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Die richtige Balance für digitales Marketing finden

Es ist nicht alles Gold, was in der digitalen Welt glänzt. Welche Balance sollte zwischen herkömmlichem und digitalem Marketing hergestellt werden?
Thomas Koch | 14.09.2020
Die richtige Balance für digitales Marketing © Fotolia
 

„Digital first“, „Die alten Medien sind tot“, „Wer nicht digitalisiert, stirbt“ – diese und ähnlich morbide Aussprüche kennen Sie zuhauf. Seit zwanzig Jahren prägen sie auch das Marketing und alle Disziplinen um das Marketing herum. Doch wie viel davon ist wahr? Wie viel richtig? Wie viel nötig? Welche Balance zwischen herkömmlichem und digitalem Marketing muss man herstellen? Brauchbare Antworten auf diese wichtigen Fragen erhält man selten, weil fast jeder, der „Digital first“ ruft, entweder ein Produkt verkaufen oder im Unternehmen als fortschrittlich gelten will. Anders ausgedrückt: Wer nicht jedes Jahr eine deutliche Steigerung seiner Marketing-Digitalisierung vorweisen kann, gilt als „old school“ und gehört auf den Scheiterhaufen der Marketing-Geschichte.

Fakt ist: Die Digitalisierung schreitet voran. Sie betrifft jeden Bereich des Unternehmens: die Produktentwicklung, die interne Kommunikation ebenso wie die mit Lieferanten und Kunden – bis hin zur Lieferkette und zum Absatz. Überall in deutschen Betrieben sind erste Formen künstlicher Intelligenz im Einsatz, moderne Websites, die zum Dialog mit Kunden aufrufen oder Search als Marketing-Tool. Überdies werden unzählige Daten gesammelt, aufbereitet, veredelt und als neues Werkzeug für ein besseres Verständnis über Kaufverhalten und Bedürfnisse der Kunden verarbeitet. Alle Anwender sind sich einig und sicher, dass die Digitalisierung ein Segen ist.

Doch die Sicherheit verblasst, sobald man den Flur zur Marketingabteilung betritt. Ausgerechnet hier stößt man auf mehr Fragen als Antworten. Wird Search Engine Advertising (SEA) sinnvoll eingesetzt oder muss man weiter investieren? Wurden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die eigene Website zur Kommunikation über Produkte und mit Kunden zu nutzen? Ist es richtig, die Printwerbung zu kürzen? Und sobald digitale Medienkanäle eingesetzt werden, heißt es schnell: „Wer bin ich und wenn ja, wie viele“? Braucht man als Unternehmen einen Facebook-Account? Soll der Vorstand via Twitter kommunizieren? Videos auf YouTube? TikTok for Business?

Tatsächlich treibt die digitale Wirtschaft jeden Monat eine neue Sau durchs berühmte Dorf. Um Big Data ist es allerdings erstaunlich ruhig geworden. Über Blockchain, als Lösung für alle Probleme gefeiert, spricht kein Mensch mehr. Gleiches gilt für Augmented und Virtual Reality. Chatbots sind keinesfalls immer die beste Lösung zur Verbesserung der Customer Experience. Es heißt, echte KI-Lösungen stünden frühestens 2050 zur Verfügung. Man liest, die gewonnenen Daten, die vielgerühmten Online-KPIs wie Klickraten, seien mit unnützen Bots durchsetzt. Dann Brand Safety: Wie stellt man sicher, nicht auf sexistischen oder terroristischen Websites zu werben?

Facebook steht unter Verdacht, wissentlich falsche Kampagnendaten auszuliefern. Im Juni traten 1.000 internationale Werbekunden, darunter Unilever, Coca-Cola und Starbucks, einem Facebook-Werbeboykott bei. Sie kritisierten Facebooks nachlässigen Umgang mit hasserfüllten, herabwürdigenden, rassistischen und manipulativen Inhalten.

Gegenüber vielen der digitalen Medienlösungen ist Skepsis geboten. Es ist nicht alles Gold, was in der digitalen Werbewelt glänzt. Nach ersten Gehversuchen mit der automatisierten Auslieferung von Werbeanzeigen (Programmatic) ziehen derzeit viele Konzerne die Reißleine, da sie nicht sicher sein können, wo ihre Werbung tatsächlich erscheint.

Doch eines ist sicher: Die „alten“ Medien und Marketing-Instrumente sind nicht gestorben. Manche sind ein wenig geschwächt, aber keinesfalls tot wie vor zwanzig Jahren von den Digital-Jüngern prophezeit. Printmedien, Zeitungen, Zeitschriften und allen voran die Fachmedien, sind und bleiben ein unverzichtbarer Bestandteil im Kommunikations-Mix.

Was also tun, um die richtige Balance für die eigene Kommunikation zu finden, wenn es kein Allheilmittel gibt? Gefragt sind: Change und Mut: Nehmen Sie Veränderungen an Ihrem Marketing-Mix vor. Experimentieren Sie. Jedes Jahr aufs Neue. Lassen Sie Fehler zu, die zu neuen Erkenntnissen führen.

Kaum von Unternehmen ausgeschöpft sind die Chancen, die Social Media wie auf einem Silbertablett servieren. Verbraucher und Kunden verlangen heute, dass Unternehmen Stellung beziehen, dass sie Haltung an den Tag legen. Politiker und Journalisten nutzen Plattformen wie Twitter selbstverständlich für ihre Kommunikation mit Wählern und Lesern. Der Twitter-Account für den Vorstand muss ebenso selbstverständlich sein – sei es um im Kampf um Aufmerksamkeit einen Vorsprung vor Wettbewerbern zu erlangen. Social Media darf einen gebührenden Platz im Media-Mix eines fortschrittlichen, auf Transparenz und Kommunikation ausgerichteten Unternehmens beanspruchen.

So gelingt es, die faszinierenden Möglichkeiten der Digitalisierung und die unverzichtbaren Stärken der alten Medien zu kombinieren. Das Ergebnis ist eine veränderte, erfolgversprechende Balance zwischen den klassischen und digitalen Marketing-Kanälen: The best of both worlds.