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Targeting: Neue Ansätze und Methoden

Die Krise zwingt zum Umdenken. Konsumbedürfnisse verändern sich. Wie navigiert man jetzt am geschicktesten seine Botschaft zur Zielgruppe?
Anna Schenk | 02.06.2020
Targeting in Zeiten der Krise © Freepik / Waewkidja
 

Marken sollen und wollen auch in Zeiten der Krise werben. Zwar schrumpfen die Budgets als Konsequenz von Umsatzeinbußen, doch nicht nur deshalb fahren Werbetreibende ihre Aktivitäten vor allem im Bereich Performance herunter. Auch die Frage, wie man derzeit in passenden Umfeldern mit zielgruppengerechten Botschaften stattfinden kann, beschäftigt Werbeplaner. Dabei ist bei den aktuellen TKP-Preisen gerade das programmatische Inventar noch immer relativ budget-freundlich im Angebot. Und auch wenn die Corona-Krise nun relativ weit fortgeschritten ist und sich vieles langsam wieder auf einen normalisierten Weg zu begeben scheint, sind die letzten Wochen beispielhaft, um für die Zukunft zu lernen. Die Nachwehen der ersten Welle und die „neue Realität“ werden uns sicher noch lange beschäftigen. Wie navigiert man in der Krise seine Botschaft zur Zielgruppe?

Vorne weg: Zunächst gilt es eine Brand-Safety-Strategie aufzusetzen, denn mehr denn je bleibt es von Bedeutung, sensibel zu kommunizieren. Botschaften müssen angepasst und Umfelder sehr genau ausgewählt werden, um in keinem negativen Kontext aufzutauchen. Die Krux dabei – das Wort Corona ist auch im digitalen Raum so omnipräsent, dass ein reines Keyword-Blacklisting nahezu alle Seiten für die Ausspielung sperren würde. Die Krise derzeit zeigt, dass ein zu radikales Blocken bestimmter Worte an seine Grenzen kommt. Dem Inhalt einen Sinn und Kontext zu geben ist entscheidend, um den Brand Fit zu garantieren und passender Umfelder zu nutzen.

Veränderte Konsumbedürfnisse identifizieren

Wenn diese Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet sind, müssen Marken sich im nächsten Schritt damit beschäftigen, welche Zielgruppe sie mit welcher Botschaft in der aktuellen Situation ansprechen können. Es gilt, veränderte Konsumbedürfnisse zu identifizieren, um diese beiden Aspekte neu definieren zu können. Möglicherweise sind im Zuge der Corona-Situation ganz neue Zielgruppen relevant geworden, während das bisherige Zielpublikum derzeit eine geringere Bedeutung hat oder mit einer anderen Botschaft angesprochen werden muss. Was heißt das zum Beispiel im Falle eines Online-Retailers mit einem breiten Produktangebot konkret? Es steigen neue Konsumenten in den Markt ein, die zuvor kein Interesse an Online-Shopping hatten. Diese müssen neu identifiziert und ihre Vorlieben erfasst werden. Daneben verändert sich momentan das Produktinteresse – und das betrifft dann auch bestehende Zielgruppen.

 

Betrachte ich Veränderungen in unserem eigenen Kundenumfeld, sehe ich, dass zum Beispiel Modehändler ihre Strategie anpassen. Würde jahreszeitlich und der Erfahrung nach derzeit ein Fokus auf die Sommerkollektion gelegt werden, passen Marketingverantwortlichen ihr beworbenes Angebot den aktuellen Bedürfnissen an und setzen zum Beispiel verstärkt auf das Thema Sport und Sportbekleidung. Dabei rücken sie Zielgruppen und Umfelder zum Thema „Sport zu Hause“ in den Vordergrund und bieten Vorteilsangebote für die veränderten oder neuen Zielgruppen.

Neue Themen und Interessen verändern Targetingprofile

Neben der Zielgruppe muss also auch das veränderte Nutzerverhalten aufgefangen und in eine neue Targetingstrategie implementiert werden, mit der man die neu-identifizierten Zielgruppen erreicht, sei es über ein profilbasiertes- oder ein kontextuelles Targeting. Wir alle erleben im Zuge der Pandemie, dass sich Lebenssituationen verändern und andere Themen an Bedeutung gewinnen, fast alle stehen im Zusammenhang mit Corona. Nicht nur, dass das Thema über alle Inhalte hinweg eine Rolle spielt – es ergeben sich durch die äußeren Umstände auch neue Interessensgebiete, die Nutzer verfolgen. Themen wie Home Schooling, schnelleres Internet, aber auch Unterhaltungstipps oder eben Workouts für zu Hause sind gefragt und äußern sich durch hohe Informationssuche im Netz. Die Spuren, die Corona in den Nutzerprofilen hinterlässt, sind breit. Andere Themen schieben sich an den Rand, auch weil sich das Konsumverhalten in der Krise verändert. Das belegt eine aktuelle Studie von McKinsey und Jung von Matt. Für Nutzerprofilierung und Targeting besteht die Gefahr, dass sich Profile verfälschen, weil die Omnipräsenz von Corona auf allen besuchten Seiten das tatsächliche Interesse der Nutzer schwer filterbar macht.

Relevanz durch Kontext erkennen

Mit entsprechenden Technologien, die in der Lage sind, aus dem Kontext das Relevante vom Irrelevanten zu trennen, ist es möglich, auch abseits der „Corona-Welle“ Themen und daraus resultierend Interessen zu identifizieren. Hier müssen derzeit auch Unternehmen strategisch neu ansetzen und überlegen, welche Inhalte und Themen in Verbindung mit ihrem Angebot in der aktuellen Zeit wichtig sind und wie sie das positiv vermarkten können.

Wie unterscheidet man aber relevant von irrelevant – oder quasi „Corona von Corona“?  Denn nicht immer geht es im Kern auch tatsächlich um Corona, wenn das Wort auf einer Seite erscheint. Ein Beispiel: Ein Onlineshop für Gartenbedarf blendet aktuell Service-Informationen im Zusammenhang mit Corona ein, z.B. verzögerte Lieferzeiten für den Versand von Blumen. Für das Targeting ist an dieser Stelle wichtig, dass die zu Grunde liegende Technologie in der Lage ist, die Bedeutung und den Kontext von Corona hier zu identifizieren und den Zusammenhang mit dem Suchinteresse richtig einzuordnen, z.B. indem es erkennt, dass es um die Produkte Blumenzwiebeln und deren Aussaat ging und Corona im Nutzerinteresse hier keine Gewichtung erfährt. Das führt am Ende zu einer sauberen Nutzerprofilierung, die im Targeting zu zielführenden Ergebnissen führt und die richtige Ansprache mit dem passenden Werbemittel erlaubt.

Die Corona-Krise legt auch der Werbebranche Notwendigkeit zur Veränderung offen, Keyword-Targeting hat seine Grenzen. Die Schnelligkeit, mit der Kampagnen gestoppt werden mussten, zeigt, dass es zusätzliche Mechanismen braucht, um Zielgruppen und akute Bedürfnisse zu identifizieren und zielgenau anzusprechen.  Wie auch in der alltäglichen zwischenmenschlichen Kommunikation, hilft eine kontextuelle und semantische Analyse von Inhalten, die sicherstellt, dass ein Rezipient die richtige Botschaft erhält. Und: Was jetzt kurzfristig in der Krise gilt, nämlich den Verbraucher in den Mittelpunkt zu schieben, sollte sich auch nach Corona zur langfristigen Strategie entwickeln.