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An einem Strang ziehen ... Erfolg ist eine ganzheitliche Vision

In den meisten Unternehmen wird Leistung „lokal“ bewertet, Abteilung für Abteilung, Manager für Manager – oder wäre „gegen“ sogar treffender?
Uwe Techt | 24.06.2015
Statt einer bereichsübergreifenden Betrachtung, werden Performance-Statistiken pro Team oder Bereich erhoben und kontrolliert. Konkurrenz belebt dabei leider nicht, wie uns der Volksmund zu lehren versucht, das Unternehmen oder seine Produktivität. Ganz im Gegenteil: Um als Organisation erfolgreich zu sein, gilt es, unnötige Spannungen zu vermeiden. Erfolg muss als ganzheitliche Vision verstanden werden, frei nach dem Grundsatz „Einer für alle und alle für einen“.

In einer Multiprojekt-Organisation sind die Ressourcen immer knapp. Der Work in Process (WIP) ist hoch und die Ressourcen können unmöglich das leisten, was ihnen abverlangt wird. Zwangsläufig konkurrieren die Projektmanager daher um die knappen Ressourcen. Ein besseres Verständnis im zehrenden Kampf um Ressourcen sowohl für die Situation des jeweiligen Gegenübers als auch für die Gesamtsituation generiert dabei die differenzierte Sicht auf einzelne Positionen:
Der Projektmanager erhält von seinem Chef den Auftrag, ein Projekt zu managen. Die dafür erforderlichen Ressourcen erhält er jedoch lediglich theoretisch. Während der Laufzeit des Projekts ist er gezwungen, um Ressourcen zu kämpfen, auch gegen andere Projekte. War der Kampf erfolgreich, nimmt er anderen Projekten notwendige Ressourcen weg. Dadurch verlangsamen sich eben jene, ein anderer Projektmanager ist der „Verlierer“ und wird versuchen, seinerseits wiederum Ressourcen zu erstreiten. Projektmanager sehen sich dem ständigen Beschaffen und Halten der Ressourcen ausgesetzt, um nicht auf den „Verlierer“-Posten abzufallen.
Stets werden dem Ressourcenmanager (Gruppen-/ Abteilungsleiter) mehr Ressourcen abverlangt, als er zur Verfügung stellen kann. Egal wie er die Ressourcen vergibt, welchen Projekten er wie viel zuteilt, die übrigen „gehen leer aus“ oder „verlieren“. Jede Entscheidung des Ressourcenmanagers hinterlässt gemischte Eindrücke. Der oder die „Verlierer“ im Ressourcen-Poker sind nicht gut auf ihn zu sprechen.
Immer wieder liegt es am Topmanager, Entscheidungen hinsichtlich der Priorität zwischen Projekten zu treffen, die alle wichtig sind. Seine Organisation scheint offenbar nicht in der Lage zu sein, sich selbst zu steuern. Ein Projekt, das gestern noch gut vorankam, steckt plötzlich fest und Schlüsselressourcen werden an anderer Stelle benötigt.
An Produktivität ist vor dem Hintergrund derart immenser Konfliktpotentiale und egozentrischer Sichtweisen nicht zu denken. Der Kampf um Ressourcen beziehungsweise die Bearbeitung daraus resultierender Schwierigkeiten rauben Energie und Zeit – sowohl auf Seiten der Projekt-, Ressourcen- als auch Topmanager. Projekte befinden sich im Leerlauf, weil die just in diesem Moment benötigten Ressourcen an etwas anderem arbeiten. Das gegenseitige Misstrauen der verschiedenen Bereiche hemmt einerseits die Zusammenarbeit, andererseits birgt es die Gefahr der gegenseitigen Blockade bis nahe hin zum Stillstand. Es liegt in der Verantwortung des Topmanagements, allen Projekten die Ressourcen zu geben, die sie brauchen, um jene Aufgaben, welche sie im Auftrag des Topmanagements erfüllen sollen, auch erfüllen zu können. Und zwar dann und in dem Umfang, wie sie benötigt werden. Kein Ressourcen- und kein Projektmanager kann diese Verantwortung übernehmen. Sie können lediglich versuchen, die Schwierigkeiten abzumildern.

Einzelprojekt contra Unternehmenserfolg
Eine der Todsünden im Multiprojekt-Umfeld besteht darin, ein Projekt so zu managen, als wäre es ein Einzelprojekt. Nahezu jede Entscheidung, jede Handlung innerhalb eines Projekts hat Auswirkungen auf andere Projekte und damit letztendlich auf die Organisation. Was im Einzelnen gut ist, kann schlecht für andere Projekte und das Unternehmen sein:

• Um Kosten für das Projekt zu sparen, besteht der Projektmanager darauf, den besten, ergo schnellsten Mitarbeiter für eine bestimmte Aufgabe zu bekommen.
• Um so schnell wie möglich fertig zu werden, wird das Projekt so früh wie möglich gestartet.
• Um eine Verzögerung aufzuholen, sorgt ein Projektmanager dafür, dass Mitarbeiter Aufgaben in anderen Projekten unterbrechen.

Können diese Vorgehensweisen für das einzelne Projekt durchaus Nutzen und Performance generieren, schaden sie im Umkehrschluss allen anderen Arbeitsaufträgen. Dennoch werden Projektmanager in Unternehmen meist aufgefordert, sich ausschließlich um “ihr” Projekt zu kümmern, werden daran gemessen und danach beurteilt, wie „ihr“ Projekt performt. Die Auswirkungen auf das Unternehmen werden dabei in der Regel bestenfalls nachrangig berücksichtigt. Auf diese Weise schneidet sich das Multiprojekt-Unternehmen ins eigene Fleisch, kann Erfolg höchstens zum Teil, kurzfristig und unter seinen eigentlichen Möglichkeiten erzielen.

Aller Anfang ist auch im Projektmanagement schwer
Es mag paradox klingen: Anfangen ist eines der größten Probleme im Multiprojekt-Geschäft. Ausgangspunkt ist der typische Kampf um Ressourcen, welcher die Durchlaufzeiten signifikant verlängert. Und – zumindest für einen bedeutenden Teil der Aufträge – Verspätungen erzeugt. Unter diesen Verspätungen leiden externe und interne Kunden wirtschaftlich und im Ansehen. Der jeweilige Projektmanager wird durch den Kunden sowie durch seinen eigenen Chef für die Verspätungen verantwortlich gemacht, also leidet auch er. Den Vertriebsmitarbeiter, der dem Kunden das Projekt zu einem bestimmten Liefertermin versprochen hat, trifft ein ähnliches Schicksal: die Beziehung zu seinem Kunden verschlechtert sich. Es wird ihm zukünftig schwerer fallen, zu überzeugen und Projekte zu verkaufen. Daraus entsteht ein hoher Druck, ein neu anstehendes Projekt möglichst schnell zu starten. Denn erst nachdem es gestartet ist, kann ein Projekt am täglichen Kampf um Ressourcen teilnehmen und hat den zeitlichen Puffer, um in diesem Wettbewerb auch wieder einmal zu verlieren. Die Grundidee der Projektmanager, neue Aufträge möglichst schnell zu starten, scheint raffiniert und nachahmenswert, erzeugt jedoch wenigstens zwei negative Nebeneffekte:

• Noch mehr Projekte sind gleichzeitig aktiv und konkurrieren um die Ressourcen. Dadurch entsteht mehr schädliches Multitasking, die Projektlaufzeiten verlängern sich weiter, Verspätungen häufen sich. Und der Druck, möglichst früh anzufangen, wächst weiter. Ein Teufelskreis.
• Die ersten wesentlichen Realisierungs-Aufgaben in einem Projekt erfordern üblicherweise sorgfältige und vollständige Vorbereitungen (z. B. Klärung der Spezifikationen). Sind diese unvollständig, bleiben Mitarbeiter im Projekt nach kurzer Zeit stecken. Sie müssen auf die erforderlichen Klärungen warten und bearbeiten so lange ein anderes Projekt. Das schädliche Multitasking steigt weiter an. Sind die Vorbereitungen fehlerhaft, pflanzt sich dieser Fehler im Projekt fort. Je weiter das Projekt voranschreitet, umso größer wird das daraus entstehende Problem. Irgendwann fällt der Fehler (hoffentlich) auf und erfordert dann erhebliche Korrekturen und Nacharbeiten.

Ein neues Projekt so früh wie möglich zu starten – „es einfach schon mal anzufangen“ – erzeugt erhebliche Probleme für das Projekt und für das Unternehmen. Die auftretenden Schwierigkeiten sind in der Regel sehr viel größer als der vermeintliche projektindividuelle Nutzen eines früheren Starts. Eine Organisation, die ihren Workload bewusst steuert sowie Projekte entsprechend staffelt, kann mit denselben Ressourcen sehr viel mehr Projekte fertig stellen als ein Unternehmen, das seine Projekte möglichst früh beginnt.

Ein Mutiprojektunternehmen muss viele Faktoren beachten, um am Markt bestehen zu können. Elementar und die Grundordnung innerhalb der Organisation betreffend, liegt es jedoch an Projekt- Ressourcen- und Topmanagern, Erfolg als ganzheitliche Vision zu verstehen und zu verinnerlichen. Dann können zukünftig alle an einem Strang ziehen – für die Projekte und das Unternehmen.

* Uwe Techt ist Geschäftsführer der VISTEM GmbH & Co. KG und gilt als Vorreiter im deutschsprachigen Raum für die Nutzung der Theory of Constraints (TOC) und des Critical Chain Projektmanagements. Als strategischer Denker für grundlegende Verbesserungen und Durchbruchsinnovationen ist der Topmanagement Coach auch gefragt als Speaker und Autor. Zuletzt von ihm erschienen ist das Fachbuch „PROJECTS that FLOW“. Weitere Informationen unter www.uwetecht.de sowie www.vistem.eu
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Uwe Techt ist Geschäftsführer von Vistem und gilt als der Vorreiter und Experte für die Nutzung der „Theory of Constraints (TOC)“.