Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
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Eine kurze Geschichte zur digitalen Transformation

Prozesse in Unternehmen werden neu gestaltet. Wachstumspotential "E-Services". Messung des Erfolgs ein Muss.
Tim Cole | 10.09.2012
Fachartikel aus Leitfaden Digitaler Dialog:
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/Leitfaden-Digitaler-Dialog



Ein neues Wort macht die Runde in Managerkreisen: „Digitopia“, auch „digitale Transformation“ genannt, bezeichnet den Wandel durch Digitalität und Vernetzung, der sich für Unternehmen und Wirtschaft als Ausfluss aus der sogenannten Internet-Revolution ergeben hat und mit der sie heute ganz konkret zu tun haben. Wohin führt uns dieser Wandel in nächster Zeit und wie gehen wir am besten damit um? Die Bereitschaft der Beteiligten, der Manager, Unternehmer, Politiker und Wissenschaftler, den Wandel auch zu wagen und darauf zu reagieren, spielt dabei eine Schlüsselrolle für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Viele haben an der Börse geblutet

In diesem Zusammenhang muss man auch die Frage nach der allgemeinen Stimmung in der Wirtschaft stellen, eine zwar nicht besonders rationale Kenngröße, aber dennoch eine sehr wichtige. Wir wissen alle, wie mies diese Stimmung im Augenblick ist. Eine zentrale Ursache war das Platzen der Börsenblase, von der viele Entscheidungsträger der Wirtschaft persönlich betroffen sind. Klar: Sie haben meistens gut verdient; sie haben einen Teil des Verdienten it Dotcom-Spekulationen verjuxt und sind jetzt sauer. Diese privaten Enttäuschungen vieler Führungskräfte wirken sich unmittelbar aufs Geschäftsleben aus. Wer gerade an der Börse geblutet hat, der hat als Unternehmenschef auch keine große Lust, mutige Investitionsentscheidungen
zu treffen.

Das ist menschlich verständlich, wirtschaftlich jedoch fatal. Das Phänomen der „irrationalen Depression“, wie sie der ehemalige USNotenbankchef Alan Greenspan nach der Welle der ebenso irrationalen Begeisterung, der Hubris auf dem Höhepunkt der sogenannten New Economy entdeckt zu haben glaubt, ist keineswegs einzigartig in der Wirtschaftsgeschichte. Andere Generationen haben sie genauso erlebt, etwa nach dem Platzen der Eisenbahn-Blase im Jahre 1845, beim Platzen der „Südsee-Blase“ im 17. oder der Automobil-Blase im frühen 20. Jahrhundert.

Noch klarer wird das Bild, wenn man zum Vergleich den großen Goldrausch von Kalifornien im 19. Jahrhundert heranzieht. Auch hier folgte auf eine geradezu hysterische Phase der Begeisterung der tiefe Fall, ganze Städte, die kurz zuvor wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, verödeten, die Goldsucher wanderten wieder ab. Ungeheuere Vermögen wurden aufgehäuft und wieder verloren. Doch etwas blieb: Das Gold, das mit oft blutigen Händen aus dem Stein gegraben und aus den Flüssen gewaschen worden war, löste sich ja nicht in Luft auf. Nur fragten sich diejenigen, die die Arbeit gemacht hatten, hinterher, wo es denn geblieben sei.

Der Goldrausch ist zu Ende

Wir befinden uns heute wieder am Ende eines Goldrausches. Wir haben eine aufregende Zeit hinter uns; es hat ungeheuer Spaß gemacht, und wenn Sie rechtzeitig Ihre Aktien verkauft haben, dann haben Sie auch heute noch Spaß daran. Nur haben die meisten nicht rechtzeitig verkauft. Es ist nun mal eine Eigenschaft von Goldräuschen, dass in der Regel diejenigen dabei verdienen, die den Goldsuchern die Schaufeln und Wannen verkaufen, nicht notwendigerweise die Goldgräber selbst.

Was uns heute aber viel stärker interessieren sollte, ist die Frage, was kommt nach dem Goldrausch? Nun, nach den letzten kamen die Viehhirten. Einige von ihnen haben sich niedergelassen, haben Farmen gegründet. Die Eisenbahn wurde gebaut und hat die einsamen Höfe mit der Außenwelt verbunden. Man hat Städte gebaut und in den Städten wurde Handel betrieben. Und mit der Zeit wurde sehr viel Geld verdient – wahrscheinlich sehr viel mehr Geld, als während des eigentlichen Goldrausches. Und dieses Geld kam im Gegensatz zum Goldrausch in viele Hände, schuf dauerhaften Wohlstand für eine ganze Bevölkerung.

Der Dotcom-Goldrausch ist längst Geschichte. Eine Zahl ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig: 5132,52. Für einen ganz kurzen Augenblick am Morgen des 10. März 2000 stand der NASDAQ Composite Index auf diesem Wert in US-Dollar. Damit war der
absolute Höhepunkt des Internet-Goldrausches erreicht. Er hat dann, wie wir alle wissen, einen etwas anderen Verlauf genommen, als wir es uns alle erhofft haben: Es ging danach nämlich in den mehr oder weniger freien Fall über. Heute pendelt der NASDAQ Composite irgendwo bei einem Wert von 2.800 rum.

Aber auch das ist wohl eine Frage der historischen Perspektive. Zum Glück ist es ganz leicht, seine Perspektive im Internet zu verändern und zu erweitern, und zwar per Mausklick. Man kann zum Beispiel von der Fünfjahres-Darstellung des NASDAQ zur historischen Darstellung wechseln und sehen, wie sich der NASDAQ Composite in den letzten 22 Jahren seit Bestehen entwickelt hat. Und wenn wir bis heute einen Strich ziehen, dann kommen wir auf einen Zuwachs von 530 Prozent bei relativ konstantem Wachstum. Dieser stark technologieorientierte Börsenwert ist also über die Zeit um ungefähr dreißig Prozent im Jahr gewachsen. Das kann sich doch sehen lassen!

Nun, wir haben unsere Lektion ja jetzt hinter uns. Hoffentlich jedenfalls. Bleibt nur die Frage, ob und vor allem wann wir unser Geld wiedersehen werden Ich bin mutig genug, die historische Kursentwicklung des NASDAQ Composite einfach linear fortzuschreiben und zu behaupten, wenn die Entwicklung weiter so geht, dann müssten wir ungefähr in acht bis neun Jahren wieder dort sein, wo wir uns auf dem Höhepunkt dieser Dotcom-Blase befunden haben. Das ist dann der Augenblick, in dem Sie Ihr Geld wiederbekommen. Es hat sich dann noch nicht verzinst, aber wenigstens haben Sie Ihren Einsatz wieder raus.

Eine weitere wichtige Zahl lautet: 316 Milliarden. Das ist der Betrag in US-Dollar, der bei den zahllosen Börsengängen allein an der NASDAQ erlöst worden ist. Das ist sogar eine sehr konservative Zahl: Wenn wir die anderen weltweiten Börsen am Neuen Markt mit einrechnen, kommen wir wahrscheinlich eher auf ein Investitionsvolumen von einer Billion Dollar. Heute lesen Sie manchmal in Wirtschaftszeitungen, dass dieses Geld vernichtet worden sei. Das ist natürlich Unsinn. Das Geld existiert noch, genauso wie das beim Goldrausch geförderte Edelmetall. Es gehört allerdings jetzt jemandem anderen.

Außerdem ist mit diesem Geld etwas geschaffen worden, das bleibt, nämlich Technologie. Diese Technologie existiert weiterhin. Sie steht der Wirtschaft zur Verfügung, die damit arbeiten kann, um Wachstum und Erfolg zu schaffen.

Die „New Growth Theory“


In den alten ökonomischen Modellen der Wirtschaftstheoretiker existiert die Vorstellung, dass Wirtschaftswachstum alleine von den beiden klassischen Faktoren Kapital und Arbeit bestimmt sei. Mittlerweile gibt es aber auch einen kleinen Kreis von Wirtschaftsforschern, allen voran Professor Paul Romer in Stanford, die es anders sehen. Sie haben eine „New Growth Theory“, eine neue Wachstumstheorie, formuliert, die davon ausgeht, dass es einen dritten, gleichbedeutenden Faktor, nämlich eben Technologie, gibt. Technologie ist die Summe von Kreativität, von Wissen und von Wirtschaftskraft und ist, nach Romer, ebenso für Wirtschaftswachstum verantwortlich wie Kapital
und Arbeit.

Digitalisierung und Vernetzung


„Nichts wird so sein wie es war.“ – auch das so ein Satz aus den Zeiten des Internet-Goldrausches, der im Nachhinein vor Hubris nur so zu starren scheint. Aber er ist leider wahr. Digitalisierung und Vernetzung haben bereits heute zu nachhaltiger Veränderung nicht nur in unserem Alltag, sondern auch in unserer Wirtschaft geführt. Nur: Diese Veränderung hat fast schleichend stattgefunden, so dass wir vieles von dem heute für völlig selbstverständlich erachten, was noch vor zehn Jahren wie eine Revolution geklungen hätte.

Eigentlich hat es gar keine Revolution gegeben sondern eine Evolution, eine schrittweise Veränderung, aber von tiefgreifender Konsequenz.

Wir bezeichnen das als Digitale Transformation, also als Veränderung, die auf Digitalität und Vernetzung basiert. Je nachdem, welche Definition des Begriffs Sie heute hören, werden Sie auch verschiedene Stossrichtungen, verschiedene Ziele dieser Entwicklung erkennen. Es geht dem einen um Verbesserung der Prozesseffizienz, dem anderen um die Senkung von Prozesskosten, der dritte sieht darin eine Unterstützung der wertschöpfenden Unternehmensaktivitäten, andere eher die elektronische Abstimmung und Steuerung von Geschäftsaktivitäten oder die Weiterentwicklung vorhandener Insellösungen für Unternehmen durch konsequente Vernetzung.

McKinsey definiert Digitale Transformation als ein komplexes, individuelles System zur Schaffung von Transparenz, um die unternehmensspezifischen Schwächen zu beseitigen beziehungsweise ihre
Stärken zu unterstützen und effektiver zu nutzen.

Digitalität und Vernetzung sind, wie gesagt, hier die zwei treibenden Kräfte beim aktuellen Wandel in der Unternehmenswelt. Vernetzung führt zwangsläufig zu Veränderung. Wenn Sie wollen, liegt Veränderung geradezu im Wesen der Vernetzung begründet. Ein gutes Beispiel dafür, wie Vernetzung zu Veränderung führt, stammt von Vinton Cerf, dem Vater des Internet. Was passiert, wenn wir einen internetfähigen Kühlschrank mit einer ebenfalls internetfähigen Personenwaage vernetzen? Es verändert sich etwas. Sie kommen abends nach Hause und der Kühlschrank ist nicht mehr zu öffnen oder er enthält nur noch Diätkost, weil die beiden sich einig geworden sind, dass Sie lieber ein paar Tage abnehmen sollten.

Vernetzung führt zwangsläufig zu Veränderung, auch im Unternehmen. Nur ist nicht immer sofort offensichtlich, wo sie stattfindet und wie groß ihre Tragweite sein wird. Die große Herausforderung an Manager in einer digitalisierten Wirtschaft wird darin bestehen, die Veränderung für das Unternehmen, für sein Geschäftsmodell und für sie persönlich zu erkennen und darauf zu reagieren. Wer das am besten und am schnellsten kann, wird zu den Gewinnern zählen. Die Langsamen werden unter die Räder kommen.

Die digitale Transformation verändert Unternehmen

Es gibt heute kein Unternehmen, das nicht in irgendeiner Form schon von dieser digitalen Transformation tangiert worden ist. Es gibt kaum einen Bäckermeister in Deutschland, der nicht zumindest einen Internetanschluss hat. Über achtzig Prozent der mittelständischen Unternehmen sind inzwischen online. Bald werden es einhundert Prozent sein.

Großunternehmen insbesondere haben viel Geld in „Insellösungen“ gesteckt – in einen teueren Webauftritt, in E-Commerce, in ein Intranet, in Customer Relationship Management, in E-Procurement oder Demand Chain Management. Die meisten dieser Lösungen sind dezentral entstanden, häufig aufgrund von Eigeninitiative einzelner Abteilungen oder Fachbereiche. Nun stehen Unternehmen häufig vor der schweren Aufgabe, diese Inseln miteinander verbinden zu müssen, damit sie sich endlich rentieren. Hier wird Digitale Transformation zu voll vernetzten Systemen führen, bei denen bereits bestehende Lösungen mit den neuen verzahnt sind, um das Versprechen, das sich aus der Digitalität der Vernetzung ergibt, tatsächlich einlösen zu können.

Es geht darum, die Voraussetzungen zu schaffen, damit Information und Wissen im Unternehmen auch wirklich benutzt werden können. Unsere Systeme sind zwar teilweise schon digital, aber nicht ausreichend vernetzt.

Wir können nicht wirklich auf diese Informationen, die heute einen wichtigen Teil unseres Firmenvermögens darstellen, in dem Augenblick zugreifen, wo wir sie eigentlich benötigen, weil immer irgendwo ein Schnittstellenproblem oder ein Kompatibilitätsproblem besteht. So kommt es immer wieder zu Medienbrüchen und Blockaden, die Zeit, Geld und Ärger kosten. Die digitalen Zahnräder greifen nicht ineinander, irgendwo klemmen immer ein paar Bits und Bytes.

Prozesse werden neu gestaltet

Der erste Schritt auf dem Weg zur notwendigen Digitalen Transformation der Unternehmen heißt „E-Enabling“, also das Unternehmen fit machen für die digitale Zukunft. Das ist heute die größte Aufgabe, vor der die Wirtschaft steht. Es beginnt damit, dass Prozessabläufe überhaupt digitalisiert werden müssen. Das ist keine triviale Aufgabe, denn um Prozessabläufe zu digitalisieren, muss man nicht nur etwas von Computern und von Software verstehen, sondern etwas von Prozessen.

Gleichzeitig muss man seine Wertschöpfungsketten ansehen und versuchen, durch Entbündelung und Neugestaltung, durch Outsourcing und Insourcing schlagkräftiger zu werden. Das sind keine typischen IT-Aufgaben, sondern eine Aufgabe des Top-Management. Digitale Transformation ist Chefsache.

Drei Ziele der digitalen Transformation
Die drei Ziele von digitaler Transformation kann man heute relativ
gut beschreiben:
• Prozessoptimierung,
• Konzentration auf Kernkompetenzen und
• fokussiertes Wachstum.

Prozessoptimierung
Bei der Prozessoptimierung steht die operative Verbesserung im Mittelpunkt. Hier geht es um webbasierte Anwendungen, die sich modular erweitern lassen, die nach den Bedürfnissen und Erkenntnissen des Unternehmens wachsen können. So lassen sich schnell operative Verbesserungen erzielen und weitgehende Transparenz schaffen. Das gilt auch bei kleineren Firmen, die bisher nicht in der Lage waren, die Möglichkeiten von EDI etwa zur Anbindung von Lieferanten, Kunden oder Vertriebspartnern zu nutzen, weil es für sie nicht wirtschaftlich gewesen wäre. Damit sind sie in der Lage, ihre Prozesskosten teilweise dramatisch zu senken, etwa durch ein webgestütztes Beschaffungswesen, aber auch durch flexible, situationsgerechte Anpassung der Prozesse.

Konzentration auf Kernkompetenzen

Das zweite Element, die Konzentration auf die Kernkompetenzen, ist spätestens seit der Veröffentlichung von „Back To The Core“ durch Autoren der US-Unternehmungsberatung Bain & Company ein zentrales Thema in der Wirtschaft. Es wird zunehmend offensichtlich, dass wir uns in der Hochphase des Goldrauschs häufig verzettelt haben. Unternehmen wollten Wachstum um jeden Preis und in jeder Richtung, und irgendwie ging es ja auch lange gut: Man konnte als Manager ja fast keine Fehler machen. Man eröffnete nur irgendwo etwas Neues, und dann boomte es auch schon. Heute stellen wir plötzlich fest, dass wir uns häufig übernommen haben und uns mit Dingen belasten, die gar nicht zu unserer Kernkompetenz gehören. Diese unrentablen Nebenkriegsschauplätze wirken sich aber belastend auf das Unternehmensergebnis aus. Deswegen wird alles wieder dichtgemacht, womit wir aber natürlich auch Chancen vergeben, nämlich zur Neukonfiguration von Wertschöpfungsketten. Digitale Transformation bietet hier die Möglichkeit, durch effizientes und einfaches In- oder Outsourcing die Chancen auf fokussiertes Wachstum zu wahren.

Die Konzentration auf die eigenen Stärken zwingt das Unternehmen, sich in seiner Rolle neu zu definieren. Es gibt im Wesentlichen zwei Wege, die wir gehen können. Der eine ist die des Spezialisten, also derjenigen, der sich auf wenige oder auf eine Kernkompetenz konzentriert, meist also auf ein eigenes Segment in der Wertschöpfungskette. Andererseits gibt es etwas, das wir als virtuelle Integratoren bezeichnen, also solche, die sich auf das Management von ganzen Wertschöpfungsketten von Lieferanten fokussieren.

Für die IT-Branche lassen sich zwei Beispiele zitieren: einerseits als Spezialisten die Firma Flextronics, die sich konsequent auf Komponenten und Speicher konzentriert hat, andererseits die Firma Dell als Paradebeispiel für einen virtuellen Integrator, der auf geschickte Art und Weise ein Heer von Lieferanten, Distributoren und Partnern so gewinnbringend miteinander vernetzt hat, dass daraus ein hochprofitables virtuelles Unternehmen geworden ist. Konzentration auf Kernkompetenz dient also in jedem Fall dem Ziel einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit.

Fokussiertes Wachstum
Als drittes Element gilt die Erschließung von neuen Wachstumsoptionen. Die neuen Rollen von Spezialisten bieten dem Unternehmen jetzt die Möglichkeit, neue Dienstleistungen anzubieten und ihre Kernkompetenzen und ihr Spezialwissen anderen in der eigenen Branche, aber auch in anderen Wirtschaftszweigen, zur Verfügung zu stellen. Viele große Erfolgsstories der letzten Zeit wurden von Unternehmen geschrieben, die diesen Weg gegangen sind. IBM hat es in den letzten Jahren geschafft, sich als Service Company komplett neu zu erfinden.

Andere Möglichkeiten, durch Digitale Transformation in neue Wachstumsgebiete vorzustoßen, sind die Angebote von digitalen Leistungen. Nicht umsonst ist es so, dass sich heute in allen großen Branchen teilweise mehrere Industrieplattformen oder elektronische Marktplätze etabliert haben.

Wachstumspotential „E-Services“

Schließlich ist auch das Angebot von komplett neuartigen „EServices“ denkbar, aufbauend auf der eigenen Kernkompetenz. Ein Maschinenbauunternehmen wäre beispielsweise in der Lage, externen Kunden sein eigenes Fachwissen im Bereich des Monitoring
und Fernwartung von Geräten anzubieten, etwa, indem es sie per Internet überwacht. Denkbar sind auch werkstückbezogene Services oder In-process-Tests, die bei laufendem Betrieb der Maschine vorgenommen werden können, vor allem aber ohne die physische Präsenz eines Servicetechnikers. All dies kann Wachstumspotential für ein Unternehmen sein, das eigentlich in einem völlig anderen Bereich tätig ist. Möglich wird dies durch konsequente Nutzung von Digitaler Transformation.

Messung des Erfolgs ein Muss

Bleibt die Frage: Ist das denn auch wirklich zielführend und kann man den Erfolg auch messen? Dazu zwei Aussagen: Einmal ein Zitat aus der ComputerWoche, die kürzlich festgestellt hat, dass Firmen, die konsequent E-Enabling betrieben haben, die Kosten für Auftragsabwicklung und Beschaffung deutlich, teilweise sogar um bis zu neunzig Prozent, gesenkt haben.

Oder nehmen Sie die Firma Cisco, einer der ersten Pioniere der Digitalen Transformation. Cisco hat es nach eigenen Angaben geschafft, die Fehlerquote bei der Auftragsausübung durch E-Enabling um neunzig Prozent zu senken. Die Kundenzufriedenheit sei exzellent, der Umsatz sei mittlerweile fast doppelt so hoch wie im vergleichbaren Branchendurchschnitt.

Digitale Transformation bedeutet also kein vages Zukunftsversprechen, sondern bereits hier und heute realisierte Renditevorsprünge. Es geht auch nicht um Peanuts, sondern um die großen Kostenblöcke im Unternehmen.

Auf dem Höhepunkt der Goldgräberstimmung war viel von einer „New Economy“ die Rede, was irgendwie das Vorhandensein einer alten, abgehalfterten Economy voraussetzte. Nun, inzwischen wissen wir, wie falsch diese Einschätzung war. Es gab immer nur One Economy, es galten immer die gleichen Regeln der Marktwirtschaft für alle. Die One Economy wird zunehmend geprägt sein von einem Bewusstsein für Rentabilität und gesundem Wachstum. Was sofort zur nächsten Frage führt: Wie gestalten wir den nächsten Schritt in unserer Wirtschaft?

Die etablierten Player werden die Erfolgsstories schreiben

Geld verdienen wird in dieser alten neuen One Economy wieder wichtig sein. In ihr werden Dinge wie Kosteneffizienz und Kostensenkung im Mittelpunkt stehen. Sie wird geprägt sein von fokussiertem Wachstum, nicht mehr von Wachstum um jeden Preis oder in jede Richtung.

Die One Economy wird nicht von jungen Dotcoms und Existenzgründern geprägt sein, sondern von den etablierten Playern im Markt, den Dinosauriern der sogenannten Old Economy. Es werden deshalb in erster Linie große Unternehmen sein, die die großen Erfolgsstories schreiben. Insofern könnte man sagen: yes, size does matter. Es ist durchaus ein Wettbewerbsvorteil darin zu erkennen, dass man bereits eine gewisse Größe besitzt, bereits Kunden hat und vielleicht auf diese Weise auch bereits Geld verdient. Das mussten die anderen erst einmal lernen.


Literatur

Cole, T.: Unternehmen 2020 – Das Internet war erst der Anfang. Praxiskonzepte
für den Mittelstand. – 251 S., Carl Hanser Verlag, 2010.
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Tim Cole war Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins "Net Investor" und gilt als "Wanderprediger des deutschen Internets" (Süddeutsche Zeitung).