Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
print logo

Hobby Eventplaner sind der Tod der kleinen Incentive Agenturen

Das Internet ist Fluch und Segen zugleich. Alle Informationen sind für jeden und jede schnell und einfach zugänglich. Schnell und oberflächlich.
Holger Bartl | 23.10.2014

Was schreibt man auf Tripadvisor, wie viele Sterne vergeben Holiday Check oder Trivago? Jetzt noch kurz das günstigste Angebot über eine Hotelbuchungsplattform, Billigairline angeklickt, und fertig ist die Reise. Für alles andere gibt es ja die „Insider-Informationen“ aus dem Marco Polo Reiseführer.

Mir stellen sich echt die Nackenhaare hoch, wenn sich Jede und Jeder plötzlich zum großen Reiseplaner aufschwingt. Warum ist das eigentlich so? Es macht Spaß, dies steht fest. Man erhält Aufmerksamkeit und viele Dankeschöns. Füllt den einen oder anderen der Job vielleicht nicht aus oder steckt gar in jedem Menschen ein kleiner Organisator? Sicher lässt sich diese Frage hier nicht in Gänze beantworten.

Fakt ist aber auch, dass sich kaum ein Mitreisender traut, dem großen Reiseleiter zu sagen: „Also eigentlich finde ich das alles schrecklich, das Hotel liegt zu weit außerhalb, die Flugzeiten waren fürchterlich und die überlaufenen Touristenrestaurants als Insider-Tipp zu bezeichnen, ist eine Farce.“ So etwas bekommen dann nur wir Profis zu hören, schließlich werden wir dafür bezahlt. Uns passieren die meisten Fehler allerdings auch erst gar nicht. Denn wir wissen, was wir tun. Es ist unser Job. Wir machen das tagtäglich.

Das alles spielt keine Rolle. Hauptsache man kann sagen: „Es war super günstig und seht ihr, wir brauchen doch keine Agentur dafür, was da für Kosten entstanden wären! Das habe ich locker nebenbei gemacht. Haben Sie sich als Arbeitgeberin oder Vorgesetzter einmal gefragt, wann Ihre Mitarbeiter oder Ihre Mitarbeiterinnen das alles geplant haben? In der Freizeit oder während der Arbeitszeit? Die Antwort liegt auf der Hand und relativiert wieder einiges.

Aber war die Reise wirklich so günstig? War alles optimal? Oder ist man doch in die ganzen „Abzocke-Fallen“ getappt, hat die kleinsten Angebotszimmer in der ersten Etage zur lauten Hauptstraße bekommen, schlechte und überteuerte Pizza gegessen und über eine Stunde in der ewig langen Schlange der günstigen Automietstation am Flughafen gestanden…

Woher kommt also das Verlangen, unbedingt alles ohne professionelle Hilfe machen zu wollen? Sicher eine interessante Frage für die Psychologie. Ich glaube aber auch felsenfest daran, dass dies ein grundsätzliches Mentalitätsproblem unsere Tage ist. Die „Geiz ist Geil“ - Vorgabe führt dazu, sich nicht wirklich mit Themen und Dingen auseinander setzen zu wollen. Alles „husch, husch“ erledigen, wird schon irgendwie gut werden und wenn nicht, kann man doch alles fotografieren und sich übel beschweren. Da holt man bestimmt noch was raus, usw..

Aber, was die wenigsten potentiellen Auftraggeber und „Hobbytouroperator“ nicht mehr zu schätzen wissen - und somit auch nicht mehr bezahlen möchten -, ist die Erfahrung der Profis. Die Ideen, die Geschichten, das Netzwerk. Auch wir Agenturen recherchieren im Internet. Aber viel intensiver, mit dem Wissen und der Erfahrung, wo man die richtigen Antworten und Informationen findet und nicht irgendwelche. Auch wir lesen Bewertungsportale, glauben ihnen aber nicht, sondern fragen zusätzlich unsere Partner, haben eine Unmenge an eigener Erfahrung und waren in vielen Spots schon selber. Wir besuchen Workshops, tauschen uns untereinander aus, lassen einen Terminmarathon auf internationalen Messen über uns ergehen und sorgen auf diesen Grundlagen für ein durchdachtes und wunderbares Erlebnis.

Das wirklich perfide an der ganzen Situation aber ist, dass uns alle immer wieder nach Tipps fragen. Sag mal, kannst Du mir nicht ein nettes, gutes Hotel direkt am Meer, ruhig gelegen und doch zentral empfehlen? Du bekommst doch sicherlich Sonderkonditionen. Wo kann ich denn dann in der Nähe am besten Essen gehen? Aber nicht so was profanes, urtypisch soll es sein. Ein Restaurant, in das auch die Einheimischen gehen. Und abends? Welche Disco präferierst Du?

In den ersten Jahren habe ich diese Tipps auch noch gegeben, heute nicht mehr, denn das ist doch unser Kapital. Erfahrungen fliegen einem nicht einfach zu, die muss man sich hart erarbeiten.

Ich würde mir wünschen, dass sich diese Sichtweise mit der Zeit wieder ändern wird.

Daran glaube ich allerdings nicht. Sie?

Holger Bartl
Geschäftsführer
feinefluchten powered by B.A.R.T.L. GmbH