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Der Megatrend Livestream-Shopping

Wo die Unterschiede zum klassischen E-Commerce liegen und aus welchen Gründen Händler auf dieses Format setzen sollten.
Christian Holsing | 01.02.2021
Der Megatrend Livestream-Shopping © Freepik
 

Livestream-Shopping ist der Megatrend aus Asien und verspricht auch für Unternehmen auf dem deutschen Markt enorme Umsatzpotenziale. Der Hype um Livestream-Shopping hat sich nicht zuletzt durch den Corona-Lockdown zu einem der neuen Vertriebswege im E-Commerce entwickelt. Die Zuwachsraten in Asien sind immens – sowohl auf der Anbieterseite mit mehreren hundert Prozent Zuwachsrate im letzten Jahr als auch auf der Nutzer- bzw. Käuferseite.

Besonders in der jungen Zielgruppe der unter 30-jährigen hat sich in Asien sprunghaft eine riesige Käuferschaft auf das neue Format gestürzt. An den Influencern aus Asien sieht man, wie sich das Geschäftsmodell entwickeln kann. Sobald die technischen Möglichkeiten optimal gegeben sind, werden sich auch in Deutschland Influencer mit hohen Reichweiten auf dieses Shoppingformat stürzen und damit vermutlich ebenso erfolgreich sein können.

Auch wenn Instagram, facebook und Co. noch keine eigenen Lösungen auf dem Markt haben, erwarte ich spätestens für das Weihnachtsgeschäft 2021 die Etablierung des Livestream-Shoppings in Deutschland. Bereits jetzt gibt es schon Möglichkeiten einen eigenen Stream zu starten und dort die eigenen Produkte zu veräußern. Nach den ersten Erfahrungen werden sich die Möglichkeiten und Abläufe des Livestream-Shoppings weiter optimieren, sodass immer mehr Marken und Händler auf diesen Vertriebsweg aufspringen werden. Vorreiter in Deutschland sind die Unternehmen Tchibo und Douglas, die mehrfach in der Woche mit ihren Streams online zahlreiche Produkte direkt an ihre Kunden verkaufen. Aufgrund der Kombination aus Teleshopping und Social Commerce bieten sich Marken und Händlern etliche Potenziale:

- Hohe Reichweiten durch Plattformen und Influencer

- Emotionale Bindung an die Marke bzw. das Unternehmen durch die Interaktionen mit Menschen

- Etablierung neuer Marken bzw. Micro Brands

- Umgehung von Zwischenstufen im Vertrieb (Direct-to-Consumer)

 

Unterschiede

Die Unterschiede gegenüber dem klassischen E-Commerce liegen insbesondere in der Interaktivität und der Person, die die Produkte präsentiert. Die direkte Echtzeit-Interaktionen der User mit der Person in dem Stream stellt den besonderen Charakter des Livestream-Shoppings dar. Es kann kommentiert und diskutiert werden. Zusätzlich greift das Livestream-Shopping die Besonderheit des Influencer-Marketings auf.  Der Influencer genießt in seiner Community ein sehr hohes Vertrauen und bietet Marken eine sehr konkrete Zielgruppe an.

Wie sich diese eher emotional getätigten Impulskäufe auf die Retourenquote auswirken, kann nur vermutet werden (können höher sein wegen Impulskauf oder niedriger wegen starker Bindung an Influencer).

Insgesamt hat ein Livestream-Format gegenüber dem klassischen E-Commerce den Vorteil einer spontanen, beeinflussten Kaufentscheidung aus einem Impuls heraus. Es wird nicht lange darüber nachgedacht, ob man das Produkt braucht oder nicht. Die Kunden werden viel mehr davon mitgerissen, was im Stream passiert.

Ein weiterer Vorteil neben der emotionalen Bindung ist aber auch der rationale Aspekt, denn die Influencer testen die Produkte, vergleichen und bieten in ihren Deals meist auch geringe Preise bzw. Rabattcodes. Diese Kombination ist durch klassische Online-Shops nicht zu leisten. Generell ist Livestream-Shopping aus unserer Sicht in den Bereich Social Commerce einzuordnen. Abzugrenzen ist es vom „Live Shopping“, also zeitlich begrenzte und meist stark reduzierte Angebote, die klassisch in Online-Shops oder Shopping-Clubs erhältlich sind.

 

Diese Vorteile beschreiben im Grunde auch, warum Livestream-Shopping so interessant ist. Zusätzlich beeinflussen weitere Faktoren, wie die alltägliche Nutzung von Smartphones und der Ausbau der Mobilfunknetze, die Verbreitung des Livestream-Shopping. Kombiniert mit Video als beliebtem Medium umfasst das Livestream-Shopping alle relevanten Strömungen, um in der jungen Zielgruppe möglichst viele Konsumenten zu erreichen.

Zwar unterscheiden die genannten Merkmale das Livestream-Shopping vom E-Commerce, dennoch treten für Unternehmen und Anwender ähnliche Fragestellungen auf:

- Welche Zielgruppen sind geeignet?

- Wie muss ich die interne Organisation gestalten?

- Wie hoch ist das Umsatzpotenzial?

- Welche Plattformen und Kanäle eignen sich für meine Produkte?

- Wie gelingt die technische Integration?

- Wie produziere ich passenden Content?

Auch wenn Unternehmen in Deutschland nur auf geringe Erfahrungswerte bezüglich des Livestream-Shoppings zurückgreifen können und der Trend-Charakter dieses Vertriebsweges dazu verleiten kann, schnell zu handeln, ist eine durchdachte Strategie von der ersten Idee bis zum ersten Livestream für den Erfolg des Livestream-Shoppings enorm entscheidend. Elementar wichtig sind ebenso die Basics im E-Commerce, die natürlich auch im Livestream-Shopping gelten. Hierzu zählen ausreichende Planung und Bestandshaltung, Payment, Prozesse, Customer Service, schneller Versand und Retourenabwicklung.