Kunden erfolgreich segmentieren
Bilden Ihre Kunden eine große, homogene Masse? – Vermutlich nein. In diesem Fall schließt sich die Frage an, wie viele und welche unterschiedlichen Kundensegmente unterschieden werden können. Der gesamte Kundenbestand muss dann diesen Segmenten zugeordnet werden. Dies ermöglicht, die Kunden je nach Segment-Zugehörigkeit mit einer auf sie zugeschnittenen Kommunikationsstrategie anzusprechen. Die Relevanz der Kundenansprache steigt – die Marketingeffizienz wird optimiert.
Nicht jedes Segmentierungsprojekt führt zum Erfolg. In der Praxis hat es sich bewährt, bei der Umsetzung folgende Erfolgsfaktoren zu beachten:
Datenbasis
Aufbereitung
Kundenauswahl
Interpretation
Umsetzung
1. Datenbasis – welche Informationen zu den Kunden lassen sich nutzen?
Die Auswahl der zur Segmentbildung verwendeten Variablen ist der wichtigste Einflussfaktor auf das Ergebnis. Auf der Datenbasis sollte daher ein Hauptaugenmerk liegen. Wo ausreichend aussagekräftige interne Kundendaten fehlen, wird eine Segmentierung wenig Nutzen bringen.
Dies betrifft zum einen die bisherige Kaufhistorie und das sonstige Verhalten des Kunden, zum anderen die Kundenstammdaten. Grundsätzlich bietet es sich an, folgende Informationen heranzuziehen:
- Kaufhistorie: Wann hat der Kunde gekauft, welchen Preis hat er bezahlt und vor allem was hat er gekauft? Je mehr lnformationen zu den Artikeln vorliegt, desto zielgerichteter lässt sich ableiten, was den Kunden interessiert und womit er sich am besten ansprechen lässt.
- Kaufabwicklung: Nutzt der Kunde besondere Angebote oder Gutscheine/Coupons, kauft er am PoS oder online, welchen Zahlungs- und Lieferweg nutzt er? Schließt er Ratenkaufverträge, Versicherungen oder ähnliche Zusatzangebote ab?
- Weiteres Kundenverhalten: Empfängt der Kunden den Newsletter und – falls ja – wie geht er damit um? Gibt es Daten zum online-Verhalten der Kunden auf der Webseite wie Webverweise und andere Quellen, Verweildauern oder angesehene Produkte – auch für den Fall, dass der Webseiten-Besuch nicht zum Kauf geführt hat?
- Kundenstammdaten: Wann und wie wurde der Kunde gewonnen, welche soziodemografischen Informationen liegen über ihn vor (Geschlecht, Alter, Wohnort)? Gibt es in der Kundendatenbank ggf. weitere Personen aus demselben Haushalt? Auf welche Weisen möchte der Kunde mit dem Unternehmen kommunizieren?
- Stammdatenanreicherung: Unter Umständen ist die Ergänzung der Stammdaten mit weiteren, allerdings nicht personenscharfen Informationen sinnvoll. Hierzu zählen die Altersschätzung auf Basis des Vornamens sowie die Nutzung der Adressinformationen. Dies kann beispielsweise die Kaufkraft des Wohnumfelds betreffen oder ob dieses eher ländlich bzw. städtisch geprägt ist.
2. Aufbereitung – was ist mit den Rohdaten vor der Segmentierung zu tun?
Zur Datenaufbereitung gehören u.a. die Bildung von Dummy- und Anteilsvariablen, die Ersetzung fehlender Werte, Ausreisser-Behandlung und die Transformation von Merkmalen z.B. durch Logarithmierung. Auch eine Verdichtung der einfließenden Merkmale durch eine Faktoranalyse hat sich bewährt; hierdurch ergeben sich erste Einblicke die Dimensionen, welche die Segmentbildung treiben.
Die Daten sind aus den verschiedenen Datenquellen zusammenzutragen und auf Kundenebene zu aggregieren. Dabei wird mit den einzelnen Merkmalstypen wie folgt verfahren:
- Metrische Merkmale wie Recency, Frequency, Monetary Value, Anzahl der Käufe bzw. gekauften Positionen usw. sind oft von einer deutlichen Schiefe ihrer Verteilung gekennzeichnet. Um eine symmetrischere Verteilung zu erhalten, sollten sie sollten für die Segmentierung geeignet transformiert werden, z. B. durch Logarithmierung.
- Kategorielle Merkmale (wie Gewinnungsweg, Geschlecht) müssen in Gruppen von Dummy-Variablen (0-1-Variablen) transformiert werden. Dabei werden nur die wichtigen Ausprägungen berücksichtigt und ggf. Kategorien geeignet zusammengefasst.
- Anteilsvariablen werden gebildet, um z.B. Umsatzwerte (Monetary Values) auf Produktgruppen aufzuteilen. Dies ist meist sinnvoller als mit den Absolutwerten zu arbeiten, da diese Merkmale die Präferenzen der Kunden für bestimmte Artikelgruppen widerspiegeln sollen – unabhängig vom Umsatzniveau des Kunden.
- Durchschnittswerte: Diese können als Quotienten metrischer Merkmale gebildet werden, z.B. Umsatz pro Kauf, Artikelpositionen pro Kauf, Umsatz pro Kauf, Durchschnittspreis pro Stück, Umsatz pro Position usw. Ggf. sollten auch diese Merkmale logarithmiert werden.
Damit die Segmentierung funktioniert, müssen alle zu analysierenden Fälle für alle Merkmale gültige Werte besitzen. Noch vorhandene fehlende Werte müssen also durch geeignete Werte ersetzt werden. Hierfür bieten sich verschiedene Methoden an, etwa die Ersetzung durch den Mittelwert, durch den Minimal- oder Maximalwert oder durch den Wert „0“. Für jedes Merkmal ist zu überlegen, welche Ersetzungsmethode am besten geeignet ist. Ein Beispiel: Gehen Umsätze der letzten vier Jahre in die Segmentierung ein, so sollte die Recency eines Kunden, der in diesem Zeitraum gar nicht gekauft hat, auf den maximal möglichen Wert (4*365=1.460) gesetzt werden – und nicht auf den Durchschnitt aller Kunden oder gar den Wert „0“.
Es hat sich zudem bewährt, die große Zahl der vorhandenen Merkmale zunächst durch eine Faktorenanalyse zu verdichten. So wird deutlich, welche unabhängigen Kerndimensionen den Daten zugrunde liegen, die dann auch die Erklärungsbasis für die Segmente liefern. Nebensächliche Aspekte in einzelnen Merkmalen, die mit anderen nicht korreliert sind, bleiben so für die Segmentbildung außer Acht.
3. Kundenauswahl – wie sollte man nach homogenen Segmenten suchen?
Bildet man die Segmente anhand unzähliger Einmalkäufer oder inaktiver Kunden, die schon lange nicht mehr gekauft haben? Besser beschränkt man sich hier auf aktuelle Kunden, bei denen sich aus ihrem Kaufverhalten eine stabile Tendenz extrahieren lässt.
Ebenso aussortiert werden sollten Nur-Interessenten, besondere Kunden, etwa Geschäftskunden, Wiederverkäufer, Auslandskunden, etc. Zusätzlich kann man fordern, dass ein Mindestmaß an Kaufvorgängen vorhanden sein sollte, damit sich aus dem kundenspezifischen Kaufverhalten eine gewisse Tendenz ableiten lässt. (Irgendein Produkt muss ein Kunde ja als erstes kaufen, aber zeigt das dann schon zuverlässig seine Produktinteressen?).
Da zudem davon auszugehen ist, dass sich die Segmente mit der Zeit verändern, sollte man die Segmentierung auch nicht von zu vielen länger inaktiven Altkunden abhängig machen. Man kann daher die Segmentierungsbasis auf Kunden einschränken, deren Recency unterhalb eines bestimmten Maximalwertes liegt. Man wählt also z.B. alle Kunden mit einem Kauf in den letzten vier Jahren aus. Bei der Festlegung dieser Recency-Grenze sollte auch auf die typischen Kaufabstände geachtet werden.
Abbildung 1: Darstellung von vier Segmenten (die in insgesamt 10 Subsegmente zerfallen) in der zweidimensionalen Ebene. Die Achsen definieren hier die Qualitätsorientierung der Kunden sowie das Gegensatzpaar traditionell-modern.
Die verbleibenden Daten werden genutzt, um trennscharfe Kundentypen zu charakterisieren. Methodisch verwendet man eine Segmentanalyse, um ähnliche Kunden in Segmente zusammenzufassen. Die Anzahl der
Segmente ist von vornherein nicht vorgegeben, sondern muss anhand der Analyseergebnisse festgelegt werden. Je weniger Segmente gebildet werden, desto inhomogener sind diese Segmente. Zu viele Segmente erhöhen andererseits den Aufwand, der mit der segmentspezifischen Kundenansprache verbunden ist.
Der Analyst muss also einen guten Kompromiss zwischen der Segmentanzahl und der Homogenität der Segmente finden. Dabei sollten immer auch inhaltliche Gesichtspunkte herangezogen werden: Lassen sich die aus den Segmenten entstehenden Kundentypen anschaulich beschreiben, eignen sie sich zur Ableitung von Kommunikationsstrategien und passen sie zu bisherigen Erfahrungswerten aus dem Umgang mit den Kunden?
Interpretation – was zeichnet die gebildeten Segmente aus?
Wichtig ist, „die Daten sprechen zu lassen“, statt die Segmente an vorgefasste Erwartungen anzupassen. Allerdings nützt die nach formalen Kriterien „beste“ Segmentierung nichts, wenn sich keine klare inhaltliche Interpretation der Segmente ergibt. Denn andernfalls lassen sich keine spezifischen Kommunikationsstrategien für die neuen Segmente ableiten.
Für die inhaltliche Interpretation ist es wichtig sich anzuschauen, wie sich die Segmente hinsichtlich der genutzten Merkmale unterscheiden. Jedes Segment erhält so ein inhaltliches Profil, das dieses Segment von den übrigen Segmenten abgrenzt. Oft lassen sich die wichtigsten Eigenschaften der Segmente in einer zweidimensionalen Grafik darstellen (vgl. Abb. 1). Auf diese Weise erhält man ein Verständnis dafür, wie die gebildeten Kundensegmente „ticken“. Zugleich kann man durch die Größe der Kreise, welche die Segmente darstellen, die Bedeutung der Segmente wiedergeben – beispielsweise nach der Kundenanzahl oder ihrem Umsatzbeitrag.
Durch die inhaltliche Interpretation der Merkmalsprofile entsteht für jedes Segment ein möglichst plastisches Bild des jeweiligen Kundentyps. Diese Typologie kann im Idealfall in Form einer „Persona“ umgesetzt werden (vgl. Abb. 2):
- Demografische Merkmale (Alter, Geschlecht, Haushaltssituation und Wohnumfeld);
- Gekaufte Produkte (Produktgruppen, Preis- und Qualitätsniveau, Spezialisierungsgrad);
- Kaufverhalten (Kauforte, Frequenz, Kaufmengen usw.) sowie Zahlungsverhalten;
- Kommunikationsverhalten (Outbound-Kanäle, vorliegende Opt-Ins, Inbound-Kontakte);
- Kundenbindung (Dauer der Kundenbeziehung, Wiederkaufverhalten, Reaktion auf Anstöße).
Fotos typischer Vertreter der Kundentypen runden das „Bild“ ab.
Für die einzelnen Kundentypen sollte eine jeweils spezifische Kommunikation etabliert werden: Werbemedien konzentrieren sich auf diejenigen Produkte, die das jeweilige Segment bevorzugt. Auch die eingesetzten Kommunikationskanäle sowie die angebotenen Kauf- und Bestellwege berücksichtigen die Präferenzen der Kundensegmente.
Abbildung 2: Plastische Beschreibung der Kundensegmente in Form von „Personas“.
5. Umsetzung – wie sollte man die Ergebnisse nachhaltig nutzen?
Wenn eine nachhaltige Fokussierung auf die Segmente nicht gewährleistet ist, läuft jede Segmentierung ins Leere. Idealerweise wird ein Test aufgesetzt, der den Nutzen der Segmente dokumentiert und so bei allen Beteiligten Vertrauen in deren dauerhaften Einsatz schafft. Dabei ist nicht jedes Segment gleich wichtig: Die Segmentierung gibt auch Auskunft darüber, auf welche Segmente sich die Vertriebsaktivitäten konzentrieren sollten.
Anders als etwa bei einem Scoring lassen sich Segmentierungs-Ergebnisse nicht sofort anwenden. Die Ergebnisse haben eher einen strategischen Nutzen, der sich durch die Entwicklung segmentspezifischer Kommunikationsstrategien entfaltet. An die „nüchterne“ Datenanalyse schließt sich daher eine „kreative“ Arbeitsphase an, in der Kommunikations-Prototypen für einen Test erstellt werden.
Im Rahmen eines ersten Tests sollten die entwickelten Prototypen gegen die bisherige undifferenzierte Kommunikation getestet werden. Auf diese Weise lässt sich der Nutzen der Segmente beziffern, was Vertrauen in deren dauerhaften Einsatz schafft. Sollte sich in einem ersten Test noch kein klarer Nutzen der Segmentierung ergeben, muss das nicht an den Segmenten liegen: Möglicherweise waren die segmentspezifischen Kommunikations-Prototypen noch nicht gut genug.
Unter Umständen ist die simultane Ausarbeitung von Kommunikationsstrategien für alle Segmente zu viel auf einmal. Dann sollte man sich zunächst auf die wichtigsten Segmente konzentrieren. Denn nicht jedes Segment gleich ist wichtig: Die Segmentierung gibt auch Auskunft darüber, auf welche Segmente sich umsatzstarke Kunden konzentrieren, sodass man bei diesen mit den Vertriebsaktivitäten beginnen sollte.