Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
print logo

Einen Hype zum Trend machen

KI-Tools besitzen unvorstellbare Macht. Ein verantwortungsvoller und vorsichtiger Umgang mit der aufstrebenden Technologie ist die oberste Prämisse.
Simon Graff | 03.11.2023
Einen Hype zum Trend machen © Freepik / ksandrphoto
 

Bilder, Videos und Songs, alles wurde bereits von KI generiert. Skeptiker sehen darin eine flüchtige Entwicklung, Experten erkennen den Wert von nachhaltig etablierten Anwendungen.

Immer wieder lesen wir über die neuesten Fortschritte von Dall-E, ChatGPT, Midjourney und Co. Einmal replizieren sie die Stimme des Rappers Drake täuschend echt und bringen einen Song ohne dessen zutun heraus. Ein anderes Mal kleiden KIs den Papst in eine weiße Pufferjacket oder schicken Angela Merkel und Barack Obama zusammen in den Urlaub. Solche Projekte lösen zu gleich Bewunderung und Sorgen aus. Doch wer weiß wie mit den Tools umzugehen ist, kann besonders in den kreativen Branchen stark von ihnen profitieren.

KI braucht Mensch

Wie sooft bei Hypes überlagern Jubel und Schreckensszenarien zunächst realistische Ansätze. Denn eines sei vorweggesagt: Zum jetzigen Zeitpunkt stellen Künstliche Intelligenzen eher Werkezuge dar, als selbstdenkende Computerprogramme. Mächtige Werkzeuge, keine Frage, aber von der autonom handelnden Maschine sind wir noch weit entfernt. Die Zusammenarbeit zwischen Kreativen und KI kommt eher einem Diskurs nahe. Mensch gibt eine Prämisse vor und ChatGPT oder Midjourney erschaffen aus tausenden von Daten einen Text, beziehungsweise ein Bild. Erste Ergebnisse entsprechen in den seltensten Fällen dem, was der Schaffende im Kopf hat. Etliche Regler dienen der Annäherung. Dabei unterscheiden sich diese Prompts, sprich eingegebene Befehle, von Tool zu Tool: Textbasierte Modelle entfalten durch Rollenzuweisung und Dialoge ihre Stärken, während Bildgeneratoren strikte Beschreibungen und eine iterative Herangehensweise erfordern. Mit ein wenig Geduld und Übung entstehen Social Media Posts, Kampagnen oder ganze Werbefilme innerhalb weniger Minuten.

Kreativer Diskurs

Besonders im Aufbau von Marken liefert der Austausch wertvollen Input. Vom Logo, über den Background bis hin zu Produktbeschreibungen tragen KIs zur Erschaffung des Gerüsts bei. Meine Modermarke DNSYS entspringt ausschließlich der Feder des Chatbots: Mit einem Gedanken gefüttert, erschuf die KI Hintergrund und Leitmotiv des fiktiven Designer Alexios Arisu. Die Story ist ein wichtiger Bestandteil jeder Brand – ob frisch auf dem Markt oder weitbekanntes Urgestein. Innovative Technologien schreiben und generieren in wenigen Sekunden, aber ohne Leitfaden entstehen keine zusammenhängenden Inhalte. Hier kommt der Mensch ins Spiel. Aus den Arbeiten der Tools filtern Erfahrene Marketeers Rohdiamanten, anhand dieser Textschnipsel oder Bilder lenken sie ihre künstlichen Helfer auf die richtige Bahn.

Die Richtung vorgeben

Erste eine klar erkennbare Zusammengehörigkeit der einzelnen Elemente führt zur Schaffung der Marke. Für solch ein Unterfangen benötigen sowohl Text-, als auch Bildgeneratoren präzise Anleitung. Bei Midjourney entspringen zwar aus simplen Ideen bereits gute Design, doch ohne konkrete Vorgaben besteht keinerlei Kontinuität zwischen den Motiven. Ein gelungener Prompt braucht drei Komponenten: Idee, Stil und Code Arguments. Ersteres umreist die Bestandteile, die auf der Komposition zusammenkommen. Also etwas: „Eine Frau mit Blumen“ oder „Zwei spielende Kinder auf der Straße“, auch kreativere Ansätze wie „Das Universum in einer Tasse“ sind denkbar. Über den Stil bestimmen Nutzer die Darstellungsform, ob Zeichnung, Foto oder lieber Gemälde, das Programm kann alles.

Bias beachten

Da die Programme ihre Informationen aus dem Internet ziehen, enthalten sie, egal ob moderiert oder nicht immer Vorurteile, die sie ohne Hinterfragen übernehmen. So zeigte ein Versuch der „The London Interdisciplinary School“, dass generative KI bei Fragen wie „Wie sieht ein Geschäftsführer aus?“ ausschließlich klischeehaft besetzt. Daher ist immer Vorsicht geboten im Umgang mit den Tools. Teilweise nimmt die iterative Arbeit mit Midjourney auch mehr Zeit ein als die Umsetzung der eigenen Idee in gängigen Programmen. Also gilt es im Vorhinein zu überdenken, ob die Anwendung in diesem Fall sinnvoll ist. Unter Beachtung dieser Voraussetzung und im engen Zusammenspiel mit menschlichem Input, wartet eine grenzlose kreative Schöpfungskraft darauf, frei gesetzt zu werden – ohne dass der Mensch und dessen Kreativität hierbei fürchten müssten, ersetzt zu werden.