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Zeiterfassung schadet der Project-Performance

Auch ohne Zeiterfassung kann jederzeit ermittelt werden, ob sich ein Projekt gelohnt hat – mit den IST-Daten aus dem Projektsteuerungssystem.
Uwe Techt | 18.01.2016
Der Verzicht auf die Bewertung nach Zeitbudgets bewirkt eine erhebliche Performancesteigerung. Deshalb ist der erste Schritt, existierende Zeiterfassungssysteme abzuschalten, um die daraus entstehenden Störwirkungen zu beseitigen. Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter profitieren von mehr Effizienz, Effektivität und Zufriedenheit. Deshalb sollten Unternehmer und Manager dafür sorgen, dass detaillierte Zeiterfassung der Vergangenheit angehört und Projekte den richtigen Flow entwickeln.

„Heute ist morgen schon gestern.“ Im schnell drehenden Multiprojekt-Umfeld wollen Unternehmen ihre Projekte beschleunigen, um sich nicht selbst auszubremsen. Die Zuverlässigkeit und Kapazität sollen steigen. Nahezu selbstredend mit den gleichen Ressourcen, also ohne zusätzliche Kosten zu erzeugen. Von einer detaillierten Zeiterfassung versprechen sich Organisationen ebendiese höhere Zuverlässigkeit ihrer Projekte. Was folgt, ist die Ernüchterung: Zeiterfassung wird zur Change-Bremse, die neben der Performance auch ganze Unternehmen ausbremsen kann.

Zeiterfassung – warum eigentlich?
Die meisten Unternehmen arbeiten dann mit Zeiterfassung, wenn Projekte, wie zum Beispiel in der Produktentwicklung, eine wichtige Rolle spielen. Zeiterfassung soll

• herausfinden, ob sich ein Projekt gelohnt hat,
• helfen, zukünftige Pläne/Projekte zu verbessern, um die Planungsqualität zu erhöhen,
• Ressourcen-Effektivität (Performance/Leistung der Ressourcen) sicherstellen und sie nach Möglichkeit verbessern,
• die Ressourcen optimal ausnutzen, sodass Mitarbeiter ständig beschäftigt sind.

In der Praxis werden diese Ziele durch Zeiterfassung nicht erreicht. Schlimmer: Es entstehen mit Multitasking, Demotivation und Defokussierung der Mitarbeiter sogar schädliche Nebenwirkungen.

Zeitschätzungen funktionieren nicht
Angetrieben von der Zeiterfassung ist es im Projektmanagement heute üblich, den Zeitverbrauch für Projekte bis ins kleinste Detail festzulegen. Projekte sollen schließlich rechtzeitig abgeschlossen werden. Projektzuverlässigkeit durch Vorgangszuverlässigkeit! Eines wird dabei jedoch übersehen: Wir leben in einer Welt von Unsicherheit und Murphys Gesetz. Das bedeutet, dass wir den Aufwand und die Dauer für einen einzelnen Projektschritt nur schätzen können. In der Regel liegen diese Annahmen aber weit neben dem realen Ergebnis.

Zeiterfassung taugt nicht als Produktivitätskennzahl
Wer eine Schätzung seines Aufwandes abgeben muss, wird immer so schätzen, dass er mit der angegebenen Dauer mit hoher Wahrscheinlichkeit auskommt. Auf der anderen Seite werden festgelegte (Zeit-)Budgets auch mindestens verbraucht. Denn: Einem Mitarbeiter, der dafür bekannt ist, dass er immer weniger Arbeitszeit verbraucht, als er vorher gesagt hat, wird im nächsten Projekt seine Aufwandsschätzung gekürzt werden. Diesen geringeren Aufwand könnte er dann wahrscheinlich nicht zuverlässig einhalten. Deshalb ist es für Mitarbeiter ein logisches Vorgehen, ihr einmal festgelegtes Budget zu verbrauchen und nicht etwa früher fertig zu werden. Dass das IST auch ganz sicher dem SOLL entspricht, kann aus Unternehmenssicht darüber hinaus gewünscht sein, wenn beispielsweise eine direkte Abrechnung des Aufwandes mit dem Kunden erfolgt. Weil

• Projekte signifikante Sicherheiten enthalten,
• ein höherer Aufwand budgetiert wurde, als eigentlich erforderlich ist,
• Budgets immer mindestens verbraucht werden,

ist schlussendlich der errechnete Arbeitsaufwand für einzelne Aufgaben eines Projektes und damit auch für das Projekt als Ganzes deutlich höher als eigentlich erforderlich. Deshalb sind Erkenntnisse aus der Zeiterfassung nicht geeignet, zukünftige Pläne zu verbessern. Ebenso nicht, um festzustellen, ob die Ressourcen genügend produktiv arbeiten.

„Taktische“ Zeiterfassung
Mitarbeiter erfahren durch die Zeiterfassung keinerlei persönlichen, zusätzlichen Erkenntnisgewinn, an welchen Stellen Störungen entstehen. Erschwerend kommt hinzu, dass es für Mitarbeiter negative Auswirklungen hat, wenn sie Budgets nicht einhalten. Die Zeiterfassung erfolgt daher rein „fürs Controlling“ - nicht mehr entsprechend der Realität, sondern „taktisch“, sodass Pläne, Budgets oder Vorgaben möglichst gut erfüllt werden. Das heißt, die erfassten Zeiten weichen von dem tatsächlich notwendigen Zeitverbrauch stark ab und „entsprechen dem Plan“.

Projects flow für effektive Projektabläufe
Zeiterfassung ist oft ein Pflaster, das ineffektive Arbeitsweisen nur verdeckt. Stattdessen sollten Unternehmer und Manager den Blick darauf richten, die Arbeitsweisen der Organisation zu verbessern, um damit die Projekt-Performance nachhaltig und dauerhaft zu erhöhen. Projects flow in drei Schritten:

1. Die Arbeitslast auf ein sinnvolles Niveau reduzieren
Wenn wir weniger gleichzeitig machen, dann geht auch alles schneller. Eine logische Weisheit, die auch in der Projektorganisation Bestand hat. Ressourcen verfügen über ausreichende Kapazität und statt des schädlichen Multitaskings gibt es Singletasking. Die Projekte werden also besser mit den vorhandenen Ressourcen ausgestattet und auf diese Weise schneller. Und das wirkt sich auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens aus.

2. Persönliche Zuverlässigkeit neu definieren
Bisher definierte die Termin- und Budgeteinhaltung die Zuverlässigkeit von Projekten und Mitarbeitern. Von nun an bedeutet Zuverlässigkeit Singletasking und alles daran zu setzen, dass diese Aufgabe in der geforderten Qualität so schnell wie möglich erledigt wird. Das sorgt dafür, dass Projekte kürzer werden und der Aufwand sinkt.

3. Eindeutige Prioritäten zur Verfügung stellen
Wenn zwei Projekte um ein und dieselbe Ressource konkurrieren, wissen Ressourcenmanager immer ganz genau, welches Projekt sie jetzt bearbeiten sollen. Und zwar bis es fertig ist. Währenddessen befindet sich das andere Projekt in der Warteschleife. Das führt dazu, dass Projekte beziehungsweise Aufgaben in den Projekten besser mit Ressourcen ausgestattet sind. Auch hier lautet die Devise: Singletasking anstelle eines Hin und Her im Multitasking-Modus.

Erfolge auswerten statt Zeit bemessen
Ein ursprünglicher Grund für Zeiterfassung ist, die Qualität zukünftiger Pläne zu verbessern. Jedoch kann Zeiterfassung genau das nicht leisten. Organisationen, die schädliches Multitasking durch produktive Mechanismen in ihren Arbeitsabläufen ersetzen und die dabei auflaufenden Daten analysieren, entwickeln einen Erfahrungsschatz, auf den sie für zukünftige Projektpläne zurückgreifen können. Außerdem werden Daten aus der Zeiterfassung oftmals genutzt, um die IST-Auslastung der Ressourcengruppen zu messen. Diese Vorgehensweise ist durchaus umsetzbar – allerdings trägt die momentane IST-Auslastung keinerlei Bedeutung. Viel bedeutsamer sind die zukünftige Auslastung sowie die geplante Auslastung der Ressourcen. Und zwar nicht, um diese zu 100 % auszulasten – wir wissen ja mittlerweile, dass dies zu Ineffektivität und Ineffizienz führt – sondern um vorhersehen zu können, ob die geplante Auslastung zu einer chronischen Überlastung führt. Die Leistung von Mitarbeitern und Ressourcengruppen wird nicht länger danach beurteilt, wie gut ein Plan eingehalten wird, sondern ob sich Mitarbeiter so verhalten wie erwartet.

Führungskräfte, die Mitarbeiter anhand von Kennzahlen in der Zeiterfassung beurteilen, geben elementare Verantwortung an ein System ab. Der Projects flow-Weg zu mehr Erfolg im Projektmanagement lautet: Aufgabe machen, sich darauf konzentrieren und diese so schnell wie möglich fertig stellen! Kein Erfassungsinstrument für die Leistungsbewertung, sondern die bloße Beobachtung der Arbeit sowie die Kommunikation mit den Mitarbeitern ebnen den Weg für zuverlässige Projekte.
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Uwe Techt ist Geschäftsführer von Vistem und gilt als der Vorreiter und Experte für die Nutzung der „Theory of Constraints (TOC)“.