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The Rise of Crowdsourcing

Der Begriff Crowdsourcing wurde 2006 durch Jeff Howe vom Wired Magazine geprägt.
Claudia Pelzer | 22.11.2011

Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2: http://TopOnlineExperten.de Der Begriff Crowdsourcing wurde 2006 durch Jeff Howe vom Wired Magazine geprägt. Er beschreibt – wie die Wortzusammensetzung bereits andeutet – das Outsourcen von Aufgaben, Fragestellungen und Kreativleistungen an eine undefinierte Masse von Menschen. Als Wiege der existenten Crowdsourcing-Mechanismen kann unter anderem die Open-Source Bewegung gesehen werden – ein Phänomen, aus dem letztlich Produkte wie Linux oder Firefox hervorgingen. Bei den meisten Crowdsourcing-Projekten sind aber seltener Experten wie Programmierer am Werk als vielmehr eine disperse Masse an Menschen, die eventuell ein gemeinsames Interesse oder Hobby verbindet. Genau genommen handelt es sich um eine (teils überaus begabte) Armada von Amateuren – was hier in keiner Weise abwertend gemeint ist. Diese kann sich im Social Web einfacher denn je in Gruppen und Foren zusammenfinden, austauschen, und im besten Falle ihre Passion zur (Teilzeit-)Berufung machen. Die Treiber hinter dem Phänomen Crowdsourcing Insbesondere Web 2.0-Mechanismen fördern die Vernetzung von Usern und die Entstehung von Crowdsourcing-Communities. Sie ermöglichen überdies die Nutzung von Micropayment-Modellen, die essentiell für viele Ausprägungen von Crowdsourcing-Diensten sind. Die Haupttreiber für Crowdsourcing lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen: 1. Digitalisierung Die Digitalisierung führt zu günstigerem, besserem Equipment (Beispiel: Die Foto-Community iStockphoto wäre nicht möglich ohne professionelle, erschwingliche Digitalkameras). Zudem bildet der digitale Fortschritt einen unverzichtbaren Grundstein für die weiteren Treiber. 2. Globalisierung Die zunehmende Globalisierung ermöglicht den Zugriff auf eine größere und diversere Crowd – eine gigantische „global Workforce“, die in gewisser Weise eine Schwarm-Intelligenz zur Folge hat. Damit wird auch das intellektuelle Kapital aus Märkten wie Indien oder China zugänglich gemacht. 3. Fragmentierung Neue Technologien und Kommunikationssysteme ermöglichen ein Unterteilen und Aufteilen von Tasks oder ganzen Arbeitsabläufen, die zuvor nur von einer Person beziehungsweise an einem Ort ausgeführt werden konnten. Damit entstehen neue Orgsanisationsstrukturen, die eher einem belebten Bazar entsprechen, als einer hierarchischen Struktur. 4. Demokratisierung Der Vertrieb wandelt sich: ehemals passive Konsumenten werden zu „Prosumenten“ und bringen aktiv ihre Bedürfnisse und Wünsche ein. Ein Phänomen, das bereits 1980 von Futurist Adam Toffler in seinem Buch „The Third Wave“ vorhergesagt wurde. 5. De-Zentralisierung und De-Industrialisierung Durch digitale Plattformen müssen Arbeitsabläufe und Aufgaben weniger zentral verwaltet und gesteuert werden, sondern die Crowd kann sich weitestgehend eigenständig organisieren. Arbeit gewinnt den Gemeinschaftscharakter zurück und kreativer Austausch wird gefördert. Ausprägungen und Potentiale von Crowdsourcing Die Crowd konsumiert längst nicht mehr nur passiv die ihr dargebotenen Inhalte. Sie analysiert, verifiziert, kategorisiert (sprich tagt) oder bewertet sie. Letzteres erfolgt entweder aktiv durch Ratings oder passiv durch Views oder Downloads. Die Crowd kann aber auch prognostizieren (Prediction-Markets), Produkte verbessern und erschaffen (zum Beispiel Tchibo Ideas). Sie kann forschen und Problemstellungen lösen (zum Beispiel auf InnoCentive.com), oder sie finanziert gleich das gesamte Projekt (über Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter.com oder deren deutsches Pendant Startnext.de). Erfolgreich umgesetzt, erlauben Crowdsourcing-Kampagnen eine vormals unüberwindbare Masse an Tasks zu bewältigen, wie zum Beispiel die Kategorisierung und Bewertung von Webinhalten. Umfangreichere Aufgabenstellungen und Prozesse dagegen müssen erst in kleinere Arbeitsschritte zerlegt werden, bevor die Crowd aktiv wird. Niemand verrichtet freiwillig Mammut-Aufgaben, zehn Minuten dagegen werden gern einmal investiert. Ob bewusst oder unbewusst, fremdgesteuert oder aus eigenem Impuls entsteht auf diese Weise nicht nur ein gigantischer Pool an Wissen und Content, sondern auch eine Ordnung im unüberschaubaren Dickicht des Web. Interessant wird es für Vertrieb und Marketing im Bereich Co-Creation. Collective Customer-Commitment heißt das entsprechende Buzz-Word. Bedeutet: Eine Community, die aktiv an der Entstehung (oder wahlweise Verbesserung) eines Produkts beteiligt ist, hat per se eine viel größere Intention, dieses auch selbst zu nutzen. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich der Vertrieb mit Hilfe der Crowd viel besser steuern lässt. Die Fashion-Crowdsourcing-Seite threadless.com beispielsweise lässt die User nicht nur eigene T-Shirt-Designs einreichen und bewerten, sie liefertauch gleich einen praktischen „I’d buy it...“-Button mit. Dieser hilft zu messen, wie viel Prozent der Nutzer das betreffende Shirt tatsächlich kaufen würden und lässt damit auch recht genaue Rückschlüsse zu, zu welchen Stückzahlen die Ware in Produktion gehen sollte. Kostspielige Marktforschung wird damit obsolet. Als Motivator der Massen dient dabei in den seltensten Fällen ein monetärer Gegenwert. Vielmehr werden die oberen Stufen der menschlichen Bedürfnispyramide anvisiert. Die Anerkennung der Community, sich mit anderen zu messen (Stichwort „Gamification“), Lob und vielleicht die Aussicht auf ein kleines bisschen Ruhm unter Gleichgesinnten, reichen oftmals als Antrieb. Wer hinter dieser Art von Consumer Involvement das große Geld oder ein gratis Image-Lifting wittert, sollte allerdings das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren. Zwar kann Crowdsourcing zu Ressourceneinsparungen führen und die Reputation eines Unternehmens fördern, aber eine Kampagne will geplant und begleitet werden. Insbesondere Aufbau und Betreuung einer Community kosten Zeit und Geld. Und niemals zu vergessen: Die Crowd handelt aus freien Stücken. Wittert sie, dass man sie als billige Arbeitskraft einzuspannen versucht, kann der positive Effekt ganz schnell ins Gegenteil umschlagen. Die Crowd will fair behandelt werden. 7 goldene Regeln für Crowdsourcing-Kampagnen Der Ideenpool einzelner Unternehmen ist endlich und oftmals fehlt es, neben der reinen Quantität der geistigen Entwürfe, an frischen Gedanken. Crowdsourcing-Maßnahmen können hier, wenn richtig eingesetzt, einen großen Mehrwert erzielen. Sie generieren als Innovations-Tool neue, qualitativ hochwertige Ideen und einen entsprechenden Marketing- beziehungsweise Image-Effekt. Das Blog der Harvard Business Review hat in diesem Zusammenhang eine Liste von Guidelines zusammengestellt, an denen sich derartige Crowdsourcing Kampagnen orientieren sollten: 1. Die passende Zielgruppe finden Bei einfachen Aufgaben kann die Crowd relativ wahllos zusammengesetzt sein, andere Projekte setzen bestimmte Vorkenntnisse und Skills voraus. Dann ist Crowd nicht gleich Crowd – je nach Art und Spezifikation des Projekts sollte der Adressatenkreis durchaus abgesteckt werden. Bei technischen Themen können zum Beispiel entsprechende Hochschulen fokussiert beziehungsweise Nutzer nach Interessenfeldern und Gruppenzugehörigkeiten (zum Beispiel bei Facebook) ausgewählt werden. 2. Klare, unmissverständliche Aussagen treffen Es gilt, mit simplen Ausführungen und ohne viele überflüssige Schnörkel das Problem zu definieren. Unklare Aufgabenstellungen haben nur ebensolche Antworten zur Folge. Deswegen gilt: Bringe es auf den Punkt! 3. Definition der Intellectual Property Rights Um rechtlichen Unstimmigkeiten von vorn herein aus dem Weg zu gehen, sollte ausdrücklich kommuniziert werden, dass das Unternehmen alle Rechte an den eingebrachten Ideen besitzt. 4. Motivation der Massen Ein finanzieller Anreiz muss nicht der einzige Impuls für die „Masse“ sein. Auch persönliches Interesse am Produkt oder Brand-Loyalty können durchaus ein Argument darstellen. Weitere mögliche Motivationstools sind Produktprämien oder Einladungen zu Corporate-Events. Und auch wenn Communities sich weitestgehend selbst kontrollieren und organisieren können, ist es aus Unternehmenssicht ratsam „Community-Leader“ einzusetzen, welche die Crowd sanft lenken. 5. Aufmerksamkeit schaffen Nachdem die Kampagne einmal online steht, sollte sie in jedem Fall weiter und auf verschiedenen Wegen und Plattformen beworben werden. Auch hierbei immer die eigentliche Zielgruppe im Auge behalten. 6. Professionelle Unterstützung Gelingt es als Unternehmen eigenständig nicht, genug Masse innerhalb der angestrebten Zielgruppe zu generieren, können professionelle Mittler eingeschaltet werden. Firmen wie InnoCentive oder IdeaConnection haben sich darauf spezialisiert, Crowdsourcing-Kampagnen zu unterstützen und verfügen über einen großen Pool an speziellen Zielgruppen, beispielsweise über Partnerschaften mit Universitäten oder Wirtschaftsverbänden. 7. Der berühmte „Plan B“ Da die Crowd zwar vieles weiß, aber nicht allwissend ist, gibt es natürlich keine hundertprozentige Erfolgsgarantie. Jedes Unternehmen sollte dementsprechend einen Notfallplan zur Hand haben, um die Aufgaben in letzter Instanz auch inhouse lösen zu können. Ausblick: The Future of Crowdsourcing Wirft man einen Blick in die virtuelle Kristallkugel wird recht schnell deutlich, dass Crowdsourcing bald Einzug in alle Lebens- und Arbeitsbereiche halten wird. Neben den zuvor beschriebenen Treibern für Crowdsourcing wird insbesondere das neue Selbstverständnis der Generation der „Digital Natives“ beziehungsweise „Digital Residents“ den Effekt verstärken. Diese durch und durch digital geprägte Crowd ist überaus aktiv, will selbst mitgestalten und bestimmen. Sie konsumiert Content nicht nur passiv, sondern trägt zur Kreation bei, kommentiert und bewertet. Für Unternehmen wird es damit zukünftig immer wichtiger die „Diamanten“ im wachsenden Content- und Talent-Pool zu finden. Auf lange Sicht kann Crowdsourcing zum Substitut für bestimmte Geschäftssegmente werden (zum Beispiel iStockphoto, 99 designs) oder aber den Ausbau des bestehenden Business unterstützen. So können Unternehmen ganz wunderbar Volumen und Diversität der Crowd nutzen, um neue Nischenmärkte für sich zu erschließen. Auf diese Weise lassen sich auch Projekte realisieren, für die ohne eine Armee von fleißigen Helfern gar keine Kapazitäten bestünden – ideal zum Beispiel für hyperlokale Dienste oder vergleichbare Angebote. Literatur Howe, J.: Crowdsourcing: Why the Power of the Crowd Is Driving the Future of Business. – 2009. Shirky, C.: Here Comes Everybody: The Power of Organizing Without Organizations. – 2009. http://www.crowdsourcingblog.de: Deutsche Crowdsourcing Plattform. http://www.crowdsourcing.org: US-Plattform zum Thema Crowdsourcing.