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UX – Alles nur eine Frage der Einstellung

Dass eine positive User Experience ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg ist, ist bekannt. Es gibt jedoch zwei große Hindernisse.
Till Winkler | 14.09.2020
UX – Alles nur eine Frage der Einstellung © Freepik / jcomp
 

Ob Designer, Researcher, Concepter, Stakeholder oder einfach nur Experte - wer im Bereich User Experience tätig ist, der sollte neben Skills und Ressourcen meist noch etwas mitbringen: Ein nutzerzentriertes Mindset! Es ist Fluch und Segen zugleich, unterscheidet jedoch Vision von Umsetzung und langfristige Strategie von kurzfristigem Pitch. Wer dieses Mindset mitbringt, nutzt Tools und Produkte als Hebel. Wer es nicht hat, versteht Tools als vorgegebene Prozesse oder Administration.

In einer idealen Welt hat der UX Professional nur zum Ziel, dem Nutzer ein angenehmes Erlebnis zu ermöglichen. Nichts anderes. Das ist das höchste Ziel des Vorhabens und daraus leiten sich alle weiteren Ziele und Maßnahmen ab. Noch habe ich nichts Verrücktes postuliert. Denn, dass eine positive User Experience ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg ist, ist heute ausreichend bekannt. Hoffentlich.

Es gibt jedoch zwei große Hindernisse, die sich diesem Ziel immer wieder in den Weg stellen. Es ist im Alltag zu beobachten und diese Hürden möchte ich gerne adressieren. Denn Erkenntnis ist erfahrungsgemäß der erste Schritt zur Besserung.

1. Anreize für User schaffen

In einer extremen Betrachtungsweise sind wir alle in einem Konstrukt aufgewachsen, das Unternehmensaktivitäten über Profitabilität und Wachstum definiert. Ob man sich dann im Marketing auf Leads, Conversion Rate oder Churn fokussiert – diese Kennzahlen sind ja nur Mittel zum Zweck. Irgendwie ist diese Betrachtung ja auch richtig, denn irgendwoher muss das Geld kommen, mit dem letztlich das eigene Gehalt gezahlt wird. Aber hier kann es zu Zielkonflikten kommen. So wird beispielsweise meist noch ausschließlich auf eben diese Zahlen provisioniert – nicht aber auf eine gute User Experience, zufriedene Nutzer oder wiederkehrende Kunden. Es gibt beispielsweise Unternehmen, die den Bonus auf die Anzahl der veröffentlichten Features bzw. Produkte ausloben. D.h. je mehr, desto besser für das Individuum. Und dann steht der Entscheider vor der Wahl: Mehr Produkte veröffentlich, damit die Provision steigt oder ausgewählte Produkte verbessern, die User Experience steigern, aber das Ziel verfehlen.

Es bedarf keiner langen Herleitung an dieser Stelle. Wir müssen die Ziele anpassen, ändern oder ergänzen. Zum einen sollten die Ziele nicht konträr formuliert werden, zum anderen sollten sie dem eigentlichen Arbeitsauftrag zumindest die Chance geben, ausgeführt zu werden. Denn es ist schwer, das richtige Mindset zu entwickeln bzw. auszuleben, wenn die Möhre vor der Nase einen in die andere Richtung zieht.

Als Unternehmen kann man darauf achten, die richtigen Anreize zu geben. Man muss da schon ehrlich mit sich selber sein. Wer UX in das Leitbild aufnimmt, weil es gerade in ist, der lügt sich in die Tasche. Das hat noch keinem Ruhm und Ehre gebracht. Wer es jedoch ernst nimmt, sollte die Zielvorgaben zumindest schärfen! Als Mitarbeiterin muss man versuchen, bestehende Zielkonflikte aufzudecken und zu ändern. Und damit kein falscher Eindruck entsteht: Am Ende des Tages sind Umsatz und Profitabilität wichtig! Irgendwie muss alles bezahlt werden. Aber der Weg dahin ist wichtig.

2. Kritik annehmen können - Ego is not your amigo

Die zweite Hürde auf dem Weg zu einem starken und zielgerichteten Mindset ist tief in der eigenen Psyche verankert und nicht leicht zu ändern. Aber auch hier hilft es, sich den eigenen Limitationen bewusst zu werden.

„Feedback ist wichtig. Am besten konstruktiv, damit ich lernen kann“ – Der Satz ist nicht falsch, geht aber an der Natur des Menschen vorbei. Es gibt nur wenige (wirklich wenige), die Kritik an der eigenen Arbeit sofort konstruktiv auffassen und nicht in einen defensiven Modus verfallen. Es ist menschlich, die eigene Arbeit zu verteidigen. Es wäre auch komisch, wenn dem nicht so wäre. Man hat eigene Ideen, Emotionen, Wünsche und Hoffnungen in die Ausgestaltung eines Produktes oder Services gesteckt, hat sich Gedanken gemacht und hat auch für alles legitime Gründe gesammelt. Und dann kommt einer und sagt, dass das nicht gut ist. Der hat das einfach nicht verstanden. Ist doch klar.

Und genau an der Stelle ist das UX Mindset gefragt. Dieser mentale Zustand sollte sich dann vor dem eignen Ego aufbauen und ruhig und überlegt sagen: „Ich bin froh, dass der Nutzer mir die richtige Richtung aufzeigt. Sonst hätte ich noch weiter in eine falsche Richtung weitergearbeitet. Ich bin sehr froh darum. Danke.“

Das geht natürlich nicht immer. Emotionen sind im Spiel. Und das eigene Ego irgendwie auch. Deswegen hilft es, sich diesem Bias frühzeitig bewusst zu werden. Jeder aus dem Team sollte es sich zur Null-Hypothese machen, den Nutzer als Co-Entwicklung zu betrachten und in jede große Entscheidung einzubinden. Externe Agenturen können helfen, die Ergebnisse objektiv zu aggregieren und ausschließlich aus Nutzerbrille zu berichten.

Und letztlich hilft es einfach zu wissen, dass man sich nicht selber in die Tasche lügen darf. Die Erfahrung eines Nutzers fokussiert einen Anreiz zur Handlung und gewisse Emotionen. Diese beiden Faktoren gibt es auch im Entwicklungsteam. Man muss sich dem einfach nur bewusstwerden und so aussteuern, dass der Nutzer an erster Stelle steht. Umsatz kommt dann schon. Versprochen. 1208 Prozent!