Angst im Storytelling? Killer-Kreativität statt Kreativität-Killer
Wenn uns die Angst erst einmal richtig im Griff hat, erscheint die Welt wie ein Minenfeld aus allen nur erdenklichen Risiken und ihren katastrophalen Folgen. „Jessas", denken wir entsetzt, „was da alles passieren könnte!“ Die Aufmerksamkeit wendet sich ganz natürlich hin auf die Vermeidung dieser fürchterlichen Ereignisse. Die Tatsache, dass das alles nur Mögliche Ergebnisse von rein hypothetischen Szenarien sind, verschwindet nach und nach von der emotionalen Bildfläche.
Die Klauen der Komfortzone
Das bedeutet nicht nur, dass ein von Angst regiertes Gehirn kein kreatives Gehirn sein kann. Die noch schlechtere Nachricht ist, wie wir den Blick für echte Gefahren verlieren. Das Ringelspiel aus Risiko-Analyse einzelner Handlungen und ständigem Ausschau halten nach neuen Bedrohungen braucht viel Aufmerksamkeit. Wir werden blind für das, wo wir wirklich aufpassen müssen.
Ein Beispiel: Ein angehender Schriftsteller hat den Traum, eine Geschichte zu schreiben. Die Angst flüstert ihm ständig ein, dass seine Ideen nicht gut genug sind, dass niemand seine Geschichte interessieren wird oder dass sie von Kritikern zerrissen werde. Durch diese Ängste wird die Kreativität eingeschränkt. Er zweifelt an jedem Wort, das er aufs Papier bringt, und findet es schwer, seine Geschichte zu entwickeln. Die Angst hat die Kontrolle über seine Gedanken übernommen und lässt ihn in einem Minenfeld aus möglichen Ablehnungen und Versagen wandeln. Die Angst beeinflusst nicht nur den kreativen Prozess, sondern sie lenkt auch die Aufmerksamkeit weg von der Verbesserung der eigenen schriftstellerischen Fähigkeiten. Er vermeidet vielleicht das Feedback von anderen oder hat Angst davor, sich neuen Herausforderungen zu stellen, die ihm helfen könnten, als Autor zu wachsen.
Angst als Hilfsmittel?
Im Bereich des Storytellings wird häufig darüber diskutiert, ob Angst ein hilfreiches Element ist oder ob sie die Kreativität hemmt. Es ist eine interessante Frage, da Angst sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den kreativen Prozess haben kann. In diesem Text möchte ich die Idee vorstellen, dass Angst im Storytelling als "Killer-Kreativität" betrachtet werden kann, während ein positiver Umgang mit der Angst zu "Kreativität-Killer" führt.
Verständnis für Angst
Zunächst einmal ist es wichtig anzuerkennen, dass Angst eine natürliche Reaktion ist. Sie kann ein starkes emotionales Signal sein, das uns auf potenzielle Gefahren hinweist. Im Storytelling kann Angst eine wichtige Rolle spielen, um eine emotionale Verbindung zu den Lesern oder Zuschauern herzustellen. Eine gut erzählte Geschichte kann Angst hervorrufen, Spannung erzeugen und den Leser oder Zuschauer dazu bringen, mit den Charakteren mitzufiebern.
Allerdings kann Angst auch ein Hindernis für die Kreativität sein, wenn sie uns davon abhält, neue Ideen zu entwickeln oder Risiken einzugehen. Die Angst vor Ablehnung oder Misserfolg kann uns davon abhalten, unsere kreativen Grenzen zu erweitern und innovative Geschichten zu erzählen. Wenn wir uns zu sehr auf die potenziellen negativen Auswirkungen konzentrieren, kann dies unsere Kreativität erstickt.
Mit Anlauf der Angst entgegen
Was tun? Das, was Angst macht. Mit Warten wird man seinen Ängsten nicht Herr. Den richtigen Zeitpunkt, wenn alles genau so ist, wie es sein soll, alle Vorbereitungen abgeschlossen, alle Sicherheitsnetze gespannt, werden wir alle nie erleben.
Nicht mehr Sicherheit ist die Antwort. Der einzige Weg, die Angst zu besiegen, ist, es trotzdem zu tun. Immer und immer wieder zu handeln, obwohl man Angst hat. Der sprichwörtliche Sprung ins kalte Nass bleibt niemandem erspart. Es stellt sich jedoch irgendwann so etwas wie Routine ein: Mit der Zeit wirkt der Sprung aber nicht mehr so schwindelerregend hoch, das Nass nicht mehr so bitterkalt. Irgendwann nimmt man vor dem Absprung sogar Anlauf.
Der weise Jedi-Meister Yoda wusste schon: „Do or do not. There is no try.“
Sehe die Angst nicht als Kreativitätskiller, sondern als "Killer-Kreativität". Statt Angst als etwas Negatives zu sehen, können wir sie als Katalysator für unsere Kreativität nutzen. Die Angst kann uns antreiben, intensiver zu denken, uns herauszufordern und außergewöhnliche Geschichten zu erfinden. Wenn wir lernen, unsere Ängste zu akzeptieren und sie als Teil des kreativen Prozesses anzunehmen, können wir über uns hinauswachsen und unsere besten Ideen entwickeln.