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Wie die Theory of Constraints einem CMO wirksam helfen kann

Die ToC kann CMOs helfen, dass die Projekte und Initiativen realisiert werden, die signifikant zur Zielerreichung des Unternehmens beitragen.
Uwe Techt | 18.09.2023
Wie die Theory of Constraints einem CMO wirksam helfen kann © freepik / user16766420
 

Sie kennen das: Es gibt immer sehr viel mehr Möglichkeiten, was getan werden könnte, um die Unternehmensergebnisse zu verbessern, als Ressourcen- und Management-Aufmerksamkeit verfügbar sind, um all diese Möglichkeiten auszuschöpfen.

Daher sind fokussierende Entscheidungen erforderlich. Dabei ist es gar nicht so schwer, zu entscheiden, was getan werden muss. Viel schwieriger ist es, zu entscheiden, was jetzt nicht (mehr) getan werden darf.

Weil es so schwer ist, die fokussierenden Entscheidungen zu treffen, lassen viele Unternehmen zu, dass so viele Initiativen (oder Projekte) gleichzeitig vorangetrieben werden, dass diese sich gegenseitig in die Quere kommen: Sie widersprechen sich inhaltlich; und sie konkurrieren um Management-Aufmerksamkeit und Ressourcen.

Wenn sich Initiativen inhaltlich widersprechen, kommt es entweder zu faulen Kompromissen oder zu einem inhaltlichen Kampf, der auf Top-Management-Ebene entschieden werden muss. Bei inhaltlichen Kompromissen können alle betroffenen Initiativen ihre Ziele (der Beitrag, den sie zu den Unternehmensergebnissen leisten sollen) nicht erreichen. Ein inhaltlicher Kampf, der auf Top-Management-Ebene entschieden werden muss, verbraucht unnötig Management-Aufmerksamkeit. Beides beeinträchtigt die Zielerreichung des Unternehmens als Ganzes.

Wenn Initiativen um Management-Aufmerksamkeit und Ressourcen konkurrieren müssen, um voranzukommen, verlängert sich ihre Durchlaufzeit erheblich. Dadurch tritt die gewünschte geschäftliche Wirkung des Projekts viel später ein als geplant. Das wiederum erweckt den Eindruck, das Unternehmen müsse „mehr“ machen, wodurch noch mehr Initiativen um Management-Aufmerksamkeit und Ressourcen konkurrieren. Ein Teufelskreis, der ebenfalls die Zielerreichung des Unternehmens beeinträchtigt.

Ausgerechnet die Theory of Constraints (ToC), ein Management-Konzept, das ursprünglich für die Optimierung für Produktions-Umgebungen entwickelt und durch den Business-Roman „Das Ziel“ von Eliyahu M. Goldratt bekannt wurde, kann CMOs helfen und dazu beitragen, dass die (und nur die) Projekte und Initiativen realisiert werden, die signifikant zur Zielerreichung des Unternehmens beitragen.

Das Instrument dafür ist der sogenannte „Strategie- und Taktik-Baum“ der Theory of Constraints. Mit diesem Instrument wird es einem Management-Team vergleichsweise leicht gemacht wird, das oberste Unternehmens-Ziel in direkte Verbindung mit konkreten Veränderungsschritten zu bringen.

Die Begriffe „Strategie“ und „Taktik“ sind dabei so zu verstehen, wie im allgemeinen Sprachgebrauch „Ziel“ und „Weg“ genutzt werden. „Ziel“ und „Weg“ (oder „Strategie“ und „Taktik“) gehören dabei unmittelbar zusammen:

  • „Ziel“ (oder „Strategie“) ist die Antwort auf die Frage „Was soll erreicht werden?“ Genauer formuliert: Welcher Zustand soll erreicht sein, nachdem eine Veränderungsaktivität (der „Weg“, die „Taktik“) durchgeführt wurde.
  • „Weg“ (oder „Taktik“) ist die Antwort auf die Frage „Wie soll das Ziel erreicht werden?“ Genauer formuliert: Durch welche konkreten Handlungen soll – ausgehend von einer konkreten Ausgangslage (die bereits erreicht ist oder durch vorgelagerte Taktiken erreicht sein wird) – der definierte Zielzustand realisiert werden?

 

Die ToC spricht von einem „Strategie- und Taktik-Baum“, weil es sich bei den Strategien um globale oder auch sehr spezifische Ziele handeln kann, weshalb auch die Taktiken „abgehoben“ klingen oder auch sehr konkret sein können. Diese globalen Strategien & Taktiken sollen allerdings mit den konkreten Strategien und Taktiken in einer baumartigen Struktur verknüpft sein, damit Mitarbeiter und Führungskräften den Zusammenhang und damit die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen jederzeit nachvollziehen können.

Ein weiteres wertvolles Element des Strategie- und Taktikbaumes besteht in der systematischen Darstellung der jeweils zugrunde liegenden Annahmen, nämlich:

  • Notwendigkeit: Warum/Wofür ist es überhaupt notwendig, etwas zu verändern (in der aktuellen oder zukünftig erreichten „Ausgangssituation“), um die definierte übergeordnete Strategie zu realisieren?
  • Machbarkeit: Warum ist es schwierig – aber möglich – die definierte Strategie (das definierte Ziel) zu erreichen?
  • Vollständigkeit/Warnung: Was stellt die größte Herausforderung in der Umsetzung der Taktik dar? Warum ist es notwendig, die Taktik weiter zu konkretisieren (also eine weitere Ebene im Strategie- und Taktik-Baum zu eröffnen)?

Dieser logische Aufbau jedes einzelnen „Knotens“ wird nun anhand der „obersten“ Ebene illustriert, wobei gleichzeitig die Bedeutung des (strategischen) Marketing heraussticht.

 

Notwendigkeit

Der Wettbewerb konkurriert mit dem Unternehmen um die Interessengruppen. Um die Interessengruppen für sich zu gewinnen, steigert der Wettbewerb den Nutzen/Wert für seine Stakeholder.

Strategie/Ziel

Das Unternehmen floriert nachhaltig, d. h. das Unternehmen steigert kontinuierlich und nachhaltig den Nutzen/Wert für seine Interessengruppen (Mitarbeiter einschließlich Lieferanten, Kunden und Eigentümer), während es gleichzeitig Schäden für die Welt verhütet, die durch das Handeln oder Nicht-Handeln des Unternehmens entstehen.

Machbarkeit

1. Um nachhaltig florieren zu können, muss der Durchsatz (Deckungsbeitrag 1) des Unternehmens (immer wieder) deutlich schneller wachsen als die Betriebskosten.

2. Nur durch einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung kann das Unternehmen den Durchsatz deutlich schneller wachsen lassen als die Betriebskosten. (Definition: Ein entscheidender Wettbewerbsvorsprung entsteht dadurch, dass ein entscheidendes Kundenbedürfnis entscheidend besser befriedigt wird, als jeder entscheidende Wettbewerber kann und will.)

3. Die Realisierung der Strategie ist ernsthaft gefährdet, wenn die Ressourcen des Unternehmens chronisch überlastet oder zu große Risiken eingegangen werden.

Taktik/Weg

1. Das Unternehmen baut einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung auf und

2. entwickelt die Fähigkeit, aus diesem Wettbewerbsvorsprung in ausreichend großen Märkten lukratives Geschäft zu generieren,

3. ohne die Ressourcen des Unternehmens chronisch zu überlasten und ohne existenzielle Risiken einzugehen.

Warnung

Der ultimative Engpass des Unternehmens ist Management-Aufmerksamkeit. Daher

a) muss das System nach effektiven, robusten und langlebigen Prozessen/Prozeduren arbeiten;

b) können immer nur sehr wenige (substanzielle) Veränderungen parallel erfolgen.

 

Wird diese oberste Ebene einer generischen „Strategie und Taktik“ im Management-Team erarbeitet, akzeptiert und durchdrungen, ist sofort klar, wie die weitere Konkretisierung der Unternehmensstrategie aussehen wird, nämlich:

  • Ebene 2 zeigt, welche entscheidenden Wettbewerbsvorsprünge (in welcher Reihenfolge) realisiert werden sollen, um die übergeordnete Strategie „das nachhaltig florierende Unternehmen“ Wirklichkeit werden zu lassen.
  • Ebene 3 zeigt die Initiativen oder Projekte, die – je entscheidendem Wettbewerbsvorsprung – erforderlich sind, um
    • die operativen Fähigkeiten aufzubauen, die für den entscheidenden Wettbewerbsvorsprung erforderlich sind (z.B. eine Neuentwicklung oder die Fähigkeit, sehr viel schneller zu liefern als der Wettbewerb);
    • die Fähigkeiten in Vertrieb und Marketing aufzubauen, um unter Nutzung der entwickelten operativen Fähigkeiten lukratives Geschäft zu generieren und die Kundenbasis zu erweitern;
    • die Fähigkeit zu erwerben, auch bei stark schwankender Nachfrage lieferfähig und profitabel zu bleiben.
  • Die weiteren Ebenen zeigen die Teilprojekte und konkreten Veränderungsschritte innerhalb der auf Ebene 3 definierten Initiativen und Projekte.

 

Mit dem Aufbau eines solchen „Strategie- und Taktikbaums“ nimmt das Management-Team eines Unternehmens eine konsequente Fokussierung vor auf

  • was – in welcher Reihenfolge (!) – getan werden soll, um das übergeordnete Unternehmensziel zu erreichen;
  • was (jetzt) nicht getan werden, nämlich all das, was nicht im S&T-Baum abgebildet ist.

 

Dabei hat das Management-Team gar keine andere Wahl als der CMO-Kernargumentation zu folgen: konsequente Markt- und Wachstums-Orientierung als notwendige Voraussetzung für ein nachhaltig florierendes Unternehmen.