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Digital Signage einsetzen

Digital Signage hat sich im Laufe der Jahre verändert, die Branche hat dazugelernt. Die 6 wichtigsten Punkte zur Vermeidung von Enttäuschungen.
Frank Rehme | 26.10.2020
Digital Signage einsetzen © Freepik
 

Digital Signage und enttäuschte Erwartungen

Ganz zu Beginn des Trends waren die üblichen Glücksritter zu beobachten, die in Schlangen vor den Büros der IT-Verantwortlichen (das waren schon mal die falschen Ansprechpartner) standen und ihnen einen wahnsinnigen Umsatzschub durch Displays im Laden versprachen. Unglaubliche Business Cases und Versprechungen von Einnahmen durch Vermietung von Werbeplätzen im Store elektrisierten speziell den margenschwachen Lebensmittelhandel.

Überall entstanden Digital Signage Netzwerke, jeder Händler fragte nach möglichst schnell umsetzbaren Konzepten und die Branche schaffte schnell die passenden Messen und Kongresse zu dem Thema. Nachdem ich festgestellt habe, dass sehr viel Aufklärungsarbeit nötig war, bin ich  auf den Zug aufgesprungen und habe mit Silke Reichenbach den Podcast „Pod me Digital“ (Achtung, 10 Jahre alte Seite!) ins Leben gerufen. Ziel der 25 Folgen war die Aufklärung über Wirkungszusammenhänge in dem Bereich.

Heute sind wir bekanntlich schlauer, die Branche hat sich konsolidiert und der Zweck von digitalen Displays ist ein neuer geworden: Er ist mehr oder weniger ein Teil des Ladenbaus.

Generell gibt es verschiedene Unterkategorien im Bereich Digital Signage, die sich wie folgt gliedern:

1. Kiosksysteme: Das sind alle Self Service Stationen wie z.B.Self Checkout Kassen oder Abfragemöglichkeiten des Punktestandes bei Payback. Ebenso gehören Smart Mirror Lösungen oder Rezepteberater dazu, die eine Verbindung zu sozialen Medien haben.

2. Guidance-Systeme: Alles was der Wege- und Besucherführung dient wie z. B. die Bahnhofs- und Flughafen-Anzeigetafeln.

3. Verkaufssysteme: Fahrkartenautomaten und Instore Webshop Terminals.

4. Ambience-Lösungen: In der Regel große Lösungen wie z.B. ganze Videowände, die als Teil des Ladenbaus die Markenbildung und die Atmosphäre unterstützen.

5. Verkaufshilfe-Lösungen (auch gern Plärrkisten genannt): Meist kleine Monitore mit schlechten Lautsprechern, die das darunter präsentierte Produkt erklären und anpreisen. Gern benutzt in Baumärkten.

6. Kontextabhängige Verkaufsunterstützung: Werbebotschaften, die auf den aktuellen Kundenkontext eingehen. Das sind z.B. Displays an den Waagen der Käseabteilung, die zum gewogenen Produkt den passenden Wein anzeigen.

7. Allgemeine Verkaufsunterstützung: Präsentation von Produkten im Rahmen einer (ggf. sogar) multimedialen Kampagne.

Die 6 wichtigsten Punkte zur Vermeidung von Digital Signage Enttäuschungen

1. Das Ziel

Bevor man sich überhaupt Gedanken über den Einsatz von digitalem Instore Marketing macht, sollte man eines erst einmal beantworten: Auf welche Frage soll diese Lösung die Antwort sein? In meiner Laufbahn ist es oft vorgekommen, dass man generell den Trend der Bildschirme im Store nicht verschlafen wollte. Ein weiteres Argument ist die sogn. OpEx (also Operational Excellence) Optimierung. Man spart den Austausch von gedruckten Werbemitteln und nutzt somit ein Display als Plakat 2.0.

Was häufig fehlt in der Betrachtung: Der Kunde! Wer in den Schuhen der Kunden Formate betritt, die bereits „verbildschirmt“ sind, stellt oft fest, dass der Kunde mehr belästigt als inspiriert wird. Falscher Content in falschem Kontext mit falscher Lautstärke oder grässlicher Benutzerführung sorgt für dann für Kaufabstinenz. Wenn eine Lösung nicht in mindestens einem der Bereiche Information, Inspiration oder Erlebnis einzahlt, sollte man den Einsatz konsequent in Frage stellen.

2. Der Standort

Speziell im Lebensmittelbereich sieht man häufig, dass sich der Standort des Displays häufig der Warenpräsentation unterwerfen muss. Konkret: Man checkt ab, wo es am wenigsten die Warenpräsentation stört. So wird gern der Platz über den Regalen genutzt, und damit ist das Display jenseits des Wahrnehmungsraumes der Menschen. In der Regel nehmen wir Informationen, die über 2,20m hoch sind, nur in Ausnahmefällen wahr. Das ist evolutionär bedingt: Die Menschheit hatte noch nie Gegner aus der Luft, also ist dieser Raum nicht relevant fürs Überleben. Wir schauen während der normalen Fortbewegung in der Regel mit einem Winkel von 15-20Grad in Richtung Boden.

Das gleiche gilt natürlich für die DIY oder den Fashionbereich, der allerdings selten Bildschirme für Werbeaussagen konsultiert hat.  Viele Standortfragen ergeben sich aber auch aus der konsequenten Beantwortung des Zieles aus Punkt 1.

3. Die Funktionsgarantie

Es vergeht nicht ein Store-Check, an dem ich nicht mindestens eine nicht oder nur mangelhaft funktionierende Lösung sehe. Bluescreens, nicht funktionierende Touch Displays oder Pixelfehler bei großen LED-Outdoorscreens führen die Hitliste an. Wenn man die Funktionsüberwachung der Installationen nicht sicherstellen kann, sollte man erst einmal diesen Punkt vor allen weiteren Schritten bearbeiten.

4. Das Erwartungsmanagement

Das Schlimmste, was man einem Digital Signage Projekt antun kann ist, dass man es mit einem Business Case versieht. Wenn ich alle Punkte aus dieser Checkliste beachte und alles richtig mache, bin ich mit meiner Lösung erst einmal State of the Art. Keiner würde auf die Idee kommen, andere State of the Art Lösungen wie z.B. Internet, Outlook oder Telefon nach einem Business Case zu hinterfragen. Alle Projekte, die einen Business Case erfüllen sollten, sind in Richtung Werbefinanzierung abgedriftet. Über die daraus entstandenen Großprojekte spricht heute übrigens keiner mehr.

Wer sich allerdings auf den Kundenmehrwert fokussiert, der wird belohnt, es gibt viel Gutes zu sehen. Tolle Lösungen, die inspirieren und Kunden begeistern. Schaut man sich die Gewinner der klassischen PoS Awards an, wird man genau die Perfektion der hier beschriebenen Checkliste sehen.

5. Content is King

Der Satz ist wirklich uralt, aber trotzdem dadurch nicht falsch geworden. Auch heute noch sehe ich auf mindestens 30% der Installationen Inhalte, die entweder zu lang/zu kurz oder nicht relevant für den Standort oder Kontext sind. Mache ich Content für eine Laufzone, muss die Message in 3 Sekunden vermittelt werden. Bringe ich Content in eine Verweilzone wie z.B. Kassen, kann ich neben den klassischen Inhalten auch Infotainment vermitteln.  Ganz abgesehen von den Inhalten muss auch meine Formatierung stimmen, was Dank responsiver Softwarelösungen mittlerweile viel komfortabler geworden ist. Damit stellt sich die Frage 4:3 oder 16:9 nicht mehr.

Passt der Content zum Standort? Eine Werbung vom Münchener Stadttheater auf der Düsseldorfer Kö (Das war wirklich so) hat eine Effizienz jenseits der Meßbarkeitstoleranzgrenze. Passt der Content in das Ladenbau Framework? Ein vornehmlich in grün gehaltener Store muss sich vom CI her in der Botschaft wiederfinden. Generell sollte sich jeder, der sich mit der Erstellung von Content beschäftigt, ebenso die Grundlagen des Neuromarketings beherrschen.

6. Context is Queen

Ebenso alt, aber noch wichtiger als der King, ist die Kontextrelevanz der Inhalte. Die berühmte Reifenwerbung an der Käsetheke ist nur ein Beispiel von verunglückten Zusammenhängen. Im Bereich der Self Service Kiosksysteme ist dieser Faktor noch viel wichtiger. Beispiel DB Fahrkartenautomaten: Anstatt den Kunden zuerst zu fragen, wohin er will, wird er erst einmal gefragt, welches Produkt er denn kaufen will. Damit steht nicht das Bedürfnis des Menschen im Vordergrund, sondern die Absicht der Programmierer, dieses Bedürfnis durch eine Tarifstruktur auszudrücken.

Wenn man sich aber mit Kontexten beschäftigt, kommt man heute nicht umher, sich mit externer Vernetzung der Digital Signage Lösung zu beschäftigen. Der Bildschirm spricht mit dem Smartphone und das wiederum mit Beacons. Digital Signage als integrierter Bestandteil des digitalen Kommunikationsraumes einer Stadt, das ist die Zukunft des Internet of Things Zeitalters. Aktuell wird dieses Szenario in der Future City Langenfeld umgesetzt.

Fazit

Digital Signage hat sich im Laufe der Jahre sehr verändert, die Branche hat viel dazugelernt, genauso wie die Händler. Jetzt gilt es, genau die Erfahrungen der letzten Jahre auszuwerten und in die neuen Projekte einfließen zu lassen. Der Schlüssel zum Mehrwert dieser Lösungen liegt im Bereich Erlebnis und Servicemehrwerte, das ist die Erkenntnis von vielen Projekten. Alles andere hat sich als erstklassige Kundenbelästigung herausgestellt und daher nicht überlebt.

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Über Frank Rehme

Frank Rehme ist Strategieberater und Speaker und gilt als einer der wichtigsten Vordenker im Bereich Innovation und Zukunftsgestaltung.