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Von der agilen Methode zum agilen Wir

Agile Methoden sind alleine noch lange kein Erfolgsgarant. Warum Teamdynamik den größeren Hebel besitzt.

„Agil“ klingt für viele wie ein Zauberwort, liest man zurzeit auf allen Kanälen die strategischen Empfehlungen hinsichtlich moderner Unternehmensführung. Richtig ist: Agile Methoden sind hilfreich, aber für sich alleine noch lange kein Erfolgsgarant. Der Grund: Die Teamdynamik hat immer den größeren Hebel. Gut, wer erkannt hat, dass agile Methoden nur so erfolgreich sind, wie die Teamdynamik das unterstützt. Stellt sich nur noch die Frage, was man tun kann, ja sogar muss, um die Teamdynamik zu verbessern, damit der Zauber „agil“ auch wirklich wirken kann.

Viele Organisationen orientieren sich zunehmend an agilen Entwicklungsprinzipien. Agile Methoden wie Kanban, Scrum, Scanban oder Design Thinking werden immer öfter eingesetzt. Sie erlauben es, Teams beweglicher zu machen, damit diese leistungsstärker agieren können. Auf der einen Seite die richtige Antwort auf Aufgabenstellungen, die immer komplexer und Arbeitsumgebungen, die immer volatiler werden. Auf der anderen Seite führt das aber auch immer wieder zu Enttäuschungen, weil diese neuen hippen Methoden kein Allheilmittel sind, um aus nicht oder durchschnittlich performenden Teams Hochleistungsteams zu machen. Sie sind nicht einmal eine Garantie dafür, dass ein Hochleistungsteam auch weiterhin außerordentlich performt. Das wäre genauso einfach gedacht, wie davon auszugehen, dass modernste Arbeitsmittel und gute Bezahlung schon für die nötige Motivation sorgen. Aber was braucht es wirklich, damit diese Methoden die Teamleistung zum Erblühen bringen?

Intensiver Austausch


Ein großer Vorteil dieser Methoden – richtig eingesetzt – ist, dass sich die Teammitglieder auf arbeitsbezogener Ebene z.B. in Stand-Up- und Retrospektive-Meetings intensiver austauschen können und sogar gefordert werden, Bedenken zu äußern. Das ist der wesentliche Impuls in Richtung stärkerer Informationsfluss, mehr Erfahrungsaustausch, zunehmende Kreativität und gemeinsames Lernen – die Schlüsselfaktoren für Problemlösefähigkeit im Wissenszeitalter.

Menschen siegen über Methoden


Agilität als Methodik basiert auf den Grundprinzipien der Verantwortlichkeit, der Teaminteraktion, der Zusammenarbeit mit Kunden und der Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen. Und schon wird klar, das Zünglein an der Waage sind nicht die Methoden, es sind die Menschen und deren Fähigkeit, in diesem neuen Rahmen zusammenzuarbeiten. Ungeachtet der Leistungs- und Ergebnisorientierung, sind wir Menschen soziale Wesen. Wir interagieren und werden dabei unbewusst von Emotionen und Wahrnehmungen berührt, die wiederum unsere Arbeit und damit auch das beabsichtigte Ergebnis beeinflussen. Wie erfolgreich der Einsatz der agilen Methoden ist, hängt am Ende nicht davon ab, wie perfekt sie angewandt werden, sondern ob die Teamdynamik das unterstützt. Folgende Gefahren lauern:

1. Kommunikationslücken


Als Menschen haben wir die große Gabe, zu kommunizieren, das heißt, unsere Gedanken differenziert in Worte zu fassen. Gleichzeitig unterliegen wir immer wieder dem Irrglauben, dass man uns verstehen müsse, auch ohne, dass wir etwas sagen, also dass unsere Sicht- oder Denkweise quasi selbstverständlich sei. Kommunikation dient dem Austausch von Informationen. Das scheint häufig nicht zu klappen. Geschätzt über 80 Prozent der Konflikte beruhen auf Missverständnissen und Fehlinterpretationen oder auf Informationen, die schlichtweg nicht geflossen sind. Ursachen liegen im unterschiedlichen Wortgebrauch und der persönlichen Auslegung. Für den einen kann „schnell“ bedeuten „sofort“, für den anderen „so schnell als es die Vorsicht zulässt“. Hinzu kommen bei internationalen und verteilten Teams Bedeutungsunterschiede bestimmter Wörter in verschiedenen Sprachen oder lokale Umgangsformen. Die deutsche Kultur wird als eher direkt angesehen, d. h. die Dinge werden beim Namen genannt. In vielen andere Kulturen spielt der Kontext eine wichtige Rolle. Das kann dazu führen, dass jemand Bedenken anmeldet, sie aber auf der anderen Seite nicht gehört werden, weil sie nicht ausdrücklich genug benannt wurden.

2. Unterschiedliche Perspektiven


Je komplexer die Aufgabenstellung desto diverser sollte das Team aufgestellt sein. Doch unterschiedliche Menschen legen auf unterschiedliche Dinge wert und bewerten Ergebnisse daher auch unterschiedlich. Das kann sich aus der Rolle ergeben: Während der Verkäufer mehr Wert auf den niedrigen Preis für den Kunden legt, möchte der Entwickler dem Kunden möglichst höchste Qualität bieten. Es kann aber auch an der Persönlichkeitsstruktur liegen: Für den einen zählt vor allem das Ergebnis, der andere sieht auch die unternommene Anstrengung. Entsprechend unterschiedlich wird das Feedback ausfallen. Sogar positiv gemeinte Kommentare können negativ aufgenommen werden, weil sie anders ausgedrückt werden, als man es selbst getan hätte.

3. Gegenseitige Abhängigkeit


Agile Methoden setzen auf Eigenverantwortung und erfordern starke Ichs. Schule und Bewertungssysteme in Unternehmen beurteilen die Einzelleistung stärker als die Gemeinschaftsleistung. Gleichzeitig müssen agile Teams akzeptieren, dass sie nur miteinander Ergebnisse erzielen können. Gerade wenn sie gegen kurze Sprintziele antreten, kann das zur großen Herausforderung werden.

Klassische zwischenmenschliche Spannungsfelder


Diese Gefahren sind sehr real, jedes Team ist davon betroffen. Es handelt sich um die klassischen zwischenmenschlichen Spannungsfelder, die sich mit dem Einsatz agiler Methoden nicht einfach in Luft auflösen. Der Ergebnisdruck jedoch, unter dem die Teams in der Regel stehen, macht es schwieriger denn je, diese weichen Themen zur Sprache zu bringen. Je agiler und leaner wir werden, desto weniger Raum scheint es dafür zu geben und umso unprofessioneller scheint es, sich überhaupt damit zu beschäftigen. So als müsse man zwanghaft nach einer strengen Professionalität streben, die menschliche Regungen unterdrückt oder ignoriert. Und das obwohl immer mehr Studien und erfolgreiche Unternehmensmodelle zeigen, dass Stimmungen und Emotionen eine entscheidende Rolle bei der Leistung spielen. Hinzu kommt, dass unsere Kommunikationsfähigkeit nicht besser, sondern eher schlechter wird. Es wird getextet statt gesprochen, und wenn wir miteinander reden, sitzt uns meistens die Zeit im Nacken. Wie leicht ist es da, Zwischentöne, Stimmungen und Nuancen zu übersehen – bewusst oder unbewusst.

Emotionen wahrnehmen und anerkennen


Es ist wichtig, dass Organisationen diese Tatsache erkennen, akzeptieren und einen Rahmen schaffen, in dem individuelle Stimmungseinflüsse auf das Team als Ganzes bewältigt werden können. Wichtig zu wissen: Während Emotionen lange andauern, sind Stimmungen eher flüchtig. Wenn die Atmosphäre des Teams verbunden, unterstützend und förderlich ist, ist es unwahrscheinlich, dass sich die negative Stimmung eines Einzelnen negativ auf das Team als Ganzes auswirkt. Umgekehrt würde jede einzelne positive Stimmung die Teamdynamik weiter und weiter aufhellen. Umso wichtiger ist es, in ein stabiles Teamklima zu investieren.

Echte Teamdynamik


Das agile Team muss in der Lage sein, sich auch auf der Beziehungsebene selbst zu steuern. Auf dem Weg von der agilen Methode zum agilen WIR steht an erster Stelle eine Bestandsaufnahme, die die Diversität der Teammitglieder im Hinblick auf Kommunikation, Werte und Arbeitsstil erfasst und die daraus entstehende Teamdynamik sichtbar macht. Transparenz, Verständlichkeit und Wertfreiheit sind bei der Auswahl und Einführung des Instrumentes deshalb sehr wichtig. Wird das beachtet, erleben alle Teammitglieder gleichermaßen, dass ihre persönlichen Sichtweisen willkommen sind und ihre individuellen Bedürfnisse ernst genommen werden. Toleranz und Wertschätzung für Andersartigkeit wachsen. Gleichzeitig entwickelt das Team eine gemeinsame Sprache, die es ermöglicht, Teamdynamiken vorwurfsfrei anzusprechen und zu hinterfragen. Daraus wiederum entsteht psychologische Sicherheit. Das ist der Glaube, dass man nicht bestraft oder bloßgestellt wird, wenn man Ideen, Fragen, Bedenken oder Fehler anspricht. Es ist übrigens belegt, dass das Teamergebnis mit dem Maß an psychologischer Sicherheit, welche die Teammitglieder empfinden, steht und fällt. Existiert dieses Vertrauen nicht, stellen Teammitglieder Ergebnisse anderer nicht infrage und halten ihre Ideen aus Angst vor Zurückweisung der anderen Teammitglieder zurück. Und damit sind dann auch Stand-Up- und Retrospektive-Meetings wertlos.

Wesentlich bei der Transformation zum agilen Team ist die Entwicklung eines WIR-Mindsets. Das bedeutet, miteinander gut zu funktionieren, ohne das ICH aufzugeben. Abgesehen von der technischen Expertise, erfordert Agilität Menschen, die daran glauben, dass Zusammenarbeit grundsätzlich wertvoller ist als Einzelanstrengung und danach handeln, um letztendlich als WIR und als Einzelner erfolgreicher zu sein. Genau so kann AGIL seine Zauberkraft entfalten. Nachdem wir ja wissen, dass Kommunikation ein ganz entscheidender Faktor dabei ist, passt auch der bekannte Zauberspruch Abrakadabra bestens – Hebräisch bedeutet abra ke dabra nämlich so viel wie „ich werde erschaffen, wie ich sprechen werde“. Auf viele magische Momente im agilen Team!