Neuromarketing verfehlt vordringlichen Engpass der Markenführung
Falsch Bei „Neuromarketing“ werden doch gerade deshalb so viele Brand Manager hellhörig, weil es genau deren vordringliche Probleme zu lösen scheint. Dabei identifiziere ich zwei Bedarfsgruppen: Die einen fragen nach Hinweisen auf die emotionale Stellschraube beim Menschen, die sie mithilfe ihrer Markenkommunikation (Schraubendreher) gezielt verdrehen wollen. Die anderen sind mehr an einem quantifizierbaren Nachweis für ihre Entscheidungen interessiert; einem Nachweis, den sie ihren Vorgesetzten vorlegen können. Richtig Richtig ist, dass Neuromarketing (genauer: Markenkommunikation, die sich auf bildgebende Verfahren der Hirnforschung stützt) die Lösung für die Probleme eines Teils von Markenverantwortlichen ist. Richtig ist auch, dass Neuromarketing keine Lösung für erfolgreiche Markenführung ist. Warum? Neuromarketing geht von der Prämisse aus, dass Werbung die Adressaten schon erreicht und nur noch in der Wirkung optimiert werden müsse. Die vordringliche Herausforderung in der Markenführung besteht aber gar nicht darin, Mediawerbung, Produktdesign oder die Wahl des richtigen Sponsorships treffsicherer zu machen, indem die Anschlussfähigkeit von Kommunikationsangeboten per MRT gemessen wird. Viel entscheidender ist der Kontext, in dem ein Kommunikationsangebot von einem Menschen gesehen wird. Immer seltener haben Sie darauf einen Einfluss. Mit 280 auf der falschen Autobahn Sonderwerbeformen wie ein Bitburger-Werbespot bei einer Fußball-Übertragung können als negativ-störende Unterbrechung bewertet werden. Mit jeder Schaltung wächst der Groll gegen diese filigranen Biertulpen. Da kann auch Bierhoff nichts mehr retten. Über MRT-Messungen werden Sie nie etwas darüber erfahren. Im MRT haben Sie noch eine maximale Möglichkeit zur Kontrolle der Befindlichkeit eines Menschen. Aber im richtigen Leben? Mediawerbung im bekannten Werbeumfeld ist vom Normalfall zum Marginalfall geworden. Wozu ein immer bedeutungsloseres Instrument optimieren. Es ist so als hätte man im Zeitalter der Elektrizität versucht, die Dampfmaschine weiterzuentwickeln. Kümmern Sie sich lieber darum, den Kontakt zu den Menschen nicht zu verlieren, bevor Sie sich mit deren Gehirnen befassen. Lernen Sie lieber, wie Sie sich wirksam an der längst stattfindenden nichtinstrumentierbaren Markenkommunikation beteiligen. Der instrumentierbare Anteil der Markenkommunikation wird stetig kleiner. Dummy Homo Oeconomicus Neuromarketing-Berater behaupten gerne, sie hätten auf einmal den Irrtum vom Homo Oeconomicus widerlegt und jetzt endlich nachgewiesen, der Mensch sei emotional und Konsumentscheidungen würden (auch) unbewusst fallen. Kein Mensch glaubt an den Homo Oeconomicus. Es ist ein abstraktes makroökonomisches Hilfskonstrukt, mehr nicht. Maturana und Roth haben schon vor Jahrzehnten wesentlich arriviertere Einsichten in die Funktionsweise von Nervensystem und Gehirn vermittelt, während das Marketing sich noch mit den seltsamen Werbewirkungsexperimenten des Werner Kroeber-Riel aufgehalten hat. Toter Guru in Markenmodellen Leider wollen sich die Vertreter der aufs Unbewusste abzielenden Markenkommunikation nicht mit anspruchsvollerer Erkenntniswissenschaft auseinandersetzen. Pure Empirie auf Grundlage schwacher Theorie reicht den meisten. Und so liest man im Buch eines Kroeber-Riel-Anhängers „Allen Kognitivisten gewidmet“. Immer wieder verwechseln Vertreter einer Fremdsteuerungsideologie Konstruktivisten mit Kognitivisten. Die Kritik Ersterer an der veralteten Theoriebasis wird mit empirischen Beweisen „Ätsch bätsch! Und der Mensch ist doch kein Homo Oeconomicus!“ zurückgewiesen. Erstaunlicherweise konnte in den 1990ern so manch einer mit dieser Uninformiertheit promovieren. Das Denken dieser Zeit findet sich heute putzmunter in den Markenführungsmodellen von Unternehmensberatern und Agenturen wieder.