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Influencer: Die Schattenseiten des Marketing-Hypes

Bei der Auswahl der richtigen Influencer sollten Unternehmen genauer hinschauen als bisher. Auch hier zählt Qualität statt Quantität.
Torben Platzer | 08.06.2021
Influencer: Die Schattenseiten des Marketing-Hypes © Freepik
 

Junge Blogger und Influencer erreichen heute ein großes Publikum. 10.000, 100.000 oder auch mehr als eine Million Zuschauer sind keine Seltenheit – und eröffnen den Marketeers in Unternehmen neue Kanäle und Möglichkeiten, Produkte zu bewerben. Auch für die Protagonisten selbst ist das Geschäft äußerst lukrativ. Denn der Werbemarkt für Influencer wächst, Studien zufolge weltweit auf mehr als 15 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022.

Die Chance, durch Empfehlungsmarketing auf sozialen Kanälen wie Instagram, Tiktok oder YouTube gutes Geld zu verdienen oder Gratisproben von Produkten zu erhalten und dabei noch berühmt zu werden, lockt viele Menschen an und birgt die Gefahr, dass moralische Grenzen verschoben werden, die lange für Marketing galten. Es ist kein Wunder, dass damit auch die Kritik an dieser Gruppe lauter wird. In den vergangenen Monaten gab es mehrere Fälle, die beweisen, dass Influencer zunehmend unter Beobachtung stehen.

Zuletzt sorgte Netzreporter Marvin Wildhage für Aufsehen, der aufdeckte, dass viele Influencer jegliche Produkte bewerben, ohne zum Beispiel deren Herstellung und Qualität zu hinterfragen. Wildhage hatte dazu an Influencer eine erfundene Hautcreme verschickt, die angeblich aus „durch Urangestein gefiltertes Wasser“ hergestellt wurde – und trotz dieser Tatsache von Influencern schwärmerisch angepriesen wurde. Erst kürzlich wurde bekannt, dass Influencer aus Deutschland und Frankreich Anfragen erhalten haben, gegen Geld den Corona-Impfstoff von Biontech schlechtzumachen.

Doch die Frage, ob Influencer-Marketing für Unternehmen der richtige Weg für ihre Werbung ist, bringt noch andere Probleme zutage. Es stellt sich nämlich die Frage, welche Qualität Follower eigentlich haben. Immer wieder zeigt sich, dass viele Influencer ihre Reichweite nicht organisch aufbauen, sondern auf künstliche Effekte setzen, um die Zahl nach oben zu schrauben. Zu diesen Maßnahmen gehören etwa Gewinnspiele, die Follower auf Seiten locken, an denen sie eigentlich gar kein Interesse haben. Auch sogenannte „Follower Trains“, bei denen es darum geht, dass alle Beteiligten sich gegenseitig folgen und so künstlich ihre Reichweite erhöhen, erwecken den Eindruck einer großen Reichweite, der aber bei genauem Hinschauen nicht haltbar ist.

Die Beispiele zeigen, dass sich in der Szene derzeit ein Prozess vollzieht, den Unternehmen wahrnehmen und auf den sie reagieren müssen. Es geht darum, bei der Auswahl der richtigen Influencer genauer hinzuschauen als bisher. Schon jetzt zeigt sich, dass die Quantität der Follower zunehmend in Frage gestellt oder nicht mehr als oberstes Kriterium akzeptiert wird. Immer mehr Unternehmen arbeiten mit Micro-Followern zusammen, die nur zwischen 10.000 und 100.000 Follower haben, dafür aber eine enge Bindung zu ihnen aufweisen und nicht jedes Produkt bewerben, sondern nur solche, die zu ihrem Profil passen und auf ihre Glaubwürdigkeit einzahlen. Unternehmen erreichen auf den ersten Blick damit zwar weniger Menschen, auf den zweiten Blick sind aber die Qualität der Zielgruppe und die Wahrnehmung ihrer Marke deutlich höher zu bewerten.

Denn die ursprüngliche Idee im Influencer-Marketing umfasst die authentische Empfehlung von Produkten oder Leistungen durch eine Person, die bereits eine gewisse Bindung zur eigenen Zielgruppe aufgebaut hat und somit ein höheres Vertrauen genießt. Doch in den vergangenen Jahren haben sich viele große Influencer diese Authentizität verbaut, weil mit dem Wandel von Leidenschaft und Hobby zu Business eine Verhaltensänderung einherging, die andere Prioriäten setzte als mit der eigenen Community ein vertrauensvolles, glaubwürdiges Verhältnis aufzubauen. Wenn das passiert, empfehlen einflussreiche Mode-Persönlichkeiten auf Instagram plötzlich Mobilitäts-Apps und kassieren dafür steigende Werbe-Gagen. Doch weil die Fans wissen, dass ihr einstiges Idol weder einen Bezug noch eine Kompetenz zu Mopbilitäts-Apps aufweist, leidet darunter die Glaubwürdigkeit der Person und der Marken, für die sie wirbt, erheblich, und zwar dauerhaft.

Micro-Influencer haben diese Gefahr verstanden und setzen weiterhin auf die enge Bindung zu ihrer Community und auf die Authentizität ihrer Empfehlungen. Sie sind zudem günstiger und daher für Unternehmen die bessere Wahl. Allerdings müssen sich Unternehmen und Agenturen etwas mehr anstrengen, um sie zu finden, doch dieser Aufwand zahlt sich am Ende doppelt und dreifach aus.

Denn die neue Macht der Influencer steht an einem Scheideweg, der ernst genommen werden sollte: Häufen sich die Fälle, die Beweise liefern, dass sich in der Szene viele schwarze Schafe tummeln, könnte eine ganze Branche dadurch in Verruf geraten und unter dem Fehlverhalten Einzelner leiden.

Demgegenüber aber steht die Wahrnehmung dieses Problems, die offenbar derzeit in der Szene stattfindet. So kündigte Instagram bereits für das laufende Jahr 2021 einen eigenen Marktplatz an, auf dem Influencer und Marken miteinander verbunden werden sollen. So soll die Kontaktaufnahme erleichtert werden. Zudem beschäftigt sich die Plattform laut deren Chef Adam Mosseri auch damit, neuen Accounts künftig mehr organische Reichweite und mehr Sichtbarkeit zukommen zu lassen. 

Es ist völlig normal, dass auf einem Gebiet, in dem viel Geld fließt und in dem die Umsätze steigen werden, viel Bewegung ist. Umso wichtiger aber ist, rechtzeitig Regeln zu formulieren und Standards zu etablieren, die das Influencer Marketing zukunftsfähig machen. Daran sollten Akteure, Unternehmen, und Agenturen wie auch Plattformen ein gemeinsames Interesse haben.

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Der Unternehmer und Branding-Experte Torben Platzer ist Co-Founder der Medienagentur TPA Media GmbH, die spezialisiert ist auf das Personal Branding.