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Mit Wörtern Nähe schaffen

Was Mitarbeitende benötigen, um kundennäher und markenkonformer kommunizieren zu können und wie sich Unternehmen erfolgreich differenzieren.
Hans-Peter Förster | 19.10.2020
Mit Wörtern Nähe schaffen © Pixabay / Gerd Altmann
 

Besonders unter dem Fokus der verordneten Distanz bietet sich die Chance, Mitteilungen per E-Mail, Brief, WhatsApp oder über andere Kommunikationskanäle gezielter als Stellvertreter des persönlichen Gesprächs zu nutzen. Wörter mit Emotionsgehalt können Distanzen überbrücken, Nähe schaffen und wie freundschaftliche Umarmungen wirken oder aus dem Homeoffice das Gefühl eines kollegialen Schulterklopfens auslösen.

Unternehmenserfolg ist – in guten wie in schlechten Zeiten – immer das Ergebnis konsequenter Investition in Einzigartigkeit (Knut Bleicher in „Das Konzept Intergiertes Management“). Das heißt: Erfolgreiche Unternehmen differenzieren sich mit Worten.

Mit einer „einheitlichen Sprache“ – auf die sich manche Agenturen, Berater und Texter in Zusammenhang mit Unternehmenssprache oberflächlich beschränken – hat das wenig zu tun. Denn: Welcher Mitarbeiter will sich in ein Sprachkorsett zwingen? Und welches Unternehmen will seine Authentizität verlieren? Was Mitarbeitende benötigen, sind Leitplanken und Hilfsmittel, mit denen sie verständlicher, kundennäher und markenkonformer kommunizieren können.

 

Die Zukunft des Unternehmens in Worte fassen

Ohne Sprache läuft so gut wie nichts! Häufig an mich gestellte Fragen seitens der Entscheider:
Schreiben kann doch jeder… wozu in ein Corporate Wording investieren?

Gegenfrage: Warum wohl nennt sich einer der vier größten Weltkonzerne Alphabet? Gründer Larry Page bringt es auf www.abc.xyz auf den Punkt: Weil dieses Wort eine Sammlung von Buchstaben bedeutet, welche die Sprache darstellt – eine der wichtigsten Innovationen der Menschheit. „We also like that it means alpha-bet (Alpha is investment return above benchmark), which we strive for!“ Und warum wohl hat die Börse gezittert, wenn Alan Greenspan einst als Vorsitzender der US-Notenbank mit Worten die Finanzmärkte bewegte? „Nur einer Führungskraft, der es gelingt, in Worten die Zukunft des Unternehmens zu verdeutlichen, wird Akzeptanz erlangen.“, attestiert Christian Abegglen im Standardwerk Unternehmen neu erfinden, das aktuell unter dem Label Frankfurter Allgemeine Buch in der 2. Auflage erschienen ist.

 

Schreiben kann jeder – aber nicht immer verständlich

Covid-19, Reproduktionszahl und Lockdown sind Wörter, welche seit Monaten unseren Alltag begleiten und jüngst in die 27. Auflage der Duden-Ausgabe aufgenommen wurden. Wie es um die Sprachqualität in Zusammenhang mit Corona steht, hat das Institut für Verständlichkeit aus Ulm untersucht: Über 1,2 Millionen Wörter aus Veröffentlichungen unterschiedlichster Quellen standen auf dem Prüfstand per TextLab-Software. Der von der Universität Hohenheim entwickelte Index bildet die Verständlichkeit von Texten auf einer Skala ab:

- 0 (schwer verständlich) bis

- 20 (sehr leicht verständlich) ab.

 

Das erschütternde Ergebnis: Durchschnittlich erreichen die untersuchten Texte von Behörden, Medien und Unternehmungen einen Wert von lediglich 8,8 Punkten.
Mehr zur Studie:
https://www.comlab-ulm.de/project/studie-wie-verstaendlich-wird-ueber-corona-berichtet/

 

Markenstarke und kundennahe Kommunikation erfordert Kompetenzen, die man in der Schule so nicht lernt:

Themenkompetenz - Wissen, worauf es beim richtigen Wording ankommt

Methodenkompetenz - Tools kennen und anwenden, Neues ausprobieren und methodisch-kreativ weiterentwickeln

Vermittlungskompetenz - Empathie stärken und aktiv im Mitarbeiter- und
Kundendialog gebrauchen

Umsetzungskompetenz - Das Ruder übernehmen und konsequent CW anwenden

 

E-Mails sind Stellvertreter des persönlichen Gesprächs

Erfolgreich sind die Unternehmen, die ihre Kernkompetenzen und Alleinstellungsmerkmale unter den neuen Bedingungen ausfindig machen, aktuell bewerten und profilieren.

Jede Unternehmung ist ein System des menschlichen Miteinanders, geprägt von Gewohnheiten. Eingeschliffene Gewohnheiten lassen uns immer wieder in alte Verhaltensweisen zurückfallen. So übernimmt man Phrasen, wie „beiliegend sende ich Ihnen wunschgemäß“, „wir stellen uns der Verantwortung“, „der Kunde steht im Mittelpunkt“ und vergisst, dass diese weder sinnstiftend noch wertschöpfend sind. Gegen Gewohnheiten gibt es probate Gegenmittel, Werkzeuge, die sprachliche Stärken und Schwächen ermitteln und Instrumente, die Inhalte optimieren, damit das Unternehmen eindeutig und anschaulich nach innen und außen darstellt,

- worum es geht,

- was es erreichen will,

- was es bietet und

- für wen es welchen Nutzen generiert.

 

Besonders unter dem Fokus der verordneten Distanz muss das Bewusstsein geschärft werden, dass Nachrichten per Twitter und über andere soziale Kanäle, Mitteilungen per E-Mails oder Briefen stets Stellvertreter des persönlichen Gesprächs sind.

 

Die sprechen meine Sprache

Wörter mit Emotionsgehalt können trotz einzuhaltender Distanz wie freundschaftliche Umarmungen oder kollegiales Schulterklopfen wirken und die Isolierung überbrücken. Hilfsmittel stehen bereit, man muss sie nur anwenden. Wer sich stattdessen den Papierwörtern und floskelhaften Satzbildungen bedient, setzt seiner Tastatur oder seinem Schreibstift eine Art Maske auf, welche die „Mimik und Gestik zwischen den Zeilen“ abdeckt. 

Vertrauen ist die Basis für erfolgreiche Dialoge auf Distanz. Vertrauen schafft, wer seinen Kunden zuhört bzw. dessen Zeilen liest und dann mit Empathie passende Worte wählt, Inhalte spiegelt, sodass ein Adressat spürt, dass man seine Bedürfnisse erkannt hat. Rationalisten sind in der Regel mit kurzen, knappen Sätzen, klaren Daten und Fakten zufrieden, während der Emotionale in manchen Fällen besser bedient ist, wenn man ihm mit gefühlsbetonten Worten die Seele streichelt. 

Auch in Zukunft gilt: Verständlichkeit schafft Aufmerksamkeit und typgerechte Wortwahl Relevanz. Beides sind Voraussetzungen, dass Stakeholder mit unterschiedlichsten Erwartungen, Bedürfnissen, Ängsten und individuellen Zielen die Botschaften des Absenders verstehen und subjektiv empfinden „Die sprechen meine Sprache“.

 

Folgende dringend zu erledigende Führungsaufgaben müssen unter dem Titel „Post-Corona-Unternehmen“ stehen:

- Markenwerte und Leitbild prüfen

- Evolutionär mit der Außenwelt abgleichen oder

- Ziele revolutionär neu buchstabieren.

 

Gleich in welcher Branche Sie arbeiten, für jedes Unternehmen ist es eine spannende Herausforderung und faszinierende Chance zugleich, gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Worten Werte zu generieren. Das heißt, Markenwerte im doppelten Sinn schaffen:

- Einerseits den monetären Wert einer Marke (auch Brand Value oder Equity), also die harten Faktoren durch Antrieb und Vorgabe der Stoßrichtung erhöhen und

- andererseits die begründende Beschreibung der (optimierten oder neuen) Markenattribute kommunizieren, strategisch ausrichten und das daraus abzuleitende Verhalten im operativen Geschäft umsetzen.

 

Mit Schlüsselworten die Unternehmensentwicklung und den unternehmerischen Erfolg zu beeinflussen, dazu ermuntere ich Sie, damit am Ende der Wort- und Wertschöpfungskette im Idealfall das positive Alpha (Überrendite) steht. Was zum negativen Alpha (Unterrendite) langfristig führen wird: Die irrige Ansicht, ein Konzept für Unternehmenssprache sei ein „nice to have“.