflegen einer Einkaufsliste, vielleicht das Rufen eines Taxis oder das morgendliche Wecken. Manchmal auch eine Informationsabfrage zur Beilegung einer Familienstreitigkeit: „Wie heißen die sieben Weltwunder?“
Von den großen Ambitionen, mit denen die SmartSpeaker weiland gestartet waren, ist nicht mehr viel übrig. Und mit ihnen fast untergegangen ist die Debatte um die Bedeutung von Voice. Und dabei wird häufig übersehen, dass Voice Search vor allem auf dem Smartphone geschieht und durchaus Auswirkungen auf das Marketing der Unternehmen hat, denn es verändert vor allem den Inhalt der Suchanfragen.
Voice heißt strukturierte Daten
Ric Rodriguez, Suchmaschinenexperte beim Softwareunternehmen Yext sieht vor allem drei wesentliche Fehler, die Unternehmen bislang machen:
1. Sie unterschätzen die Veränderungen bei den Suchanfragen
2. Sie bereiten die wichtigsten Daten nicht strukturiert auf, so dass sie leicht aktuell und korrekt zu halten sind
3. Sie übersehen, dass Voice immer mehr direkte Relevanz für Transaktionen bekommt
Die Veränderung in den Suchanfragen besteht vor allem darin, dass User keine Keywords mehr suchen, sondern einer Sprach-gesteuerten Anwendung Fragen stellen. Wenn der User am Smartphone nicht tippen muss, sondern diktieren kann, dann wird er das in seiner normalen Sprache tun.
Das impliziert, dass Unternehmen noch genauer als bisher auf Ihre Personas schauen müssen und nicht nur die Intention hinter eine Frage verstehen, sondern sogar den Wortlaut erkennen müssen. Einen Teil davon nimmt ihnen Google ab, aber richtig gut rankt eine Seite, die exakt das beantwortet, was der Nutzer gefragt hat. „Es ist daher ratsam, auf einzelne Landing Pages zu setzen, zum Beispiel für jede Filiale oder Niederlassung des Unternehmens. Suchmaschinen können dann den Nutzern noch gezieltere Antworten geben, etwa auch standortbezogene Antworten“, empfiehlt Rodriguez. Ähnliches gilt für FAQ-Seiten, die spezifischer werden müssen.
Die strukturierte Aufbereitung ist vor allem dann wichtig, wenn die Software – zum Beispiel Google oder Alexa - versucht, nicht mehr auf Seiten zu verweisen sondern die enthaltenen Daten sofort zu nutzen. Der Klassiker ist der MyBusiness-Eintrag, der für eine Suche auf Google hohe Relevanz hat. Gleiches gilt auch für Bewertungen. Ric Rodriguez empfiehlt, dass man mit der Formatierung nach Schema.org startet, betont aber, dass es vor allem wichtig ist, eine Infrastruktur zu entwickeln, die dazu in der Lage ist, diese Daten permanent aktuell zu halten. Und mit Bewertungen sollte man sehr gezielt interagieren.
Die Transaktionsrelevanz der Sprachsuche zeigt sich aktuell am Beispiel Google Duplex. Im Herbst startete Google erste Versuche, dem Google Assistant zu ermöglichen, Restaurantreservierungen vorzunehmen und Mietwagen zu buchen. Und zwar ohne dezidierte APIs sondern einfach über die Anwendung auf der jeweiligen Website.
Die deutsche Support-Dokumentation von Google zeigt bereits Dokumente, die darauf hinweisen, dass auch in Deutschland ein Crawler unterwegs ist, der sich die Formulare auf Websites genauer anschaut.
Sonderfall Near Me
Der unmittelbar spannendste Hebel für Voice ergibt sich aber aus der steigenden Bedeutung der lokalen Suche. Sucht ein User nach einem Restaurant, wird Google ihm automatisch Restaurants in der unmittelbaren Nähe zeigen, selbst wenn der Nutzer nicht nach „in Hamburg“ oder „in der Nähe“ gesucht hat.
Google übernimmt hier also – in den meisten Fällen zurecht – die Einordnung der Relevanz nach dem vermuteten „Intent“, dem Grund der Suchanfrage. Auch hier spielen die strukturierten Daten, allen voran der Eintrag auf MyBusiness und die Bewertungen eine sehr große Rolle.
Angesichts der wachsenden Bedeutung dieses „Navigationsinstruments“ lag es nahe, dass Google diesen Such-Traffic auch vermarktet. Und das tut man mit gesponsorten Einträgen am Kopf der Ergebnisliste in Google Maps. Das ist im unmittelbaren Wettbewerb natürlich spannend, wenn drei italienische Restaurants in unmittelbarer Nachbarschaft um Kunden buhlen.
Aber genauso interessant ist der Ansatz für Unternehmen, die eine zur Such-Intention passende Leistung anbieten, die aber gar nicht gesucht wurde. Wer ein Restaurant sucht, könnte gelichzeitig auch einen Parkplatz suchen. Und genau hier setzt der Parkhausbetreiber Contipark an. Gemeinsam mit den Berliner Dienstleistern von Uberall konzipierte man einen Mediaplan, der abhängig ist von der Auslastung der Parkhäuser. Immer dann, wenn noch genug Platz ist, werden Anzeigen auf Google Maps geschaltet. „Technisch wäre es vorstellbar, dass die Belegungssysteme der Parkhäuser sogar direkt an das System angebunden werden und dann quasi automatisch Werbung schalten“, erklärt Florian Hübner, der Gründer von Uberall.
Fazit
Wer Voice heute abschreibt, hat nicht verstanden, dass dieses Interface signifikant die Art wie man mit dem Smartphone umgeht verändert. Dieser Effekt ist weniger unmittelbar und drastisch, als man es zu Beginn geglaubt hat, als noch die Hoffnung bestand, SmartSpeaker können intelligente Butler werden. Auch andere „handsfree“ Devices, wie etwa das Navigationssystem im Auto reagieren auf gesprochene Eingaben des Nutzers und die sind anders, als wenn er hätte tippen müssen.
Der Versuch seitens Google und Co. dem Rechnung zu tragen, mündet in der Interpretation der Intention der Suche. Und genau das müssen Marketer ganz genau beobachten, um mit ihrem Angebot an der entscheidenden Stelle präsent zu sein. Ric Rodriguez sagt: „Die Sprachsuche erfordert keine spezielle SEO-Optimierung“. Das stimmt, aber die Möglichkeit zur Sprachsuche ändert die Suche.
Florian Hübner ist der Auffassung, dass gerade für Unternehmen mit stationären Läden Filialen oder Restaurants sogar immer mehr Markenwert dadurch entsteht, dass man bei lokalen Suchen gefunden wird und dort hoffentlich gute Bewertungen stehen. „Wenn ich aus dem Bahnhof komme, weiß ich durch mein Smartphone längst, wo ich Kaffee trinken gehe. Da achte ich auf das Starbucks-Logo gegenüber gar nicht mehr“.