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Slow Work - Wofür und Warum?

Leben ist nicht mit starren Arbeitskonzepten vereinbar! Leben verlangt eine Transformation des Leistungsbegriffs! Entschleunigen Sie: Slow Work!
Ulrike Reiche | 27.01.2020
Slow Work - Wofür und Warum? © Pixabay / engin akyurt
 

Nach welchem Motto arbeiten wir? Etwa: „Wer sich nicht bewegt, hat schon verloren!“ Oder „wer lacht, hat noch Reserven!“ „Arbeit ist doch kein Kaffeekränzchen! Und beim Sozialamt sind wir auch nicht!“ Denn: „Leistung muss sich schließlich lohnen!“ So oder ähnlich ist der Leistungsbegriff geprägt.

Wenn wir nicht beim Sozialamt sind, wo sind wir denn dann? Wir neigen dazu, den Begriff „Leistung“ naturwissenschaftlich zu betrachten, ähnlich wie in der Physik: Leistung ist die in einem Zeitraum umgesetzte Energie mit einem bestimmten Ergebnis. Wenn sich die Anerkennung für Leistung allein auf das Überweisen des Gehaltes beschränkt, wird der Mensch wie eine physikalische Messgröße behandelt.
So eine formale Vertragserfüllung seitens des Arbeitgebers ist ja gut und schön. Nur: den meisten Menschen reicht das nicht. Sie wollen Wahrgenommen werden und Anerkennung erfahren. Sie möchten wissen, warum sie das eine machen oder das andere lassen sollten.

Die Fragen nach dem WOFÜR und WARUM

Menschen sind keine Maschinen. Schlimmer noch: Wir stellen die Sinnfrage. Die Frage nach dem Warum und dem Wofür. Wir wollen verstehen, was wir tun (sollen).

Auf die Frage „Wofür arbeiten Sie eigentlich?“, gab eine  meiner Klientinnen folgende Antwort.: „Damit reiche Männer noch reicher werden?“ Prost Mahlzeit! Wenn das die einzige Antwort ist, die Beschäftigten noch einfällt, dann sind scheinbar nicht nur der Sinn und Zweck abhandengekommen.
Über den Sinn und Zweck unserer Arbeit nachzudenken, ist ja an sich nichts Neues. Neu ist vielleicht, dass wir in Zeiten der digitalen Transformation bewusster darüber nachdenken. Und nicht selten besinnen wir uns auf alt Bewährtes: „Wirtschaft soll dem Menschen dienen – und nicht umgekehrt.“
Denn ein Unternehmen ist nicht nur eine Veranstaltung zur Profitmaximierung, sondern hat auch einen gesellschaftlich relevanten Beitrag zu leisten – sonst ergibt es gar keinen Sinn, gemeinsam etwas zu unternehmen!“ Und diese Aussage stammt nicht aus einem „linkssozialistischem“ Parteiprogramm. Sie stand im vergangenem Jahr im Mitgliedermagazin eines Mittelstand-Verbandes.

Die Sinnfrage

Stellen Sie im Kollegenkreis einmal die Sinnfrage: „Was ist dein Warum? Wozu tust du das, was du tust?“ Die Antworten werden sehr vielfältig sein. Und wenn Sie die Frage nach dem Sinn und Zweck des Unternehmens stellen in dem sie arbeiten, wird sich die Antwort auf ratloses Schweigen beschränken.
Meist taucht die Sinnfrage im Leben immer dann auf, wenn es einen Weckruf des Lebens gegeben hat. Weckrufe sind drastische Einschläge, die unser Leben drastisch verändern. Beispielsweise wie die Finanzkrise  oder auf persönlicher Ebene etwa Krankheit, ein plötzlicher Todesfall, die eigene Lebenskrise.  Immer dann, wenn wir mit der Endlichkeit der Existenz konfrontiert werden, wird uns bewusst: die Zeit läuft langsam aber unaufhörlich ab!
Dann stellt sich die Frage: Was würde ich tun, wenn alles zusammenbricht? Es ist eine Frage nach der Lebensqualität, und immer mehr Menschen beantworten sie folgendermaßen: „Mir ist im Zweifel die Zeit wichtiger als das Geld.“

Womans Only?

Seit den 1990er-Jahren gibt es eine Tendenz zum Downshifting. Denken Sie an die Vorruhestandsregelungen in den 2000er-Jahren, die viele Mitarbeiter nur zu gern in Anspruch nahmen. Doch dieses Downshifting gibt es nicht nur am Ende des Erwerbslebens. Der Wunsch nach Teilzeit und Homeoffice wird vermehrt von der jüngeren Generation geäußert. Nicht immer ist die Familiengründung der Anlass dafür, dass Menschen nach dem Motto leben  „Zeit ist die neue Währung“.
Gesellschaftlich reduzieren wir die Teilzeitfrage auf Mütter und die Kinderphase. Das ist viel zu kurz gegriffen, denken Sie an die Pflege kranker Familienangehöriger, an Erkrankungen des Mitarbeiters selbst, an Fortbildungen wie z.B. dem Besuch eines Meisterkurses. Es gibt viele Gründe für den Wunsch nach Teilzeit, Homeoffice oder flexiblen Arbeitszeitmodellen.
Unternehmen werden sich zwangsläufig von starren Zeitstrukturen und der allgegenwärtigen Präsenzkultur verabschieden müssen. Denn so wenig wie wir uns vom digitalen Fortschritt abkoppeln können, so wenig können sich Arbeitgeber von gesellschaftlichen Entwicklungen abkoppeln. Oder anders gesagt: Digitalisierung ist eben nicht irgendein technisches Dingsbums sondern Teil und Treiber des gesellschaftlichen Wandels.

Unternehmen müssen Arbeiten ermöglichen

Es geht keineswegs darum, den Mitarbeitern alles recht zu machen, sondern das Arbeiten überhaupt erst möglich zu machen!“
Der Quantenphysiker und Nobelpreisträger Hans-Peter Dürr sagt dazu:
“Intelligente Energieerzeugung und Energienutzung bedeutet, die Qualitätseigenschaft der Energie bestmöglich zu nutzen.“
Wenn wir diesen Gedanken auf die berufliche Welt übertragen, dann müssen wir uns die Frage nach der Leistungsqualität stellen und weniger nach der absolvierten Arbeits- (Anwesendheits-)zeit ! Die Frage aller Fragen lautet: Unter welchen Bedingungen bringen wir die bestmögliche Leistung?
Einem meiner Kunden ist es durch Business-Automation gelungen, die Abläufe in seinem Unternehmen derart zu optimieren, dass er selbst und seine Mitarbeiter die Arbeitszeit auf 6 Stunden täglich reduzieren können – ohne Einbuße an Service, Leistungsumfang und Gehalt! Digitalisierung ist nicht nur ein Schreckgespenst. Vielleicht kann sie auch derart positive Effekte in Ihrem Umfeld/Unternehmen entfalten!
Eine tägliche Arbeitszeit von 6 Stunden ist die Zeitspanne, in der Menschen produktiv und effizient sind. Das belegen zahlreiche arbeitswissenschaftliche Studien, aktuell gibt es viele Modellversuche, auch hierzulande, mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. In Summe lässt sich aber feststellen, dass jedes Mehr an Arbeitszeit zulasten der Arbeitsqualität und Leistungsfähigkeit geht. Dazu kommt: wenn nur 6  Stunden gearbeitet wird, sind arbeitszeit-rechtlich keine Pausen nötig! Wir arbeiten effizient am Stück durch! Und das auch noch unter Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen. Unglaublich, oder?
Noch etwas: Homeoffice & Mobiles Arbeiten sind kein Allheilmittel. Es sind Chancen! Ob dem tatsächlich so ist, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Aber es birgt auch Gefahren. Der fehlende Rhythmus der Stechuhr führt nicht allzu selten dazu, dass die Arbeitszeit entgrenzt.
Erinnern Sie sich an die Finanzkrise 2007/2008? Damals konnte man durch Kurzarbeit und Jahreszeitkonten eine saisonale Beschäftigung erreichen und viele Arbeitsplätze retten. Diese existenziell bedrohliche Situation hat vorübergehend eine Flexibilität ermöglicht, von der viele Beschäftigte und Unternehmen heutzutage träumen. Stattdessen werden Teilzeit-Regelungen und Homeoffice häufig noch rundweg abgelehnt und als karrierehemmend eingestuft. Brauchen wir wirklich erst wieder eine Wirtschaftskrise, um uns zu bewegen?

Wir brauchen einen neuen Leistungsbegriff

Leistung ist letztendlich eine Frage der Bewertung. Inwieweit sind wir bereit, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen sich die Beschäftigten bewegen, einzukalkulieren und zu akzeptieren?
Eine Unterscheidung zwischen beruflich und privat, zwischen früh oder spät ist nicht zielführend. Familie, Arbeit, Freizeit müssen zahnradmäßig ineinander greifen.
Um es mit dem Physiker Hans-Peter Dürr zu sagen „Weil es ums Ganze geht – die Dinge hängen alle miteinander zusammen. Ob nun digital oder anlalog.“
Slow Work heißt deshalb eben nicht 9 to 5. Es heißt auch nicht Hängematte oder Kaffeeecke. Oder Dauerurlaub unter Palmen.
Slow Work heißt sinnvolles arbeiten in meinem Tempo unter Beachtung aller Ressourcen und Restriktionen – so  selbstbestimmt wie möglich. Erst dadurch wird es möglich, die Arbeitskraft möglichst effizient zu nutzen – bei gleichzeitig geringstmöglichen Arbeitskrafteinsatz. Slow Work stoppt die Arbeitskraftverschwendung.

Lebensumstände ändern sich im Laufe des Lebens

Ehen werden geschlossen, Kinder werden geboren, sie werden größer, kommen in die Schule, gehen eigene Wege, der Partner nimmt einen Job in einer anderen Stadt an und wir ziehen um, Ehen werden geschieden, Lebensmodelle ändern sich, die alten Eltern werden pflegebedürftig, man erkrankt selbst ... um nur mal ein paar gängige Dinge aufzuzählen. Das ist Leben! Nichts anderes. Und dem müssen Gesellschaft, Politik und Unternehmen begegnen! Jeden einzelnen Tag!

Leben ist nicht mit starren Arbeitskonzepten vereinbar! Leben verlangt eine Transformation des Leistungsbegriffs! Entschleunigen Sie: Slow Work!

 

Neues Buch: Slow Work - Slow Life

1. Auflage 2019
192 Seiten
ISBN: 9783869804446
Buch  24,95 €
ISBN : 9783869804446
PDF-EBook  19,95 €
ISBN : 9783869804453