Remote is the new normal
Die deutschen Hotels dürfen wieder Gäste beherbergen. Im Tourismus freut man sich über Nachholeffekte. Bei den Business-Hotels dagegen weiß keiner, wie es weiter geht. Und mittendrin in diesem Dilemma: der Hotelvermittler HRS.
Alexandra Barth ist sich sicher: „Das Thema Office im Hotel wird uns erhalten bleiben“. Für die Marketingleiterin des Kölner Hotelvermittlers HRS ist das These und Hoffnung zugleich. In den letzten Jahren hat sich HRS immer stärker zum Partner für Geschäftsreisende entwickelt, auch deshalb, weil der Konkurrenzdruck in der Tourismussparte immer heftiger wurde. Angesichts der Corona-Krise stellt sich nun allerdings die Frage: Wie gehen Unternehmen künftig mit dem Thema Geschäftsreisen um und wann wird ein Mitarbeiter auf eine Tagung geschickt oder lieber in den Video-Konferenzraum.
Twitter macht es vor
„Wir können das Essen, das wir heute nicht verkaufen, morgen nicht nachholen“, klagt Sternekoch Alexander Herrmann in der Fernsehsendung „Hart aber Fair“. Sein Kollege Stefan Marquard hofft aber, dass die Menschen in Corona-Zeiten einen Mangel an Luxus und Unterhaltung verspürt haben, der sie doch dazu bringt, in den kommenden Wochen überdurchschnittlich häufig zu seinen Koch-Events oder in seine Workshops zu kommen. „Da geht es um viel mehr als Essen“, sagte Marquard im Rahmen eines ThinkTanks, bei dem sich Experten Gedanken um die Zukunft der Hotellerie und Gastronomie machen.
Was für Vergnügen im Privatleben gilt, gilt aber noch lange nicht für Geschäftsreisen. „Unsere Umfragen zeigen ganz klar, dass die meisten unserer Kunden die Geschäftsreise eher als notwendig statt als Vergnügen einstufen“, weiß Alexandra Barth. Wenn aber die Reisenden keine starke Eigenmotivation mitbringen und gleichzeitig die Unternehmen um deren Sicherheit besorgt sind und Kosten sparen müssen, dann könnten Geschäftsreisen halt ersatzlos gestrichen werden.
„Das Beispiel von Twitter ist ein Warnschuss für die ganze Branche“, sagt Barth. Der Nachrichtendienst hat seinen Mitarbeitern das dienstliche Reisen grundsätzlich untersagt. Alles, was machbar ist, soll über Videokonferenzen abgebildet werden. Die potentielle Ausnahme unterliegt einer Einzelfallprüfung.
Alle Unternehmen haben in den letzten drei Monaten gelernt zu unterscheiden. Zur reinen Wissensvermittlung muss keiner mehr auf eine Konferenz fahren. Das funktioniert prächtig über das Internet, spart Zeit und Kosten und lässt sich auch der CO2-Bilanz positiv anrechnen. Der direkte menschliche Kontakt ist dann wichtig, wenn es ums Networking geht, um die Geschäftsanbahnung mit Unbekannten, ums Kennenlernen. „Was online eben nicht kann ist Zufall“, erklärt Philipp Westermeyer, der gerade dabei ist die OMR zu digitalisieren. „Mit einem neuen Kunden, den man gerade kennen gelernt hat, ein Bier trinken und Musik hören funktioniert halt über Zoom nicht“.
Aus dieser Differenzierung entsteht Konsolidierung. Alexandra Barth rechnet damit, dass bis zu 20 Prozent des Geschäftsreiseaufkommens auf Dauer wegfallen. Christina Stange hat den großen E-Commerce-Kongress von PlentyMarkets vom März auf den Oktober verlegt, hat aber bislang keine Ahnung, unter welchen Auflagen die Stadt Kassel das Event ermöglicht und ob dann überhaupt jemand kommt. „Diese Zeiten machen die Planungen für ein Event fast unmöglich“.
Tagungshotels brauchen kreative Konzepte
Während es den Eventveranstaltern aber immerhin möglich ist, ihr Geschäftsmodell in Sachen Digitalisierung zu ändern, gelingt das den Tagungshotels kaum, denn die sitzen auf ihrer Hardware, vor allem den Tagungsräumen fest.
Das hat im Wesentlichen zwei Herausforderungen zur Folge. Zum Einen müssen die Hotels versuchen, ihre Räume an ortsnahe Zielgruppen zu vermieten, zum Anderen gilt es, das Leistungsprofil des Tagungshotels so zu schärfen, dass den Unternehmen klar ist, dass ihre Geschäftsreisenden oder die gesamte Konferenz hier in guten, sicheren und hygienisch einwandfreien Händen ist.
Ein besonderes Haus, wie das Camp Reinsehlen in der Lüneburger Heide, kann seine architektonischen Vorzüge in die Waagschale werfen. Das Hotel ist als Lodge gebaut. Alle Zimmer, öffentliche Bereiche und Tagungsräume lassen sich von außen erreichen. Es gibt keine Durchgangsräume. Und das gesamte Hotel ist über ein weitläufiges Gelände verstreut. Das Gegenteil vom engen innerstädtischen Businesshotel a la MotelOne.
Die Aufrüstung der Tagungstechnik in den letzten Jahren kann sich auszahlen, wenn man wie das Esplanade in Dortmund seine Tagungsräume dezidiert Unternehmen in der Region für Videokonferenzen zur Verfügung stellt. Variable Beleuchtung, gute Kameras und vor allem auch eine professionelle Ton-Anlage machen einen großen Unterschied zum klassischen Skype-Meeting. Sicher nicht für den Alltag, aber zum Beispiel für das „Weekly“ mit dem internationalen Team.
Dieser Ansatz lässt sich erweitern, denn sehr viele Unternehmen machen nicht nur Videokonferenzen, sondern sie zeichnen selbst Webinare und Podcasts auf. Das Ellington-Hotel in Berlin hat ein professionelles Tonstudio für Radio-Sendungen. Was, wenn man das Unternehmen und Freelancern zur Podcast-Produktion anbieten würde?
Natürlich ist das eine schwierige Situation für Investitionen, aber andererseits werden jetzt Weichen für die Zukunft gestellt. Event-Veranstalter haben in der Vergangenheit nur deshalb auf Live-Streaming verzichtet, weil die Hotels ihnen das nicht angeboten haben und das Anheuern externer Agenturen dafür zu teuer ist. Das wird sich ändern. „Wir werden so viel streamen wie möglich“, erklärt Sebastian Meyen, der für den Software und Support Verlag die Events verantwortet. Und Hotels, die diesen Bedarf bedienen, werden bevorzugt gebucht.
Charmante Isolation
Was für die Tagungsräume gilt, gilt auch für die Zimmer oder für einen Teil davon. Das konstituierende Merkmal des Hotelzimmers – das Bett – steht plötzlich in der Diskussion. Hoteliers landauf landab denken darüber nach, wie man Zimmer so variabel gestalten kann, dass man sie tagsüber auch als Büro auf Zeit vermietet.
Wohl dem, der wie die Hotels der Kette 25Hours, stark auf Ambiente gesetzt hat. Da hat das Büro im Hotel einen spannenden Mehrwert im Vergleich zu Co-Working-Spaces oder dem eigenen Küchentisch. Das Instagram-fähige Bildmotiv aus der Arbeitsumgang wird gleich frei Haus mitgeliefert.
Das Hotel Bornmühle zwischen Neustrelitz und Neubrandenburg lebt seit jeher von Geschäftsreisenden – vor allem aus dem Vertrieb - die die Region bearbeiten. Vor zwei Jahren hat man sich dazu entschlossen, für diese Klientel dezidierte Arbeitsbereiche zu schaffen. Einer davon – der Think Tank – sieht aus, wie eine Höhle mit Seeblick. Er soll kreatives Denken anregen.
Alexandra Barth von HRS gibt solchen Angeboten auf dem Markt durchaus eine Chance. Wichtig ist dafür allerdings, dass man als Hotel genau hinschaut, was die Unternehmen in diesen Tagen brauchen. „Die Themen Sicherheit, Hygiene und Compliance werden an Bedeutung gewinnen“, so Barth. Diesem Anspruch wird HRS mit seiner Lodging as a Service Plattform gerecht – eine Art Rundumsorglos-Paket für Geschäftsreisende.
Der Fokus liegt nicht auf dem einzelnen Reisenden sondern auf dem Einkäufer im Unternehmen, der für die Rahmenbedingungen der Geschäftsreisen seiner Kollegen verantwortlich ist. Der muss die Voraussetzungen schaffen, dass die Reisenden eine möglichst sichere und angenehme Reise buchen können. Er ist für das Hotelprogramm verantwortlich, die möglichst effiziente Abrechnung von Reisen und er braucht Ansprechpartner bei Problemen. „Wir spüren ein Comeback des persönlichen Kontakts“, sagt Barth.
Bei HRS geht man davon aus, dass die Corona-Krise als Brandbeschleuniger in Sachen Corporate Governance fungiert. Immer mehr auch kleinere Unternehmen werden klare Regeln entwickeln, unter welchen Bedingungen wie zu reisen ist. In der Vergangenheit begrenzte sich das vor allem auf die Kategorie-Auswahl und das Budget. „In Zukunft wird es für die Hotels besonders wichtig, Leistungen im Bereich Hygiene, Gesundheit und Sicherheit klar und nachvollziehbar zu kommunizieren“.
HRS versteht sich als Vermittler zwischen diesen Unternehmensanforderungen und den Leistungen der Hotels. Der Reisende eines Unternehmens bekommt im System nur Hotels angezeigt, die den Guidelines des Unternehmens entsprechen. „Es wird immer mehr kleinere Unternehmen geben, die Corporate Governance pflegen, weil die Sorgfalt im Umgang mit Geschäftsreisen ein Pluspunkt auch im War for talents ist“, erklärt Alexandra Barth.
Aber sagte sie nicht eingangs, dass Geschäftsleute ungern reisen? „Es geht darum, das unbedingt Nötige so angenehm wie möglich zu machen“.
Und das gilt sogar für die selbstgewählte Isolation im Hotel. Ruhe, Resilienz und Fokussierung sind gerade bei Homeschooling geplagten Homeworkern in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Auch das kann das Hotel bieten. In Tokyo hat der Betreiber Homeikan Hotelzimmer eingerichtet, die Schriftstellern gewidmet sind und ein entsprechendes Ambiente bieten. Das soll Kreative dazu einladen, ihr längst fälliges Oeuvre zu vollenden. Und das Hotelpersonal „drängt“ spielerisch auf die Abgabe.