Der Datenschatz und sein Fluch
Kommentar zu den Online-Marketing-Trends 2021
Nutzerprofile sind Gold wert, heißt es immer wieder im Online-Marketing. Nur so lassen sich Kunden verstehen und Marketingbotschaften gezielt ausspielen. Kein Wunder, dass Marketer alles tun, um diesen Datenschatz zu heben. Dass sie sich mit US-Anbietern und Dritt-Plattformen dabei in unsichere Gewässer begeben, wird 2021 vermehrt für Herausforderungen sorgen. Zugleich bekommt das Online-Marketing die Chance für einen Kurswechsel, der MarTec-Giganten aus den USA und etablierte Ansätze wie das Retargeting hinter sich lässt. Einen sicheren Hafen finden Marketer dagegen in der Umsetzung von Datenschutzvorgaben, der Gewinnung digitaler Souveränität und smarten, rechtskonformen Tools. Denn sie werden es ermöglichen, Kunden besser zu verstehen und die passenden Marketing-Maßnahmen vorherzusehen. Das sind die Trends, mit denen sich Marketer 2021 auseinandersetzen müssen:
1. Datenschutz ist unumgängliches To-do.
Auch 2021 lässt sich kein Haken hinter das Thema Datenschutz setzen, es bleibt eine ständige Aufgabe. Datenschützer und Aufsichtsbehörden werden verstärkt durchgreifen und das Online-Marketing nachhaltig verändern. Für europäische MarTec-Dienstleister ist das die Chance, ihre Marktposition zu stärken und neue Märkte zu erschließen. Zudem stehen weitere Gesetzesneuerung in den Startlöchern: So wartet auf EU-Ebene noch immer die ePrivacy-Verordnung auf ihre große Stunde, während Deutschland dieser mit dem Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) vorgreifen will. Welches Gesetz auch immer zuerst die erforderlichen Gremien passiert, es wird den Weg für europäische Anbieter ebnen.
2. Datenhoheit und digitale Souveränität als Erfolgsfaktoren.
Nachdem das Privacy-Shield-Abkommen gekippt wurde, ist es praktisch unmöglich geworden, US-Tools zu nutzen. Es sei denn, man sorgt selbst für die Verschlüsselung der Daten. Unabhängig vom Datentransfer in die USA besteht ein großer Nachteil darin, Tools wie Google Analytics einzusetzen: Denn es bedeutet, dass allein der Marktgigant die erhobenen Profildaten besitzt. Will das Unternehmen diese Daten für Online-Marketing-Kampagnen nutzen, muss es für den Kontakt immer wieder aufs Neue zahlen. Dabei gibt es Web-Analyse-Tools, die auf der Website eines Unternehmens Daten erfassen, welche diesem dann selbst gehören. Hier liegen 2021 immense Einsparpotenziale. Außerdem machen Anwender sich nicht nur bei der Web-Analyse, sondern auch bei den Werbeformen unabhängiger von Anbietern wie Google, Facebook & Co. Gleichzeitig drohen diesen Anbietern durch den Digital Service Act, an dem die EU-Kommission aktuell arbeitet, verschärfte wettbewerbsrechtliche Auflagen, sodass sich der Markt für EU-Unternehmen öffnen wird.
3. Retargeting & CDPs vom Aussterben bedroht.
Google Analytics wird über kurz oder lang zum Erliegen kommen. Das gilt ebenso für Profilbildung und Datenanreicherung über verschiedene Kanäle und Websites hinweg. Auch Customer Data Platforms (CDPs) stehen als Third-Party-Modelle dem Grundsatz von Datensparsamkeit und Zweckbindung entgegen und werden der Einwilligungspflicht zum Opfer fallen. (Re-)Targeting wird praktisch sterben, denn um Nutzer zu markieren und wiedererkennbar zu machen, führt kein Weg mehr an der Einwilligung vorbei. Weil Aufsichtsbehörden zudem dafür sorgen, dass dies rechtskonform – etwa ohne Nudging – erfolgt, werden Nutzer dieser Form der Datengewinnung und -verarbeitung kaum noch zustimmen. Stattdessen wird die Nachfrage nach kontextueller Werbung und Owned Media-Lösungen als datenschutzkonforme Alternativen steigen.
4. Einfache Lösungen gewinnen.
Die Zeit der All-in-one-Lösungen ist vorüber. Wurden Marketing Suites einst vielfach als die eierlegende Wollmilchsau implementiert, weil sie eine einfache Lösung für alles zu sein schienen, scheitern viele Unternehmen jetzt an deren Komplexität und vermissen Innovationen. In Zukunft wird „Spezialisiert“ zum neuen „Einfach“, und die Nachfrage nach eher kleinen, überschaubaren Tools, die smart und innovativ spezifische Marketing-Szenarien lösen, wird steigen. Diese Tools werden nicht nur spezifisch-umfassende Funktionalitäten und natürlich Rechtskonformität – quasi out of the box – mitbringen. Sie werden sich vor allem durch technologische Offenheit auszeichnen, sodass sie sich schnell und einfach in die bestehende IT-Landschaft integrieren lassen. Dies sorgt für überschaubarere Kosten, und Unternehmen sparen sogar im Vergleich zu den Suiten, deren Features sie gar nicht alle nutzen können. Zudem bleiben sie dadurch für die immer neuen Anforderungen im Online-Marketing flexibel.
5. Advanced Analytics mit Rohdaten auf dem Vormarsch.
Kundenverhalten tiefer zu verstehen und daraufhin Marketing- und Produktstrategien anzupassen, wird für Unternehmen zunehmend relevant. Im Advanced Analytics wird sich dabei zukünftig der Einsatz von Owned Data als nicht aggregierte Rohdaten lohnen. So lassen sich beispielsweise Personas, das heißt Nutzergruppen mit ähnlichem Verhalten, ableiten. Denn intelligente Algorithmen können Muster und Zusammenhänge erkennbar machen, die weit über das klassische Monitoring von KPIs hinausgegen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Unternehmen die Hoheit über die gewonnenen Daten behalten, etwa indem das eigene Web-Analytics-Tool diese auswertet.
erfassen lassen.