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Best Practice China – Wie China die KI-Revolution ausruft

Viele chinesische Unternehmen nutzen KI um ihre Angebote perfekt auf KundInnen zuzuschneiden und drängen damit auch nach Europa.
Claudia Bünte | 01.02.2022
© freepik / 4045
 

Traditionell blicken vor allem Deutsche gern in die USA, wenn es um wirtschaftlichen Fortschritt geht. Tatsächlich entwickelt sich aber gerade China zur führenden Wirtschaftsnation, nicht zuletzt angetrieben durch künstliche Intelligenz. Das hat drei Gründe (Stefanov, Bünte, & Schubert, 2021, S. 58 ff)

Erstens: Viele Einwohner, viele Daten

China hat mit 1,4 Mrd. EinwohnerIinnen die größte Bevölkerung der Welt. Fast eine Milliarde Menschen sind hier „mobile only“ unterwegs, d.h. sie sind online und das mit ihrem Smartphone. Daraus entsteht eine sehr große Menge unstrukturierter Nutzungsdaten, die neue Erkenntnisse über Bedürfnisse des Alltags für Händler und Hersteller bringen, wenn man sie richtig analysiert.

Zweitens: Ein Datenschutz, der das verknüpfte Analysieren von Daten erlaubt

China hat ein Datenschutzgesetz, das es erlaubt, Daten verknüpft zu analysieren. Kombiniert mit KI entstehen dadurch tiefere Insights zu Kundenwünschen als in anderen Staaten. Zwar verschärft China gerade seit Januar 2021 den Schutz der persönlichen Daten. Dennoch bleiben die Analysemöglichkeiten für chinesische Firmen größer als die anderer Firmen.

Drittens: Ein klarer Fokus der Regierung auf die Entwicklung von KI

Die Einparteienregierung in China hat einen eigenen 5-Jahres-Plan für KI entwickelt. Das erklärte Ziel: China will bis 2030 weltführend bei KI sein. Bestandteil dieser Strategie sind viele, sehr detaillierte Maßnahmen. Und: China gibt zwar in etwa soviel Geld für die Grundlagenforschung von KI pro BürgerIn und Jahr aus wie Deutschland – aber China ist rund 17 mal größer als Deutschland (Colvin, Liu, Babou, & Wong, 2020, S. 27), (Bundesministerium für Wirtschaft, 2018, S. 5).  ExpertInnen attestieren China daher, Europa in der Digitalisierung rund drei bis fünf Jahre voraus zu sein. (Bünte, 2020, 17ff.)

KundInnen besser verstehen durch KI

Unternehmen wie Alibaba, Tencent, WeChat und Co. nutzen diese tiefe Digitalisierung des chinesischen Alltags mit Hilfe von KI intensiv - auch in der Optimierung der Kommunikations- und Marketingmaßnahmen für ihre Hunderte Millionen von KundInnen (Bünte, Die chinesische KI-Revolution. Konsumverhalten, Marketing und Handel: Wie China mit Künstlicher Intelligenz die Wirtschaftwelt verändert, 2020, S. 81 ff). Ihre Waren und Dienstleistungen bieten sie in integrierten, sogenannten Plattform-Ökosystemen an. Mit diesen Plattformen ist es möglich, KundInnen von der Suche bis zur Bezahlung in einem einzigen Ökosystem zu behalten und zu analysieren. Durch die verknüpfte Datenanalyse mittels KI verstehen diese Unternehmen ihre KundInnen besser, planen Werbestrategien individueller, gestalten Kampagnen kreativ besser aus, adressieren sie individuell und messen die Performance im Segment-of-One – also bis hin zur Einzelperson. So entwickelt sich ein sogenanntes „New Marketing“, also ein Marketing in Echtzeit.

Datenanalyse in Echtzeit

KundInnendaten werden in Echtzeit durch KI ausgewertet, sofort mit Hilfe von KI in Kampagnen umgewandelt, auf individueller Basis eingesetzt und der Erfolg jeder einzelnen Kommunikationsmaßnahme unmittelbar von KI gemessen. Das Ergebnis ist zwangsläufig: KundInnen fühlen sich besser verstanden, wertschätzen, dass der Einkauf für sie einfacher wird, kaufen daher mehr in diesem Ökosystem ein, das System erhält mehr Daten, ein Analyse-und-Optimierungskreislauf startet.

Chinesische Unternehmen entdecken Europa als Markt

Wer in China ohne KI in der Werbung arbeitet, verliert, weil seine Angebote nicht so perfekt auf die Wünsche der KundInnen ausgerechnet sind oder nicht so pünktlich ausgespielt werden, wie die immer verwöhnteren KundInnen es mittlerweile erwarten. Chinesische Unternehmen lernen gerade, KundInnen mittels KI richtig gut zu verstehen. Sobald der chinesische Markt gesättigt ist, werden dieselben Firmen weiterwachsen wollen, auch in Europa. Diese Firmen werden sich an den europäischen Datenschutz halten (müssen), ihre Angebote sind aber auf Basis von chinesischen Kundendaten so optimiert, dass sie aller Voraussicht nach besser auch auf die Bedürfnisse der hiesigen KundInnen passen als die Angebote von europäischen Firmen, die nur wenig KI-optimiert sind.

KI macht Unternehmen erfolgreicher

Es lohnt sich also, jetzt mit KI in Europa Erfahrungen zu sammeln, um auch auf eine Konkurrenz aus China vorbereitet zu sein. Alibaba zeigt bereits Ambitionen, in Europa Fuß zu fassen – und bringt das eigene, umfangreiche, ausgeklügelte KI-Ökosystem-Instrumentarium mit. Sollten diese Einschätzungen richtig sein, scheint es keine wirkliche Option, mit den eigenen Versuchen von KI in Marketing und Werbung zu lange zu warten. Das spiegelt sich auch in der Erfahrung der MangerInnen, die KI einsetzen: 78,2 % der Befragten, die KI bereits im Marketing einsetzen, sehen in KI im Marketing einen, 12,8 % DEN entscheidenden Faktor für den Erfolg des Unternehmens. Und diejenigen, die KI im Unternehmen einsetzen, sind nach eigener Aussage signifikant erfolgreicher als die Unternehmen, die KI nicht nutzen (Bünte, Studie: Künstliche Intelligenz - die Zukunft des Marketings, 2021, S. 9 f).

 

Quellen:

Bünte, C. (2020). Die chinesische KI-Revolution. Konsumverhalten, Marketing und Handel: Wie China mit Künstlicher Intelligenz die Wirtschaftwelt verändert. Wiesbaden: Springer Gabler.

Bünte, C. (2021). Studie KI - Die Zukunft des Marketings. unveröffentlicht.

Bundesministerium für Wirtschaft. (2018, November 13). Strategie Künstliche Intelligenz. Retrieved August 20, 2020, from https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Digitalisierung/2018-11-15-Strategie-zur-Kuenstlichen-Intelligenz.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Colvin, T., Liu, I., Babou, T., & Wong, G. (2020, Februar). A Brief Examination of Chinese Government Expenditures on Artificial Intelligence R&D. Retrieved Januar 24, 2021, from https://www.ida.org/-/media/feature/publications/a/ab/a-brief-examination-of-chinese-government-expenditures-on-artificial-intelligence-r-and-d/d-12068.ashx

Stefanov, A., Bünte, C., & Schubert, T.-H. (2021). Digitalisierung Made in China. Wie China mit KI und Co. Wirtschaft, Handel und Marketing transfomiert. Hamburg: BoD.