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Barrierefreiheit und E-Mail-Marketing: Geht das?

Barrierefreie E-Mails zu entwickeln ist gar nicht so schwierig. Neben dem Layout und Bildern gibt es einige andere Empfehlungen und Tipps.
Michael Kornfeld | 17.06.2021
Barrierefreiheit und E-Mail Marketing. Geht das? © Freepik
 

Das Thema Barrierefreiheit betrifft wesentlich mehr Menschen, als man denkt. Laut WHO (Weltgesundheits-Organisation) gibt es derzeit weltweit ca. 1,3 Mrd. Menschen mit einer visuellen Behinderung; das sind rund 20% der Weltbevölkerung. In Österreich sind zum Beispiel 8% aller Männer farbenblind.

Dabei kann eine Beeinträchtigung jeden treffen – zum Beispiel wenn man sich die Hand bricht und daher eine Zeit lang keine Maus und keine Tastatur bedienen kann.

Und nicht zuletzt sollte man nicht vergessen, dass auch Menschen ohne Beeinträchtigungen sich zum Beispiel Texte vorlesen lassen. Man denke nur an Alexa oder Siri – oder wenn man im Auto unterwegs ist und dabei Android Auto eintreffende SMS vorliest.

 

Von der Website zum Newsletter

Um auch Menschen mit einer Beeinträchtigung den Zugang zu den Informationen zu ermöglichen, gibt es schon lange für Websites umfassende Richtlinien für die Optimierung der Barrierefreiheit. Im öffentlichen Bereich sind diese Richtlinien sogar großteils längst verpflichtend.

Doch für Newsletter & Co. hat sich das bislang kaum durchgesetzt. Das ist insofern erstaunlich, als ja auch Menschen mit einer Behinderung auf E-Mails angewiesen sind und diese "lesen" können müssen.

Dabei lassen sich mit ein wenig Know-how und gutem Willen auch E-Mails sehr einfach weitgehend barrierefrei gestalten.

 

Keine (reine) Frage der Technik

Vorab sei allerdings mit einem häufigen Missverständnis aufgeräumt: Barrierefreiheit ist keine reine Frage der Technik!

Natürlich gibt es einige technische Vorkehrungen, die getroffen werden müssen – doch die wichtigste Aufgabe kommt normalerweise den Redakteuren zu. Sie müssen zum Beispiel aussagekräftige Betreffzeilen schreiben oder bei den Bildern informative Beschreibungen angeben; wenn solche Beschreibungen leer bleiben oder ein Bild mit "Bild 3" beschriftet wird, nützen die technischen Grundlagen herzlich wenig.

 

Sie profitieren doppelt!

Voreilig wird Barrierefrei schnell mal als lästiger Zusatzaufwand gesehen. Doch wenn man Barrierefreiheit mit Benutzerfreundlichkeit gleichsetzt wird schnell klar, dass der geringe Mehraufwand allen (!) Lesern zu Gute kommt!

Darüber hinaus erreichen Sie damit eventuell eine größere Zielgruppe! Denn wenn mehr Menschen Ihre Inhalte lesen können, dann vergrößert das ganz einfach Ihre Reichweite. Und mit etwas Glück vergrößert es auch Ihren ökonomischen Erfolg.

 

Die neue Zielgruppe: Screen Reader

Ein wichtiger Grundgedanke bei der Barrierefreiheit ist, dass Ihre Inhalte nicht nur von "Menschen" gelesen werden, sondern auch von Software-Tools erfasst werden können sollen. "Screen Reader" sind Programme, die Inhalte auf einen Bildschirm für Personen mit einer visuellen Beeinträchtigung vorlesen können.

Solche Programme sind viel häufiger im Einsatz als Sie vielleicht denken. Wussten Sie beispielsweise, dass auf nahezu allen Smartphones solche Software kostenlos vorhanden ist, also nicht einmal extra installiert werden muss?

Auf Android-Geräten müssen Sie nur in den System-Einstellungen die "Bedienungshilfen" aufrufen und können dort zum Beispiel eine Vorlese-Funktion aktivieren, die Schriftgrößen automatisch größer einstellen, den Mauszeiger vergrößern oder eine automatische Farbkorrektur (für Rot/Grün-Schwäche) durchführen.

 

Empfehlungen für die Umsetzung

Barrierefreie E-Mails zu entwickeln ist gar nicht so schwierig. Hier einige Empfehlungen und Tipps zu unterschiedlichen Bereichen:

Layout und Bilder

  • Nehmen Sie beim Design und der Farbwahl Rücksicht auf Farbenblindheit und Rot/Grün-Schwächen, und wählen Sie die entsprechenden Farben aus.
  • Texte sollten ausreichend groß sein und der Zeilenabstand sollte nicht zu gering sein.
  • Der Kontrast muss ausreichend sein. Hellgrauer Text auf mittelgrauem Hintergrund mag "stylish" sein, ist aber für viele Menschen kaum lesbar.
  • Texte sollten nicht zentriert oder im Blocksatz geschrieben werden. Linksbündiger Text ist immer noch am besten.
  • Beachten Sie etablierte Konventionen! So haben alle User beispielsweise gelernt, dass unterstrichene Wörter klickbare Elemente sind. Oder dass hellgraue Elemente normalerweise inaktiv sind. Je mehr Sie solche Konventionen beachten, desto leichter machen Sie es Ihren Lesern.
  • Bedenken Sie beim Layout, dass die Leser den Inhalt "zoomen" können – die allermeisten Mail-Programme unterstützen das. Wenn Ihr Layout durch eine Vergrößerung "zerstört" wird, ist es kein gutes Layout.
  • Generell empfiehlt es sich, Layouts "responsive" zu programmieren, damit sich die Inhalte automatisch an die Größe der Bildschirme anpassen. Das ist nicht nur für die Darstellung auf Smartphones sinnvoll, sondern kommt auch den Screen Readern entgegen.
  • Wichtige Texte sollten niemals in Bildern platziert werden – denn wenn die Bilder blockiert werden, sind auch diese Texte nicht sichtbar. Das gilt insbesondere für Buttons – diese dürfen niemals (never ever) als Grafiken eingebaut werden, damit sie immer – auch bei blockierten Bildern – sichtbar sind!
  • Beachten Sie generell, dass Bilder blockiert werden können (je nach Zielgruppe kann der Anteil durchaus bei 30% oder 40% liegen). Ist der Inhalt auch bei blockierten Bildern noch erfassbar?
  • Steuerung des Leseflusses: Sorgen Sie für eine gute, sinnvolle Struktur Ihres Newsletters – sowohl textlich als auch optisch. Das macht es den Menschen mit einer Beeinträchtigung leichter, die für sie relevanten Inhalte zu finden.

Inhalte und Texte

  • Betreffzeilen sollten aussagekräftig, unterscheidbar und informativ sein.
  • Gestalten Sie auch die Linktexte aussagekräftig. Motto: Ein guter Linktext verrät, was den Leser erwartet, wenn er auf den Link klickt. Deshalb sind "weiter", "hier" oder "mehr" keine guten Linktexte.
  • Emojis dürfen verwendet werden (die Screen Reader können sie durchaus verstehen), das gilt aber nicht für Emoticons (die nur aus Zeichen bestehen, zum Beispiel :-) denn die werden normalerweise Zeichen-für-Zeichen vorgelesen.
  • Alle Texte sollten leicht lesbar sein: Kurze Texte, keine unbekannten Fachbegriffe, keine unnötigen Fremdwörter, wenig verschachtelten Sätze, usw.
  • Wenn Sie in Ihren Mailings Links zu Videos einbauen, sollten Sie für Leser mit einer Hör-Beeinträchtigung ein schriftliches Transkript vorsehen oder auf der Seite mit dem Video zur Verfügung stellen.

Technik

  • Überschriften sollten technisch für Screen Reader klar als solche erkennbar sein – d.h. es reicht nicht, sie einfach fett und größer zu machen, sie müssen auch korrekt als "Überschrift" formatiert sein.
  • Tabellen, die nur der Präsentation dienen (also keine Daten enthalten, sondern ein fixes Layout sicherstellen), sollten nur sparsam eingesetzt und zusätzlich mit dem Rollen-Attribut "presentation" versehen werden (damit Screen Reader wissen, dass sie solche Layout-Tabellen nicht vorlesen sollen).
  • Sehen Sie eine Text-only Version Ihres Mailings vor. Die gute Nachricht: Das machen die guten Tools normalerweise automatisch.
 

Abschließender Tipp: Schließen Sie die Augen!

Zum Abschluss ein kleiner Tipp, der vielleicht so manche Augen öffnet. Besorgen Sie sich einen (meist kostenlosen) Screen Reader oder aktivieren Sie auf Ihrem Smartphone die Bedienungshilfen.

Und dann schließen Sie Ihre Augen und lassen Sie sich einen Test-Newsletter einfach einmal vorlesen. Dann werden Sie schnell erkennen, ob Sie vielleicht ein klein wenig mehr Zeit in die Barrierefreiheit investieren sollten.

Img of Michael Kornfeld

Mag. Michael Kornfeld ist das Mastermind hinter dialog-Mail, einer der führenden E-Mail Marketing Lösungs-Anbieter in Österreich.