Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
print logo

Kunden in der digitalen Ära binden

Kundenbindung im 21. Jahrhundert. Markenloyalität war gestern. Was beim Aufbau von Customer Success Teams zu beachten ist, zeigt dieser Überblick.
Jeff Heckler | 19.04.2021
Kunden in der digitalen Ära binden © Freepik
 

Endkundenorientierte und abonnementbasierte Plattformen sind mittlerweile Gang und Gebe. Nutzer schätzen die Flexibilität; sie können ihre Abos dort ebenso schnell kündigen wie bestellen. Dieses Subscription-Modell ist inzwischen auch in der Unternehmenswelt keine Ausnahmeerscheinung mehr. CRM-Lösungen, E-Mail-Marketing-Plattformen, Tools zur Lieferantenrecherche, Apps zur Digitalisierung von Spesen und Rechnungen — Firmen können all diese Software-Angebote auf Zeit bestellen. Monatlich kündbar. Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Gartner bieten seit 2020 bereits 70 Prozent der Technologieunternehmen subscription-basierte Zahlungsmodelle ihrer Lösungen an. 

 

Unternehmen werden in der Folge in der Auswahl ihrer Software deutlich flexibler. Griff ein Unternehmen früher zu einem klassischen CRM-System dauerte alleine dessen Setup, Inbetriebnahme Wochen, bis die Mitarbeiter das System verstanden und richtig verwendeten Monate. Alleine der Faktor Zeit war ein Lock-In-Faktor, der viele Unternehmen an ihre Software band. Durch die Flexibilität neuer Software-as-a-Service-Modelle entscheiden die Unternehmen deutlich schneller, ob sie zu einem anderen Anbieter wechseln. Die Markenloyalität sinkt rapide.

 

Kundenbindung im 21. Jahrhundert

Für Unternehmen lautet daher die Eine-Millionen-Euro-Frage: Wie binde ich in dieser schnelllebigen und von konkurrenzdruck durchzogenen Product-as-a-Service-Welt meine Kunden? Die Antwort lautet Customer Success. Es reicht heute schlicht nicht mehr aus, dass ein Produkt reibungslos funktioniert. Customer-Success (CS)-Teams setzen alle Hebel in Bewegung, sodass der Kunde das Produkt nicht nur effektiv und effizient nutzt, sondern messbare, positive Ergebnisse durch die Verwendung der Software einfährt. Das Credo: Verbindet der Kunde mein Produkt mit Erfolg, bleibt er Kunde. Also tue ich alles dafür, um den Erfolg zu gewährleisten. 

 

Am Software-Beispiel bedeutet dies: das Unternehmen hilft dabei, die Software beim Kunden im bestehenden Ökosystem aufzusetzen und zu integrieren, setzt gegebenenfalls individuelle Bedürfnisse des Kunden direkt mit dem Produkt-Team um und unterstützt die Software-Nutzung mit individuellen Maßnahmen – von Beginn an und kontinuierlich! Unternehmen bieten dabei beispielsweise Webinare, Tutorials und Trainings mit unternehmensinternen Experten an, um das Produkt noch zielgerichteter einzuführen. Sie halten Rücksprache über die Prozesse mit den Teams, welche die Software verwenden, etwa zum Sales-Funnel im Vertriebsteam, und prüfen, welche dieser Schritte optimiert werden können.

 

Darüber hinaus erklären Customer Success Teams nicht nur das eigene Produkt, sondern schauen über den Tellerrand hinaus. Sie analysieren den Markt und Trends in der Branche des Kunden, durchforsten Studien und ziehen Daten von Drittanbietern zu Rate – immer mit dem Ziel, den Kunden noch besser zu verstehen und vielversprechende Handlungsempfehlungen auszusprechen. 

 

Regelmäßiger Austausch schafft Vertrauen und Erkenntnisse

Allerdings ist der bloße Kundenkontakt nicht der einzige Erfolgsfaktor für Customer-Success-Teams. Sie sind gleichermaßen darauf angewiesen, im eigenen Unternehmen bestens vernetzt zu sein: Sie tauschen sich mit der Produktentwicklung zum Input der Kunden aus, schaffen Synergien mit dem Marketing und der Technologieabteilung — beispielsweise beim Aufsetzen von Lern- und Lehrmaterialien — und kommunizieren Herausforderungen der Kunden direkt an die Entscheidungsebene. Ziel ist, dass das gesamte Unternehmen den Kunden in den Mittelpunkt stellt; getreu dem angloamerikansichen Schlagwort Customer Centricity. Konkret bedeutet das, dass jede Entscheidung innerhalb eines Unternehmens den Endkunden mitdenkt und diesen durch die internen Entscheidungen erfolgreicher macht. Customer Success wird also von einem Team betreut, muss jedoch auch Teil der Unternehmensphilosophie sein.

 

Die stetige Optimierung der End-to-End Customer Journey, um dadurch selbst durch höhere Umsätze und nachhaltige Beziehungen zu profitieren, steht im Vordergrund. Statt nur in Problemfällen, zum Beispiel bei Fragen zur Funktionsweise einer Software Anwendung, erreichbar zu sein, begleiten Customer Success Teams Kunden über die gesamte Customer Journey hinweg. So entsteht eine von Vertrauen und gemeinsamen Erfolg geprägte Zusammenarbeit.

Was ist beim Aufbau von Customer Success Teams zu beachten? Ein Überblick: 

 

Aktion statt Reaktion

Proaktivität ist im Customer Success das Gebot der Stunde. Anders als im Kundenservice reagiert das Customer-Success-Team also nicht nur auf Anfragen, sondern geht aktiv auf den Kunden zu.

 

Die Aktivitäten der CS-Teams gehen somit weit über das Versenden von Marketing- und Lehrmaterialien, die Verlängerung von Verträgen und das Verkaufen von Zusatzprodukten heraus. Vielmehr steht die strategische Beratung im Vordergrund. Zwei Beispiele: als Unternehmen biete ich meinen Kunden eine CRM Plattform für Vertriebsteams. Die Kunden sind zufrieden, doch in vielen Feedbackgesprächen wird die Anfrage nach einer integrierten Datenbank mit B2B-Leads geäußert. Nun kann es sein, dass das gewünschte Feature, in diesem Fall die B2B-Datenbank, bereits vorhanden ist, der Kunde aber offensichtlich nicht davon weiß oder nicht damit umgehen kann. Dem Customer Success Team kommt also die Verantwortung zu, den Kunden über Webinare oder Trainings den Kunden entsprechend zu informieren, sodass dieser noch erfolgreicher mit dem Produkt arbeiten kann. 

 

Anders sieht es aus, wenn das gewünschte Feature noch nicht existiert. Stichwort: Innovationsfähigkeit! Customer Success Teams sammeln kontinuierlich die Bedürfnisse der Kunden sowie deren mittel- und langfristige Planungen und teilen diese mit der Produktentwicklung. Das Unternehmen hat so die Möglichkeit, frühzeitig eigene Innovationen und intelligente Lösungen zu entwickeln, die sich direkt positiv auf die Herausforderungen der Kunden ummünzen. Dieser ständige interne Austausch zwischen Abteilungen sowie externe Austausch mit dem Kunden schafft die wichtige Vertrauensbasis für langfristigen Erfolg. Gerade in Zeite von monatlich kündbaren Verträgen muss dem Kunden immer wieder gezeigt werden: mit unserem Produkt erreichst du deine Ziele, weil wir genau diese Ziele in den Mittelpunkt stellen! Nicht zuletzt profitiert ein Unternehmen so auch durch Up-Selling und Cross-Selling Möglichkeiten: wächst das Geschäft meines Kunden, auch dank unserer Hilfe, benötigt dieser womöglich bald eine Premiumversion oder weitere Zusatzprodukte.

 

Unternehmen brauchen Daten — und Leute, welche diese auch verstehen

Business-Intelligence-Lösungen sind für den Erfolg von CS-Teams unabdingbar: nur mit umfassenden Daten und Wissen über die Kunden können Customer-Success-Teams zielführende Maßnahmen entwickeln. Einblicke in die Nutzungsdaten des Produkts sind ebenso wichtig wie das Anreichern der eigens gesammelten Daten durch Drittanbieter. Beispielsweise indem man Analysetools in die eigene Software integriert. In Kombination mit den Kundengesprächen sowie Umfragen und Marktanalysen entsteht so ein holistische Bild, mit dem Customer Success Teams passgenau auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen können. 

 

Entscheidend für den Erfolg von Customer Success Teams ist nebst dem Wissen über den Kunden eine tiefe fachliche Expertise über die Branchen ihrer Kunden. Nur dann sind diese in der Lage, auf Besonderheiten oder industriespezifische Probleme eingehen zu können.

 

Customer Success ist Unternehmenskultur

Customer Success ist keine bloße weitere Abteilung im Unternehmen. Nicht einfach nur ein weiteres Team neben Vertrieb, Marketing oder Business Development. Customer Success muss in die Unternehmensphilosophie und die Entscheidungsstrukturen verankert werden. Nur dann erzielen Customer-Success-Teams erzielen den gewünschten Erfolg, wenn sie ernsthaft im Unternehmen verankert sind. Denn Customer-Success-Teams sind auf vertrauliche Einblicke, wie Nutzungsdaten und geplante Produktfeatures, angewiesen. Wenn CS Teams rege und transparent mit anderen Abteilungen, inklusive der Unternehmensführung, kommunizieren, können Einblicke der Customer Success Teams früh berücksichtigt werden, beispielsweise das Feedback aus Kundengesprächen zu der UI des Produkts oder zu Wünschen an das Pricing Modell. Durch direktes Reporting erfährt die zuständige C-Level Kraft, zum Beispiel der operative Geschäftsführer, welche Maßnahmen Customer Success Teams vorschlagen, was das für die Ausrichtung des Unternehmens bedeutet und wie sich die Empfehlungen auf die finanziellen Zielvorgaben auswirken. Es ist also  für die erfolgreiche Implementierung von Customer Success Teams absolut entscheidend, dass sich das Unternehmen über alle Abteilungen hinweg der Fokussierung auf den Kunden bewusst ist. Alle Maßnahmen, nicht nur von Customer Success Teams, sondern ebenfalls von Marketing, Technologieabteilungen und Vertrieb, müssen auf die Bedürfnisse des Kunden einspielen. Die Frage, wie und warum ein neues Produktfeature, ein geplantes Webinar oder eine Umstrukturierung des Pricing Models dem Kunden hilft, selbst erfolgreicher zu sein ist das A und O für die Ausrichtung des Unternehmens – und muss entsprechend früh im Prozess berücksichtigt werden. 

 

Denn die Loyalität der Kunden – und damit wiederkehrende Umsätze – können durch CS-Teams gefestigt und bestätigt werden. Mit der Unterstützung der Unternehmensführung im Rücken können Customer-Success-Teams die gemeinsamen Strategien zielführend umsetzen.

 

Der Begriff Customer Success geistert nun seit einigen Jahren durch die deutschen Fachzeitschriften, so richtig angekommen scheint er bisher jedoch nicht. Das mag an der Komplexität liegen, die eine Einführung in Unternehmen mit sich bringt oder an der ungeklärten Funktion. Doch gerade jetzt, wo sich Anbieter von B2B Software Produkten großer Konkurrenz und flexiblen Kunden ausgesetzt sehen, müssen diese mit neuen Methoden ans Unternehmen gebunden werden.