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KI im Customer Experience Management einsetzen

Sämtliche Bereiche der Kundenbeziehung sollen auf ein “positives Erlebnis” ausgerichtet werden. Dem Einsatz von KI kommt dabei eine wichtige Rolle zu.
Andreas Wagener | 18.09.2020
KI im Customer Experience Management einsetzen © Freepik / sebdeck
 

Ziel der Customer Experience Management ist es, die Bindung des Kunden an den Anbieter zu verstärken. Sämtliche Bereiche der Kundenbeziehung sollen auf ein “positives Erlebnis” ausgerichtet werden. Dem Einsatz von KI kommt dabei eine immer wichtigere Rolle zu.


Das Customer Experience Management scheint wie kaum eine andere Disziplin des Marketings aufgrund der Komplexität der Wechselbeziehungen zwischen individuellen Kundenerfahrungen, Kundeneinstellungen und -erwartungen sowie dem Zusammenspiel einer Vielzahl von Berührungspunkten für den Rückgriff auf Methoden der KI prädestiniert. Die Zusammenhänge zwischen diesen einzelnen Faktoren lassen sich kaum ausschließlich mit menschlichem Blick erfassen. Die Identifizierung von allgemeinen wie personalisierten Verhaltensmustern aus einer unüberschaubaren Masse von Daten wie auch die Vorhersage von Entwicklungen und die Ableitung geeigneter Maßnahmen dürfte daher in Zukunft ebenfalls verstärkt Aufgabe intelligenter Systeme sein.


Im Detail umfasst dies zum einen die Erkennung derjenigen Customer Journeys und Touchpoints, die erfolgsrelevant für die Erreichung der Unternehmensziele sind und die sich am ehesten für einen Eingriff anbieten. Dazu werden umfassend Informationen über die Zufriedenheit der Kontakte erhoben. Dies lässt sich nur zum Teil über klassische Analyse-Verfahren und Messgrößen wie Conversionraten erheben. Oft handelt es hierbei um unstrukturierte Daten, die es gilt, entsprechend maschinell lesbar aufzubereiten, wie etwa schriftlich oder mündlich vorgebrachte Kundenbeschwerden. Erste betriebliche Anwendungen, die dazu die einschlägige Kundenkommunikation innerhalb – etwa durch die Untersuchung des E-Mail-Verkehrs – oder außerhalb des Unternehmens – beispielsweise in den Sozialen Medien – durchforsten und nach Relevanz und Dringlichkeit ordnen, gibt es bereits.


Daraus leitet sich dann zum anderen die Aufgabe der Erstellung einer „idealen“ Customer Journey und der optimierten Gestaltung des Kontaktierungsprozesses ab – das eigentliche „Mapping“ –, welche die wahrscheinlichen Auswirkungen möglicher Maßnahmen berücksichtigt und entsprechende Priorisierungen erstellt. Mittels Regressionsmodellen lässt sich analysieren, welche Pfade und Maßnahmen den größten Einfluss auf die allgemeine Kundenzufriedenheit und die Unternehmensziele versprechen. Dazu werden Simulationen und „Trial and Error“-Experimente durchgeführt, um ein Bild der potenziellen Auswirkungen verschiedener Handlungsoptionen zu erhalten.


Das US-amerikanische Unternehmen Boxever greift auf Verfahren des maschinellen Lernens zurück, um seinen überwiegend aus der Reisebranche stammenden Kunden die Optimierung der Kundenerfahrung zu ermöglichen.  Dazu werden Profile für jeden einzelnen Kunden anhand verhaltensorientierter und historischer Transaktionsdaten erstellt und daraus die individuelle Kaufneigung sowie die optimalen Zeitpunkte für Interaktionen, insbesondere aus dem Vergleich mit ähnlichen Profilen abgeleitet.  Ziel ist es, perspektivisch sogenannte „Mikro-Momente“ zu schaffen, die für jedes Profil individuell und zielgenau „positive Erfahrungen“ auf der jeweiligen Customer Journey gewährleisten, also die Kundenkommunikation personalisiert mit dem Ziel der optimalen Kundenzufriedenheit auszusteuern.


Neben der situativen Ansprache auf der Customer Journey, kann KI auch für die Echtzeitanalyse und -optimierung im Vertriebs- und Serviceprozess eingesetzt werden. Das Unternehmen Cogito setzt bei der Optimierung der Kundenbetreuung im Telefonkontakt an. Dazu vergleicht die Ausgründung des MITs in Cambridge/Massachusetts die Eigenschaften und Merkmale eines aktuell geführten Gesprächs mit denen erfolgreicher historischer Anrufe. Anhand der Analyse von Faktoren wie Lautstärke, Länge und Anzahl von Gesprächspausen sowie der Geschwindigkeit und der Stimmhöhe gibt Cogito den Mitarbeitern in Echtzeit Hilfestellung und leitet Empfehlungen für die Gesprächsführung ab.


Laut Unternehmensinformationen, die im Rahmen einer erfolgreichen Series B Finanzierungsrunde veröffentlicht wurden, gehören zahlreiche Fortune-500-Unternehmen zu den Nutzern des Systems.  Technisch basiert dies auf einer Kreuzung verhaltenswissenschaftlicher Ansätze und des Natural Language Processings. Dazu wurden im Rahmen maschineller Lernverfahren mehrere Millionen von Telefonaten erfasst und ausgewertet.  Während eines Anrufs zerlegt das System die Konversation in Millisekunden in über 200 verschiedene vokale und nonverbale Signale. Diese werden dann analysiert und mit Mustern von Verläufen vergangener Telefonate in Bezug gesetzt. Aus den sich daraus ergebenen Korrelationen leitet das System autonom die Gesprächsempfehlungen ab, die der Mitarbeiter während seines Telefonates auf dem Bildschirm angezeigt bekommt.  Das Unternehmen selbst spricht dabei von einer Unterstützung der „emotionalen Intelligenz“ im Telefonverkehr.


Vermutlich ist es genau eine derartige Verknüpfung zwischen „nüchternem“ Algorithmus und dem sensiblen, „emotionalen“ Thema des Kundenerlebnisses, die den Einsatz von KI zum Erfolg führen könnte: Es geht nicht um eine Eliminierung des menschlichen Faktors, sondern, ganz im Gegenteil, um dessen Förderung und verbesserten Einsatz im Marketingalltag.

 

Der Artikel beruht auf dem Buch von Andreas Wagener Künstliche Intelligenz im Marketing – ein Crashkurs, Haufe, Freiburg, 2019