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Museum darf notfalls Kunstwerk zerstören

Die Vernichtung eines Kunstwerks ist nicht banal. Zumindest rechtlich betrachtet. Wie ist das rechtlich zu bewerten?
Timo Schutt | 06.03.2019
Die Vernichtung eines Kunstwerks ist nicht banal. Zumindest rechtlich betrachtet. Bei einigen Kunstwerken ist man geneigt, die Vernichtung sogar zu fordern und gutzuheißen. Aber das führt zu weit. Hier geht es aber unter anderem – man höre und staune – um ein Loch. Aber nicht irgendein Loch, sondern ein künstlerisches Loch. Hier um das „Mannheimer Loch“.

Hier soll es ausschließlich um die rechtliche Frage gehen: Darf ein Museum ein Kunstwerk entfernen (und vernichten)?

Was war passiert?

Die Klägerin ist Künstlerin, die Beklagte betreibt die Kunsthalle Mannheim.

Gegenstand des Verfahrens ist die von der Künstlerin im Auftrag der Kunsthalle für den Athene-Trakt der Kunsthalle erschaffene multimediale und multidimensionale Rauminstallation "HHole (for Mannheim)". Die Installation umfasst verschiedene Teile auf allen sieben Gebäudeebenen des Trakts, die durch Öffnungen in den Geschossdecken miteinander verbunden sind. Im Jahr 2012 beschloss die Beklagte, den Athene-Trakt im Zuge der Neuerrichtung eines anderen Gebäudeteils weitgehend zu entkernen sowie einige Geschossdecken und das bisherige Dach abzubauen. Die Beklagte plant, das Werk im Zuge der Umbaumaßnahmen zu beseitigen. Inzwischen sind unter anderem die Geschossdecken in dem Trakt entfernt worden.

Gegenstand eines zweiten Verfahrens mit denselben Beteiligten (siehe oben) ist eine von der Künstlerin im Auftrag der Kunsthalle für den Dach- und Kuppelbereich des Billing-Baus der Kunsthalle Mannheim ab dem Jahr 2006 erschaffene Lichtinstallation "PHaradies". Ab dem Jahr 2010 ließ die Beklagte das Dach des Billing-Baus sanieren und im Zuge dieser Maßnahmen wurden spätestens 2013 sämtliche Bestandteile der Lichtinstallation entfernt und nicht wieder aufgebaut.

Die Künstlerin sieht in der Entfernung der Installationen eine Verletzung ihres Urheberrechts.

Wie ist es ausgegangen?

Das Landgericht hat die Kunsthalle im ersten Verfahren zur Zahlung einer Vergütung von 66.000 € unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt. Im zweiten Verfahren hat das Landgericht die Klage vollständig abgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufungen der Künstlerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Kunsthalle hin die Klage im ersten Verfahren auch hinsichtlich des vom Landgericht zugesprochenen Vergütungsanspruchs abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat nun das angegriffene Urteil auf die Revision der Künstlerin hin aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht ihren Klageantrag auf Zahlung einer Vergütung bis zur Höhe von 66.000 € zurückgewiesen hat, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof die Revision zurückgewiesen. Im zweiten Verfahren hat der Bundesgerichtshof die Revision der Künstlerin zurückgewiesen.

Die von der Künstlerin in beiden Verfahren hinsichtlich der Beseitigung der Installationen nach § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG geltend gemachten Ansprüche bestehen laut BGH nicht, weil die Vernichtung der Werke rechtmäßig ist. Die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werks stellt eine "andere Beeinträchtigung" im Sinne des § 14 UrhG dar. Bei der Prüfung, ob die Vernichtung geeignet ist, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, ist eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werks vorzunehmen.

Bei der Interessenabwägung ist auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren. Ferner ist zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient.

Auf Seiten des Eigentümers können, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein.

Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt. Das Oberlandesgericht hat danach rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Interesse der Beklagten an der Beseitigung der Installationen gegenüber dem Erhaltungsinteresse der Klägerin Vorrang hat. Die geltend gemachten Ansprüche sind auch auf vertraglicher Grundlage nicht gegeben.

(BGH, Urteil vom 21.2.2019 - I ZR 98/17 u.a. / Quelle: PM des Bundesgerichtshofs)

Unsere Meinung

Ein künstlerisches Werk darf nicht so ohne weiteres beeinträchtigt oder gar zerstört werden. Schon die bloße Entstellung ist verboten, was bspw. dann der Fall ist, wenn ein Kunstwerk „bearbeitet“ wird im Sinne der Änderung der ursprünglichen Aussage der Kunst.

Jedenfalls muss immer eine sorgfältige Abwägung erfolgen. Zwischen den Interessen des Künstlers und dem, der das Kunstwerk „beeinträchtigen“ will. Dasselbe gilt übrigens auch für Bauwerke an sich, die unter Umständen auch selbst urheberrechtlich geschützt sein können.

Diese Abwägung hat hier das Gericht vorgenommen und gesagt, dass das Interesse an der Nutzungsänderung oder Änderung der Bebauung selbst durch das Museum in der Regel schwerer wiegt, als das Interesse des Künstlers am Erhalt der Kunst.

Dieses Ergebnis ist aber eben nicht zwingend, sondern kann im Einzelfall durch Abwägung auch anders ausfallen. Es sollte also immer vorab geprüft werden, ob man die geplante Maßnahme durchführen darf oder nicht.

Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht
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