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Kultur und Kommunikation: Dann klappt Change

Gute Kommunikation, gute Kultur, gutes Veränderungsklima – dann klappt es auch mit der Technik. Und nicht zu vergessen: Ihre Kunden merken es auch.
Bertold Raschkowski | 30.11.2020
Kultur und Kommunikation: Dann klappt Change © Pixabay / Irén Nemess
 

Eigentlich ganz einfach und klar

Mittlerweile hat es sich wohl herumgesprochen, dass Kommunikation eine wesentliche, wenn nicht die wesentlichste Basis für gelingende Veränderung ist. An dieser Stelle könnten wir dann auch aufhören, denn es wäre alles gesagt und Sie könnten sich wieder an die Arbeit machen, denn es gibt nichts Gutes außer man tut es und Dinge werden nicht besser, wenn sie hundertfach repetiert werden.

 

Will heißen, wenn Sie das bereits wissen, können Sie weiterscrollen oder ins nächste Teamzoomwebex-Meeting gehen und Ihren Kollegen im Heimbüro beim Kaffeetrinken zusehen und orakeln, welche Bücher denn da so alle im Regal stehen bzw. an welcher der drölf Ballermannbuden das tolle Hintergrundbild zum kaffeetrinkenden Gesprächsteilnehmer entstanden ist. Rantmodus aus.

 

Veränderung bedeutet Stress

Stress führt in der Regel zu Widerständen, da wir uns (in unserer Sicherheit) bedroht fühlen. Nun bin ich kein Psychologe, dafür gibt es andere kluge Leute. Was ich aber weiß: Wenn ich gestresst bin (mich so fühle), Angst habe, mich bedroht fühle, dann baue ich Widerstände auf. Die in unserem 10.000 Jahre alten Betriebssystem gespeicherten Codes sagen dann: Angriff, Flucht oder Verteidigung. Das kann aktiv, passiv, verbal, non-verbal wie auch immer passieren. Veränderung, Kooperation, Teamwork werden so beeinträchtig oder verhindert. Und gesund ist das auch nicht.

 

Weder im Westen noch im Osten etwas Neues

Wir wissen das, bleiben aber in der Regel in den Versuchen der Change Ermöglichung und der Verbesserung der sogenannten Changeability an der Oberfläche- oder im Eisbergbeispiel (nicht neu und gleich noch kurz Thema ist) über der Wasseroberfläche. Dort ist das, was wir von und bei anderen sehen oder von uns sichtbar ist. Und daran versuchen wir zu kurieren. Verhalten zu beeinflussen. Mit Argumenten, Methoden, Logik, KPIs, Zukunft und all dem Gedöns Veränderungsbereitschaft und Veränderungsbegeisterung zu erzeugen.

 

Kurieren am Symptom

Das mag eingängig sein und nachvollziehbar, bringt aber nix. Erstens, weil die wirklichen Treiber damit gar nicht erkannt oder erreicht werden. Es kann mir logisch klar sein, was mein Chef sagt, aber ich fühle es nicht oder fühle mich bedroht. Und das, was der Chef nicht sieht ist gleichzeitig das, was wir in den meisten Fällen auch nicht sehen: Das, was unter der Wasseroberfläche liegt und von der Strömung bewegt wird - nicht vom Wind of Change, den der Change Manager oder der CEO oder wer auch immer macht.

 

Beispiel gefällig?

Sie kennen das: Transformation / Change steht an, die Notwendigkeit ist erkannt, die Dringlichkeit auch, die Ziele und die Strategie ist (so einigermaßen) kommuniziert, die Tools, Methoden, Instrumente (alles irgendwie mit Agil und so) werden in Express-Kursen vermittelt, es gibt sogar einen Change Manager. Da kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen. Wenn der klassisch aufgebaute Zeit- und Projektplan dann irgendwo klemmt, Mitarbeiter A und Kollegin C oder Teams irgendwie nicht performen wird routiniert der Kompressor aus der Werkstatt geholt und Druck aufgebaut. Damit sich was bewegt. Es gibt ja Deadlines.

 

Druck und Gegendruck

Die druckerhöhenden Maßnahmen setzen am Symptom an („es geht nicht schnell genug voran“). Wer im Seminar aufgepasst hat, weiß: Druck erzeugt Gegendruck. Es wird versucht ein Verhalten mit Mitteln zu verändern, die völlig ungeeignet sind. Ungeeignet deshalb, weil sie sich um die Ursachen nicht scheren, nämlich um das, was wir oben leise angedeutet haben. Rational ist das alles wohl verstanden, nur bewegt sich nichts. Warum? Niemand hat sich darum gekümmert, worum es Team A, Kollegin C oder Mitarbeiter D wirklich geht, welche essentiellen Prinzipien, Motive und Bedürfnisse bei ihnen betroffen und bedroht sind durch den Change

 

Der Klassiker

Die klassische Kommunikation in der Organisation ist immer noch durch Ansagen geprägt (auch höfliche). Eine Ansage (oder Kritik) beginnt klassisch mit der Behauptung („das war nicht gut genug“), wird vielleicht noch begründet und mit einem Beispiel belegt („weil Du den Code für Modul xy nicht rechtzeitig zur vereinbarten Deadline geliefert hast)“ und mit der Forderung abgeschlossen, es beim nächsten Mal anders zu machen.

 

Niemand fragt verständniserhöhend und erkenntniserhellend nach dem zugrundeliegenden Prinzip oder einem Bedürfnis des „fehlerhaften“ Mitarbeiters / Kollegen. Könnte ja auch sein, dass nicht zugearbeitet wurde oder die es widersprüchliche Anforderungen gab. Geschmäckle bleibt, Konflikte beginnen zu keimen, fallen auf fruchtbaren Boden und haben gute Aussichten für Wachstum und reiche Früchte. Angstkultur, passive Belegschaft, Fluktuation – das ganze Horrorkabinett.

 

Zur Erinnerung: Die Sache mit dem Eisberg

Aus dem Film Titanic bekannt und hervorragend für unsere Sache als Beispiel geeignet 1/9 der Masse eines Eisbergs ist sichtbar über der Wasseroberfläche, der Rest 8/9 befindet sich unter der Wasseroberfläche (die Zahlen sind nicht nachgemessen!). Sichtbar ist das Verhalten (oder der Widerstand und die „Low-Performance“), unsichtbar sind die individuellen Treiber, Motive, Prinzipien, Bedürfnisse und Werte des Individuums. Spätestens jetzt wird unmittelbar klar, dass der Wind of Change nicht gegen die Strömung unterhalb des Wasserspiegels ankommt – selbst, wenn es ein Sturm ist.

 

Es ist also sehr sinnvoll, wenn wir Taucherbrille und Atemgerät aufsetzen und uns die 8/9 einmal genauer ansehen und uns bemühen zu erkennen, was denn den Menschen in der Organisation bewegt oder eben nicht.

 

Jetzt die Sache mit der Bedrohung und dem Eisberg

Vor einigen Jahren haben David Rock und sein Team 5 elementare Grundbedürfnisse von uns Menschen extrahiert, die maßgeblich die Kooperation und Teamarbeit (naja, vieles andere wohl auch) bestimmen. Werden diese Grundbedürfnisse bedroht empfunden, startet das Steinzeitprogramm des Angriffs oder der Flucht, was nicht gut für Teamarbeit und Kooperation und damit fürs Projekt ist. Ist die Bedrohung weg und kann sogar das eine oder andere Bedürfnis unterstützt (belohnt) werden, dann klappt es auch mit dem Projekt. Ganz einfach.

 

Kein Schal - SCARF

Das Modell heißt SCARF und ist das Akronym für Status, Certainty, Autonomy, Relatedness und Fairness. Sind diese Bedürfnisse bedroht (z.B. durch Ausgrenzung aus einem Projekt, fehlender Zugang zu Informationen, Einschränkung der Selbstbestimmung bei der Arbeit, Ungerechtigkeit etc.) entstehen Stress und Widerstand. Werden diese Bedürfnisse unterstützt / erfüllt, bedeutet das eine Stärkung des Individuums. Und dass es dann leichter läuft dürfte auf der Hand liegen.

 

Etwas kompliziert wird es dadurch, dass diese Bedürfnisse eben nicht bei allen gleich wichtig und damit ein vergleichbarer Trigger für ein bestimmtes Verhalten sind. Während ich Zugehörigkeit als enorm wichtig empfinde muss das für Sie absolut nicht der Fall sein. Dafür ist für Sie Sicherheit sehr wichtig, für mich aber nicht in demselben Ausmaß.

 

Die Grenzen gewöhnlicher Methoden und Modelle

Sie ahnen es, a) das ist eine Menge Arbeit b) kommt man mit der klassischen Kommunikation nicht sehr weit c) ist das nicht in der Toolbox der Führungskraft oder des Beraters d) kostet das sehr viel Zeit und e) wissen wir nicht, ob die Kolleginnen und Kollegen, die in so einem Prozess erkennen was sie (wirklich) treibt und was sie wollen (Umfeld, Aufgabe etc.) sich dann ein passendes Umfeld außerhalb der Organisation suchen, in dem sie all das finden.

 

Kultur, Kultur, Kultur

Wenn wir uns also an die oben angesprochenen Bedürfnisse wagen, dann sind wir mitten in der Unternehmenskultur. In der Führung und in der Kommunikation. Wer sich hier ernsthaft und über gut gemeinte Lippenbekenntnisse hinaus heranwagt, der öffnet Büchse der Pandora und zieht am Rattenschwanz. Es ist ehrlich gesagt einfacher es doch so zu machen wie bisher: Schlaue Tools und Methoden einführen, kurz schulen, die Befindlichkeiten über noch eine Mitarbeiterbefragung konsequenzlos erheben, Newsletter verschicken, Unternehmensleitbilder und Kulturgedöns ins Intranet stellen (oder ans schwarze Brett tackern) und CEO-Speeches in der virtuellen Konferenz (oder von mir aus live) streamen. Also schön zum oben gesagten nicken, Notebook zuklappen und weiter alles wie immer.

 

Nicht überlebensfähig

So was funktioniert manchmal tatsächlich noch. Organisationen, die ja Systeme sind, streben nach Stabilität, deshalb muss das „Alte“ am Leben gehalten werden. Mit „modernen“ Führungsansätzen, die mit „hierarchisch“ immer weniger am Hut haben (zum Beispiel die Transformationale Führung) ist das inkompatibel.

 

Leichter und agiler geht es vonstatten, wenn die Kultur vorgelebt und als unterstützend wahrgenommen wird, Mensch den Kontext findet, sich zu entfalten und aktiver einzubringen. Das hilft jede einzelnen, dem Team und dem Change im Unternehmen.

 

Allein auf der Sachebene funktioniert das leider nicht. Dazu muss man ran an die Kultur und die Führung und die Kommunikation.

 

Das Quasi-Fazit – oder: Die Sache mit der Führung

Eine Führung und die entsprechende Kommunikation, die es versteht über die sachlogische Ebene (über der Wasseroberfläche) hinaus auch die psychosoziale Ebene (unter der Wasseroberfläche) zu berücksichtigen. Im ersten Schritt ist es sogar schon hilfreich zu erkennen, DASS es so eine psychosoziale Ebene mit Gefühlen, Bedürfnissen, Motiven, Werten und ähnlichem beim mitarbeitenden Menschen (und bei sich selbst) überhaupt gibt.

 

Wer in der Lage ist, diese Ebene in Aussagen und Fragen reflektiert zu berücksichtigen lernt nicht nur andere, sondern auch sich besser zu verstehen. Veränderung wird einfacher, wenn wir erkennen, worum es uns (und den anderen) denn wirklich im Prinzip geht, wo wir uns bedroht oder belohnt fühlen und welche Werte, Motive und Gefühle mitspielen. Das schafft Verbindung (auch wenn man nicht einer Meinung ist – muss man auch nicht), Vertrauen und ist geeignet die sogenannte Psychological Safety in der Kultur der Organisation zu erhöhen.

 

Gute Kommunikation, gute Kultur, gutes Veränderungsklima – dann klappt es auch mit der Technik. Und nicht zu vergessen: Ihre Kunden merken es auch.