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Was Kunden wollen: Self-Service oder menschliche Note?

Um mit Herstellern oder Dienstleistern in Kontakt zu treten, nutzen Kunden unterschiedliche Kanäle. Dabei haben sie oft verschiedene Ansprüche.
Thore Babin-Ebell | 06.04.2020
Was Kunden wollen: Self-Service oder menschliche Note? © Pixabay
 

Wenn Kunden sich an den Kundenservice eines Unternehmens wenden möchten, haben sie heutzutage zwei Möglichkeiten. Auf der einen Seite können sie sich telefonisch oder auch schriftlich an einen menschlichen Servicemitarbeiter wenden. Auf der anderen Seite haben sie zunehmend die Möglichkeit, sich an einen Chatbot zu wenden, der auf Basis der jeweiligen Anfrage gezielt durch einen Fragenkatalog führt. Seit einigen Jahren erfreut sich diese Methode einer wachsenden Beliebtheit. Gleichzeitig wird es jedoch zunehmend schwieriger für Nutzer, zu unterscheiden, ob sie es in einem Chat mit einem Menschen oder einer künstlichen Intelligenz zu tun haben. Überhaupt lässt der zunehmende Einsatz von KI innerhalb des Contact Centers die Grenzen zwischen den zwei Ansätzen zunehmend verschwimmen.

 

Dies hat zur Folge, dass menschliche Agenten bei immer weniger Routinekäufen und -anfragen mit einbezogen werden müssen. Untermalt wird diese Erkenntnis durch die Ergebnisse des CX Transformation Benchmark 2019. Dieser zeigt, dass Kunden dem Einsatz Künstlicher Intelligenz immer positiver gegenüberstehen. Immer mehr Menschen nutzen Chatbots und automatisierte Assistenten (34 Prozent gegenüber 25 Prozent im Jahr 2018). Diese wachsende Nutzergruppe ist sich einig, dass sich mithilfe der Technologie ihre Probleme schneller lösen und Fragen schneller beantworten lassen.

 

Dazu wird die Künstliche Intelligenz immer besser. Maschinelles Lernen und neue Entwicklungen lassen die Systeme immer smarter werden. Und mit zunehmender Intelligenz wird auch die Breite der Anwendungsfälle weiter zunehmen. Agenten werden so künftig immer weiter entlastet werden, sodass sie sich auf jene Fälle konzentrieren können, bei denen menschliches Urteilsvermögen und Empathie gefordert sind. Doch brauchen Servicemitarbeiter dabei nicht um ihren Job fürchten. Wie der Benchmark zeigt, werden 46 Prozent der Verbraucher, die ihre Customer Journey mit einer KI beginnen, ab irgendeinem Punkt an einen Live-Agenten weitergeleitet.

Von der KI zum Menschen – ein fließender Übergang

Aber sieht das nicht nach „Selbstbedienung" aus? Für den Kunden eher nicht. Für sie fühlt es sich nicht so an, als würden sie die Arbeit selbst erledigen, da der direkte Kontakt zum Kundenservice besteht und dieser „gefühlt“ direkt reagiert. Ihnen wird schnell geholfen, wobei Sie möglicherweise nicht einmal sagen könnten, ob sie gerade mit einem Bot oder einem Menschen interagiert haben. Dies ist den intrinsischen prädiktiven Analysen zu verdanken, die einen hochpersonalisierten und proaktiven Austausch kreieren. Für den Kunden steht an erster Stelle, dass ihm geholfen wurde und sein Problem gelöst wurde. Denn gerade aus einer psychologischen Perspektive wird es so für sie einfacher zu vergessen, dass sie es möglicherweise gar nicht mit einem Menschen zu tun hatten. Gleichzeitig haben jüngere Generationen von Verbrauchern, die bereits mit sprachaktivierten Smart-Home-Geräten und virtuellen Assistenten vertraut sind, deutlich weniger Berührungsängste.


Sollten Kunden jedoch zu den oben genannten 50 Prozent gehören, die dennoch die Hilfe eines menschlichen Agenten benötigen, sollte die Kundenerfahrung dadurch nicht beeinträchtigt werden. Umfassende Kundenverwaltungssysteme liefern den Agenten hierfür alle nötigen Informationen. Diese umfassen die ursprüngliche Kundenanfrage inklusive des vollständigen Kontextes sowie eine Übersicht über den bisherigen Interaktions-Verlauf. Außerdem werden sie automatisch durch fortlaufende KI-Eingaben um die Antworten dieses Agenten ergänzt. Die KI unterstützt den Menschen, indem sie Just-in-Time-Zusatzinformationen bereitstellt. Diese generieren sich aus der Erkennung von Schlüsselwörtern und -phrasen im Gespräch sowie durch Einblicke in frühere Interaktionen und die bisherige Customer Journey. Dadurch steht der Servicemitarbeiter weniger unter Druck, den Anruf schnell abzuwickeln. Es geht vielmehr darum, zuzuhören, sich in den Kunden hineinzuversetzen und jene mit ungewöhnlichen Beschwerden oder Anfragen eine einzigartige und hilfreiche Unterstützung zu bieten.

Neue Generation, neue Kundenbedürfnisse

Unternehmen müssen zudem in der Lage sein, diese Customer Experience über verschiedene Kanäle hinweg anzubieten. Mit einer wachsenden Kundengruppe der Digital Natives verschieben sich die Hauptanlaufpunkte für Kundenanfragen immer mehr ins Digitale. Ihre Gewohnheiten unterscheiden sich von denen früherer Generationen, und sie erwarten, dass Unternehmen Omnichannel-Erlebnisse mit einem „Digital First“ Ansatz bieten. Gleichzeitig sind ca. 65 Prozent von ihnen bereit, für einen besseren Kundenservice, der ihren hohen Standards entspricht, mehr zu zahlen.

 

Zwei Kommunikationskanäle, die hierbei besonders stark an Zuspruch gewonnen haben, sind zum einen sogenannte private Social Messaging Apps wie WhatsApp, WeChat, Line, Snapchat, Privatnachrichten über Facebook, Twitter und Instagram, zum anderen SMS-Textinteraktionen. Fast vier von zehn Verbrauchern haben in der Vergangenheit eine Social Messaging App für den Kundenservice verwendet. Die Nachfrage insbesondere bei jüngeren Verbrauchern steigt stetig. So nutzen beispielsweise Millennials (59 Prozent) und Generation Z (58 Prozent) diesen Kanal vergleichsweise deutlich häufiger als ältere Generationen. Nur 38 Prozent der Gen X, 19 Prozent der Baby Boomer und 16 Prozent der Silent Generation nutzten dem Benchmark zufolge die Messaging Apps.

Menschliche Servicemitarbeiter immer noch Vorreiter im Kundenkontakt

Obwohl viele Unternehmen zu Recht weiter in digitale Kanäle investieren, dominiert der Kontakt mit menschlichen Servicemitarbeitern auch weiterhin die Welt des Kundendienstes. Insgesamt zwei Drittel (66 Prozent) der Interaktionen in den letzten zwölf Monaten wurden von Agenten unterstützt, wobei das Telefon immer noch der am häufigsten genutzte Kontaktpunkt ist.

 

Fast die Hälfte (47 Prozent) der Verbraucher griff bei Fragen oder Problemen zum Telefon, gefolgt von E-Mail (32 Prozent) und Online-Chat (22 Prozent). Tatsächlich hat sich die Nutzung dieser Kanäle weltweit seit 2018 vergleichsweise wenig verändert. Sie sind auch weiterhin die führenden Kontaktpunkte bei Kundenzufriedenheit und -präferenz. Dies beweist einmal mehr, wie wichtig die menschliche Note im Kundenservice ist.

 

Unterstrichen wird dies durch die Tatsache, dass Verbraucher, die ihre Customer Journey mit einer KI beginnen, in 46 Prozent der Fälle zu einem Live-Agenten wechseln. Im Vergleich dazu enden 73 Prozent der Fälle, bei denen sich ein Kunde direkt an einen Servicemitarbeiter gewandt hat, auch mit einem menschlichen Agenten. Daraus lässt sich schließen, dass bei der Lösung eines Kundenproblems der Servicemitarbeiter immer noch effektiver ist als die KI. Entsprechend ist es nicht weiter verwunderlich, dass 91 Prozent aller Verbraucher – selbst im heutigen digitalen Zeitalter – einen menschlichen Agenten bevorzugen.

Die Zukunft liegt in der Cloud


Die Zukunft des Kundenkontaktes liegt in einem kombinierten Ansatz, der auf die Präferenzen der verschiedenen Kundentypen und -generationen eingeht und so ein reibungsloses Kundenerlebnis ohne große Verzögerungen bietet. Dabei variieren jedoch die Einführungszeiten entsprechender Technologien zwischen den jeweiligen Unternehmen stark. Denn obwohl 80 Prozent der Unternehmen bereits irgendeine Form von KI nutzen, können noch immer viel zu wenige ihre Vorteile vollständig für sich nutzen. Hier kann die Implementierung einer einheitlichen Cloud-Plattform für die Customer Experience helfen. Sie ermöglicht es Unternehmen umfassende KI-Funktionalitäten subtil und diskret zu integrieren und ihre Potenziale sowohl im digitalen als auch im Kundenkontakt mit Servicemitarbeitern voll auszuschöpfen.