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Warum Online-Marketing (nicht) einfach ist

Gespräche machen Online-Marketing erfolgreich. Führungsgesichter, die online als Mensch sichtbar sind, schaffen Vertrauen und Kundenbindung.
Sylvia Ewerling | 04.09.2017
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Seit ich selbstständig bin, erlebe ich, dass Online-Marketing als schwierig empfunden wird. Als ich noch angestellt war, war in meiner Marketing-Abteilung vieles ungewiss. Neue Software einzuführen war heikel und wie digitale Medien in der Branche genutzt werden sollen, ungewiss. Dazu kam, dass laufend umstrukturiert wurde und alle unsicher waren, wohin der Konzern will. Gleich mehrere Faktoren machten die vermeintliche digitale Strategie schwer umsetzbar und lebbar. Das ist heute für viele Unternehmen nicht anders. Aber ich will hier nicht darüber schreiben, dass Sie eine digitale Unternehmensstrategie brauchen – das wissen Sie mittlerweile. Trotzdem: Warum fühlt sich Online-Marketing nicht richtig beherrschbar an?! Meiner Meinung liegt es an einer Vielzahl von Dingen, die digitales Marketing komplex macht.

Deswegen hier ein paar Punkte, die nicht so viel diskutiert werden, wie SEO, Lead-Generierung, Conversion-Optimierungen & Co.

F-Faktor: Es geht um Beziehungen und Gespräche

Bei den Märkten heute treffen nicht mehr bloß Angebot und Nachfrage aufeinander. Es funktioniert nicht mehr, nur mit Werbung und PR zu beeinflussen, um ein Produkt unter die Leute zu bringen. Wir alle glauben viel mehr an den F-Faktor: Freude, Familie, Facebook und Twitter-Follower. Es geht um Beziehungen und Gespräche. Die Aufgabe vom heutigen Marketing ist es, Gespräche zu initiieren, sich daran zu beteiligen, sie zu bereichern, damit eine Beziehung entstehen kann. Kunden interessiert verstärkter die Meinung anderer. Rezensionen, Vergleiche, Erfahrungswerte wiegen mehr als pure Produktbotschaften der Kommunikationsabteilung. Inhalte, die ein Kunde ungefragt online schreibt, sind glaubwürdig. Sie sind extrem wichtig fürs Image und für den Absatz. Die Kehrseite ist, dass Unternehmen keine Kontrolle über „Community generated Content“ haben können. Unternehmen brauchen eine gute Reputation, um öffentlich diskutierte Kundenbeschwerden zu verkraften. Denn es ist heute kaum möglich, Kundenbeschwerden zu isolieren, damit niemand etwas davon mitkriegt.

Entscheidungsprozesse finden im Verborgenen statt

Um ein Thema zu recherchieren, sammeln wir Informationen gerne auf Plattformen, die uns viele Bewertungen liefern. Wir greifen weniger auf Websites einzelner Anbieter zurück. Sollen wir jedoch entscheiden, verlassen wir uns gerne auf Einzelpersonen. Vertrauen wir einem Meinungsbildner als Autorität, wiegt sein Wort mehr als eine große Anzahl an positiven Bewertungen, zu denen wir keinen persönlichen Bezug haben.

Die meisten entscheidenden Dialoge finden im Verborgenen statt, dort wo Google nie hinkommt, wie z.B. direkte Gespräche in Messengern. Es ist für Sie als Unternehmen interessant und relevant, Teil dieser Gespräche zu sein. Zugang zu diesen Kreisen finden Sie nicht durch gesichtslose Unternehmensaccounts, sondern nur als Mensch. Online-Marketing entwickelt sich weg von den großen sozialen Netzwerken, hin zu kleineren, geschlossenen Gruppen, in denen sich die Menschen austauschen. Kontakte aufzubauen und zu pflegen kostet Zeit – das ist in der digitalen Welt genauso wie früher. Abkürzungen gibt es keine. Mit dem richtigen Mix aus Monitoring, qualitativer Bewertung und Beziehungspflege erhalten Sie jedoch die entscheidenden Informationen und bleiben auf dem Laufenden.

Konzentration auf Technik


Unternehmen diskutieren lieber über Marketing-Technik, anstatt Online-Marketing zu machen. Ich sehe, dass in Technik-Projekte viel mehr Zeit und Geld investiert wird, als Online-Marketing zu leben und von den Erfahrungen zu lernen. Unternehmen implementieren permanent und schaffen Software-Schnittstellen, anstatt ihre Kommunikation mit dem Kunden zu optimieren.

Diskutieren Sie regelmäßig in Jour Fixes, wie Gespräche mit Kunden on- und offline am besten geführt werden, die unternehmensrelevant sind und die Kundenbindung fördern. Die Ergebnisse aus den Erfahrungen einzelner Gespräche stellen Sie dann wieder allen zur Verfügung. Das ist die effektivste Form der Mediennutzung (vgl. P. Kotler).

Hierarchiekultur

Im B2B verhalten sich viele Unternehmen, trotz aller Diskussionen um das Thema Digitalisierung, meist noch traditionell. Die Marketingabteilungen sind oft hauptsächlich damit beschäftigt, Broschüren, Flyer und Massen-Mailings zu produzieren. Wenig Zeit fließt in die Beziehung zu einzelnen Interessenvertretern und Meinungsbildnern.

Führungskräfte und Mitarbeiter im Kundenkontakt haben zu ihren Kunden oft kein ausgeprägtes „Wir“-Gefühl. Sie sprechen viel über den Kunden, aber wenig mit ihm. Scheuen Sie sich nicht davor, Ihren Kunden Fragen zu stellen. Wenn Sie wissen, dass Ihre Produkte Ihrem Kunden Nutzen bringen, ist das Risiko gering in eine problematische Diskussion zu geraten. Sie gewinnen, wenn Sie Fragen stellen und das wertschätzende Gefühl vermitteln, wie wichtig Ihnen (und somit dem Unternehmen) seine Meinung ist.

Herrscht jedoch auf der Führungsebene ein altmodisches Hierarchiedenken „wir, das Unternehmen“ zu „du, der Kunde da draußen“ vor, merkt der Kunde das sofort. Es transportiert sich über jedes Kommunikationsmedium und macht vertrauensfördernde Vertriebsarbeit zunichte. Die Hürde für Ihren Kunden dann eine Frage per Social Media zu stellen, ist natürlich viel höher. Sind dagegen z.B. auf Facebook bereits helfende Antworten in den Kommentaren zu lesen, fällt es leichter, Kontakt aufzunehmen.

Menschen merken, wenn man sie instrumentalisiert. Ich kann Kerstin Hoffman („Lotsen in der Informationsflut“) nur zustimmen: Selbst wenn Sie es schaffen, kurzzeitig sichtbarer als andere Unternehmen zu sein, reißt der Beziehungsstrang gleich wieder ab, wenn Sie Belangloses verbreiten oder kein wirkliches Interesse haben, sich gegenseitig wahrzunehmen. Was an kommunikativer, persönlicher Kompetenz nicht vorhanden ist, können keine Technologie und kein soziales Netzwerk kompensieren.

Online ist eine Abteilung im Unternehmen, keine Philosophie

Nicht selten sehe ich, dass Online-Manager frustriert sind, weil ihr Thema zuerst wieder „intern geklärt“ werden muss. Den Online-Managern sind die Hände gebunden, sie kommunizieren nicht so, wie sie es gerne würden, weil die Führung unsicher ist, was und wie die Online-Marketing-Abteilung agieren soll. Mir liegt es dann auf der Zunge zu fragen, ob der Vertrieb auch zuerst intern geklärt werden muss, bevor die Kollegen in ein paar Monaten wieder raus zum Kunden fahren?! Auf diese Idee käme kein CEO.

Aber Spaß beiseite. Die Lage ist ernst. Alles Digitale wird mit der Online-Marketing-Abteilung gleichgesetzt und ist nicht Teil der Unternehmensphilosophie. Solange die Führungsgesichter kein Vorbild abgeben, online als Mensch für das Unternehmen eine Stimme haben, verkennen und verschenken sie Potenzial. Dann ist es schwierig und anstrengend mit reinen Online-Maßnahmen Kunden zu erreichen. Das Blut in den Unternehmeradern muss digital werden. Nur dann können Sie digital kreativ werden und haben den Rückhalt für eine pro-aktive, persönliche Kommunikation zu Ihren Kunden.

[Dieser Artikel wurde ursprünglich auf digital-designmanagement.com veröffentlicht.]
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