Wird Shopify zur Amazon-Alternative?
Als Tobias Lütke 2004 einen Snowboard-Shop gründete, hatte er vermutlich nicht den Plan, daraus einen Rivalen für Tech-Riesen Amazon zu entwickeln. Aber mit einem Marktwert von vielen Milliarden Euro und mehr als einer Million Shops auf der Plattform hat Shopify sich für diese Rolle mittlerweile, zumindest aus Sicht von Journalisten und Analysten gut in Stellung gebracht. Stellt sich also die Frage, ob auch Marken auf die Software des gebürtigen Koblenzers setzen sollten und ob das eine echte Alternative zur Präsenz auf Amazon & Co darstellt.
Vom Snowboard zu Kylie Jenner
Shopify war zu Beginn ein Shopsystem für Anbieter wie Tobias Lütke selbst. Er verkaufte einige wenige Snowboard-Modelle über das Internet. Lütke hatte seinerzeit kein performantes System für seine Zwece gefunden – also baute er selbst eines. Nach kurzer Zeit stellte er fest, dass dieses Produkt deutlich mehr Potenzial hatte als die Snowboards, die er darüber verkaufte. Es kamen immer mehr „kleine“ Anbieter auf seine Plattform und irgendwann auch größere wie Influencerin Kylie Jenner, die ihre Produkte über einen Shopify-Shop verkaufte. Sie verzichten auf einen selbstprogrammierten Shop oder Präsenzen auf Amazon & Co und setze stattdessen auf Shopify. Heute ist diese Vorgehensweise unter Influencern, vor allem in den USA, Standard.
Einrichtung ist ähnlich einfach wie bei Amazon
Mit der immer größeren Zahl reichweitenstarker Shops stellt sich auch für Markenverantwortliche und Hersteller die Frage, ob Shopify ein potenzieller Kanal für die eigene Brand sein könnte – und ob man nicht besser daran tut, dort präsent zu sein als auf anderen Plattformen wie AboutYou oder Amazon. Die Einrichtung eines Shopify Shops ist dabei relativ einfach. Das Interface, für Laien konzipiert, ist einfach zu bedienen und bietet über einen eigenen App-Store immer mehr Möglichkeiten zur Anpassung an. Eine Warenwirtschaft, Zahlmöglichkeiten usw. sind zügig eingerichtet.
Zur Alternative wird Shopify damit vor allem für klassische Shopsysteme wie Magento oder Shopware. Denn sie verursachen eine Menge Entwicklungsaufwand, den hauseigene IT-Abteilungen von Herstellern gerne unterschätzen. Im Ergebnis sind Hersteller-Shops auf Basis solcher Software vielfach zu langsam. Auch bieten sie schwer-bedienbare User-Interfaces, weil die Navigation aus dem ERP-System gespiegelt wurde und die Daten 1:1 aus bislang internen Produkt-Informationssystem eingespeist werden. Darüber hinaus rechnen die Teams häufig nicht mit der permanent notwendigen Integration neuer Themen: Jede Entwicklerkonferenz Google I/O oder Apple WWDC, jedes neue Smartphone und jede Version eines Browsers bedeutet Anpassungsaufwand für den eigenen Shop. Von Änderungen im Google-Suchalgorhithmus, gesetzlichen Regelungen bezüglich Cookie-Tracking oder der Datenschutzgrundverordnung ganz zu schweigen. Diese permanenten Entwicklerressourcen für Dinge, die „Basics“ sein sollten, kann man sich durch die Nutzung von Shopify sparen. Die eigenen Ressourcen können dafür eingesetzt werden, besondere Produkte oder speziellen Services anzubieten – sprich: die eigenen Stärken zu stärken.
Amazon ist vor allem ein Reichweitenbooster
Was Shopify allerdings bislang kaum schafft, ist, eigene Reichweite zu generieren. Mehr als 50% aller Produktsuchen beginnt heute auf Amazon. In den Ergebnissen dieser Suchen bin ich weder mit einem selbst-gehosteten, noch mit einem Shopify Shop präsent. Auf die Offlinewelt übertragen könnte man sagen: Ein Amazon-Shop ist ein gemieteter Laden in einer stark frequentierten Mall oder Einkaufsstraße, ein Shopify-Shop ein gemieteter Laden im Einzugsbereich der öffentlichen Verkehrsmittel und der eigene Shop die Halle auf der grünen Wiese. Influencer wie Kylie Jenner stört das nicht weiter – sie erreichen ihre Reichweite über ihre Social Media Kanäle. Aber schon Marken mit einem zweifellos funktionierenden Handelsgeschäft wie Apple haben eigene Shops bei Amazon, um den eigenen Kunden auf der wichtigsten Shoppingplattform eine entsprechende Customer Experience zu bieten und sie vor gefälschten Produkten zu schützen. Shopify möchte ebenfalls selbst für Reichweite sorgen und hat deshalb die App „Shops“ vorgestellt, mit der eine Art Shopping-Ökosystem aus unabhängigen Händlern entstehen soll. Ob diese allerdings langfristig Erfolgsfaktor für Shopify wird, hat Chef Tobias Lütke im Interview mit OMR selbst sehr offen gehalten. Spannender scheint mir die Kombination von Shopify und dem Reichweitengenerator Facebook Shops – sowie eben eine Anbindung an einen Amazon Shop, die Shopify ebenfalls erlaubt. Die Reichweitenbringer Facebook (inkl. Instagram) und Amazon sowie der bequeme Shop bei Shopify ergänzen sich perfekt.
Zudem bietet Amazon jede Menge ergänzende Services an – allen voran Fulfilment by Amazon (FBA), also die ganze Logistik. Selbst Branchengrößen wie KW Commerce sparen sich den Aufwand einer eigenen Logistik und nutzen stattdessen FBA, wie Gründer Jens Wasel im Kassenzone-Podcast kürzlich verriet. Desweiteren spannend am Amazon ist die Möglichkeit des Exports – hier punktet Amazon mit der Logistik als auch mit dem einfachen Handling unterschiedlicher Umsatzsteuersätze sowie weiterer Vorschriften.
Was Amazon dabei nur begrenzt ermöglicht, ist die Nutzung von Kundendaten. Setze ich also ausschließlich auf Amazon, kann es sein, dass ich am Ende sehr erfolgreich europaweit verkaufe – und dennoch kaum Wissen darüber habe, wer die Kunden sind. Das ist über den eigenen Shop, also auch über Shopify anders.
Fazit: Alternative zum eigenen Shop
Alles in allem zeigt diese Gegenüberstellung, dass Shopify und Amazon aus Sicht von Marken eher eine Ergänzung zueinander sind. Wer hingegen durch beide Plattformen zunehmend in Rechtfertigungsdruck geraten wird, ist der eigene Shop.