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Keine Angst vor Corporate Influencern

Ängste und Widerstände treten auf allen Unternehmensebenen auf. Die Bedenken der Unternehmensleitung und weiterer Entscheider.
Kerstin Hoffmann | 25.05.2020
Corporate-Influencer: Wie man mit Widerständen und Ängsten umgeht © Pexels / George Becker
 

Jedes Unternehmen hat heute Markenbotschafter, auch Corporate Influencer genannt. Denn sobald Mitarbeitende als Unternehmensangehörige erkennbar sind, fällt alles, was sie sagen oder tun, auch auf die Marke zurück. Dies gilt unabhängig davon, ob sich jemand nun der eigenen Rolle bewusst ist oder nicht, ob es im Unternehmen eine Corporate-Influencer-Strategie gibt oder nicht. In Zeiten, in denen praktisch jeder Mensch auf die eine oder andere Weise in digitalen Medien präsent ist, bilden jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin eine potenzielle Schnittstelle in die Öffentlichkeit. Das gilt sowohl für die Präsenz auf großen Plattformen wie Facebook als auch für Mikronetzwerke, etwa in Messengern. Je bewusster die eigene Rolle wahrgenommen und gestaltet wird, je besser sich die Betreffenden unterstützt fühlen, desto besser gelingt die Markenbotschafterrolle. Doch manchmal stellen sich überhaupt erst dann, wenn das Thema aktiv angesprochen wird, Vorbehalte ein. Ängste und Widerstände treten auf, und zwar auf allen Unternehmensebenen. In diesem Beitrag geht es um Bedenken der Unternehmensleitung und weiterer Entscheider – und wie man konstruktiv damit umgeht. Denn nur wenn es gelingt, diese mitzunehmen und zu überzeugen, kann die Markenbotschafterstrategie zum Erfolg führen. Hier, im internen Vermitteln, stellt sich für Unternehmenskommunikation oder Marketingverantwortliche also in vielen Fällen die erste und wichtigste Aufgabe.

Zunächst sollte man sich klarmachen: Jedes Markenbotschafterprojekt stößt einen Wandel an, und Change ruft fast immer auch Gegenwind hervor. Ängste kommen also in vielerlei Verkleidungen daher und können die unterschiedlichsten Widerstände hervorrufen. Doch es sind nicht immer nur Ängste, die dafür sorgen, dass ein Change-Projekt und erst recht ein grundlegender Kulturwandel nicht durchgehend rund läuft. Wer erwartet, dass das Markenbotschafterprojekt in Idealform abläuft, gefährdet dessen Erfolg. In Ihrem Projekt können – und werden! – Hindernisse und Widerstände auftauchen. Dies liegt allein schon an der großen Zahl der beteiligten Personen, von denen viele sich neue Domänen überhaupt erst erobern müssen.

Typisch: Angst vor Shitstorms und Kommunikationskrisen

Wenn die Unternehmensleitung zögert, eine Markenbotschafterstrategie zu befürworten, dann liegt dem meistens zuerst einmal die Fehlannahme zugrunde, dass man Gefahren abwenden könnte, indem man das Thema ignoriert. Das Gegenteil ist der Fall. Dies könnten alle diejenigen bestätigen, deren Unternehmen schon einmal einen Shitstorm erlebt haben, ohne dass es eine Markenbotschafterstrategie gab – oder vielmehr gerade weil eine solche nicht existierte und daher kein Bewusstsein für die Gefahren unbedachter Äußerungen vorhanden war.

Oft ist es aber nicht die Angst vor der ganz großen Krise, die die Unternehmensleitung davon abhält, ihre Mitarbeitenden als Markenbotschafter zu unterstützen. Häufig überwiegen einfach die angenommenen Nachteile den versprochenen Nutzen.

Typisch: Angst vor Äußerungen, die nicht zum Image passen

Allein der Gedanke, die Vielzahl der kursierenden Markenbilder, die über zahlreiche Schnittstellen das Unternehmen verlassen, nicht mehr kontrollieren zu können, erzeugt Unbehagen bei Entscheidern und häufig auch bei Kommunikationsverantwortlichen. Natürlich muss es bei aller Pluralität der Stimmen bestimmte verbindliche Übereinkünfte und Richtlinien geben. Was wir aber vor allem viel mehr als bisher verstehen müssen, ist die Tatsache, dass vereinheitlichte PR-nahe, durchgehend positive Kommunikation eher unglaubwürdig und unauthentisch wirkt. Mehr und mehr setzt sich das Bewusstsein durch, dass es sich als kontraproduktiv erweist, wenn jegliche kritischen Stimmen möglichst unterdrückt und unsichtbar gemacht werden. Stärke beweisen vor allem diejenigen Unternehmen, welche kontroverse Diskussionen zulassen und mit Kritik konstruktiv umgehen. Dies erfordert häufig zunächst einmal einen Wandel in der Fehlerkultur.

Typisch: Verlustangst, wenn ein Markengesicht die Firma verlässt

Ein häufig geäußerter Einwand gegen die aktive Förderung von Markenbotschaftern lautet: Wenn man einen Angestellten als Markengesicht aufbaut und dieser in der Folge das Unternehmen verlässt, seien die aufgebauten Werte mehr oder weniger hinfällig. Natürlich lässt es sich nicht abstreiten, dass ein öffentlich sichtbarer Markenbotschafter eben auch für andere potenzielle Arbeitgeber sichtbarer wird. Doch sollte man den Aspekt der Mitarbeiterbindung nicht unterschätzen. Ein aktiv gefördertes Markengesicht fühlt sich womöglich mit der Zeit auch selbst immer enger an das Unternehmen gebunden. Doch will er oder sie gehen, lässt sich dies ohnehin nicht vermeiden. Zugleich gilt: Je mehr Unternehmensangehörige in Social Media sichtbar sind, umso mehr wird der Wert eines neu einzustellenden Mitarbeitenden auch über den Wert seiner bereits bestehenden Personenmarke definiert. Für einen sichtbaren Markenbotschafter, der geht, kommt dagegen im Idealfall ein neuer hinzu.

Angst und Widerstand können wertvolle Hinweise liefern

Bei allen Ängsten und Widerständen, ob sie nun von Unternehmensleitung oder Belegschaft kommen, gilt: Nicht alles muss – und kann! – man auflösen. Doch häufig zeigt sich auf diese Weise weitergehender Klärungs- und Erarbeitungsbedarf in anderen Bereichen, etwa Leadership, Hierarchien, Abstimmungsprozesse und so weiter. Insofern sind solche auftretenden Widerstände oder Konflikte wertvolle Bestandteile des Prozesses. Wie man im Detail damit umgeht, hängt von den Beteiligten sowie von vielen individuellen Faktoren im Unternehmen ab. Wichtig ist es jedoch, Bedenken wertzuschätzen und nicht wegzureden. Die interne Kommunikation, abgestimmt auf die Zielgruppen im Unternehmen, muss der externen Kommunikation immer vorausgehen. Das gilt auch und gerade für Markenbotschafterstrategien.

Dieser Beitrag beruht auf mehreren Kapiteln aus dem gerade erschienenen Buch von Dr. Kerstin Hoffmann: Markenbotschafter – Erfolg mit Corporate Influencern. Überblick, Strategie, Praxis, Tools, 1. Auflage 2020, 295 Seiten (Broschur), ISBN: 978-3-648-13632-4