Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
print logo

Neustart der Veranstaltungsbranche?

Gesetzlicher Flickenteppich für Veranstaltungstourneen und Gutscheinregelungen werden zum Hemmschuh.
Gabriele Braun | 14.07.2021
Neustart der Veranstaltungsbranche? © freepik
 

Messen und Events sind im Marketing wichtige Touchpoints für die Kundenpflege, Neukundengewinnung und für das Networking. Innovationen werden hier vorgestellt – damit sind sie ein wichtiger Impulsgeber. Weitere positive Effekte sind die Sicherung der Arbeitsplätze und der Wirtschaftskraft. Auch die Imagebildung für Aussteller, Städte und Gemeinden darf nicht vernachlässigt werden.

Doch die Messehallen und Veranstaltungszentren sind leer. Abgesehen von September und Oktober 2020 durften seit März 2020 wegen Corona keine Messen und Events stattfinden. Große Messen wie die Onlinemarketingrockstars fielen deshalb aus oder sind wie die Dmexco auf digitale Lösungen ausgewichen. Nach Berechnungen der Auma auf Basis einer Ifo-Studie hat dies zu einem gesamtwirtschaftlichen Schaden von 40 Mrd. Euro geführt.

Nun warten viele Aussteller und Besucher auf den Messe-Neustart. Mit vorrangig regionalen Messen startete die Auma Ende Juni. Bis Ende des Jahres sind 160 Messen geplant. Ausgefeilte Konzepte für den Gesundheitsschutz sind die Basis für die Durchführung. In 12 von 16 Bundesländern ist die Durchführung von Messen wieder möglich.

Runder Tisch der Veranstaltungswirtschaft

Doch so einfach kommen die Veranstalter nicht aus der Zwangspause. Neben Perspektiven benötigt die Veranstaltungswirtschaft weitere Hilfsmaßnahmen. Bereits zum siebten Mal seit Ausbruch der Coronakrise hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die Veranstaltungsbranche zum Gespräch geladen. Am 24. Juni 2021 diskutierten am runden Tisch verschiedene Verbände des Forums Veranstaltungswirtschaft über die Weiterführung der Überbrückungshilfe III, Ausfallabsicherungen und Wirtschaftlichkeitshilfen für Messen und Kongresse, die Gutscheinregelung und bundeseinheitliche Vorgaben für eine Öffnungsperspektive.
 

Maßgeschneiderte Programme und Hilfsprogramme

Das Forum Veranstaltungswirtschaft machte am runden Tisch deutlich, dass in der aktuellen Phase der Krise die Hilfsmaßnahmen maßgeschneidert und branchenspezifisch ausgestaltet werden müssen. Es müsse Anreize und Programmbestandteile geben, die nach einer derart langen Zwangspause eine Wiederaufnahme der geschäftlichen Tätigkeit tatsächlich ermöglichen. Das sei aber nicht möglich, wenn gleichzeitig sämtliche staatliche Hilfsmaßnahmen entfielen. Das Forum Veranstaltungswirtschaft forderte daher, dass Eigenkapitalzuschüsse der Regierung bei einem „Anfahren“ der Veranstaltungswirtschaft nicht sofort eingestellt werden, sondern parallel zu den derzeit noch in keiner Weise absehbaren Umsätzen langsam zurückgefahren werden.

 

Bundeseinheitliche Vorgaben – kein Flickenteppich

Seit Beginn der Krise fordert die Allianz der sechs maßgeblichen Verbände des Wirtschaftsbereichs bundeseinheitliche Vorgaben für die Durchführung von Veranstaltungen. Das Forum Veranstaltungswirtschaft hat dazu mit seiner Restart-Matrix im Februar dieses Jahres Bund und Ländern eine detaillierte, an der Praxis orientierte Entscheidungsgrundlage vorgelegt. Sie zeigt auf, wie Veranstaltungen auch während der Pandemie mit geeigneten Schutzmaßnahmen ohne Infektionsrisiken möglich sind.

Außerdem wird befürchtet, dass die Durchführung von bundesweiten Veranstaltungstourneen aufgrund eines undurchsichtigen Flickenteppichs unterschiedlicher und widersprüchlicher Auflagen unmöglich wird. Dies wäre auch Wasser auf die Mühlen jener, die die Alltagstauglichkeit des deutschen Föderalismus in Zweifel ziehen.

Wenn es 16 unterschiedliche, sich ständig verändernde Verordnungen gibt, die zudem auf Landkreisebene nochmals unterschiedlich interpretiert werden, hat die Veranstaltungswirtschaft keine Grundlage für eine wirtschaftliche Tätigkeit. Grundsätzlich breiten sich das Virus und seine Mutationen in Bayern nicht anders aus als in Hamburg. Die landestypischen Eigenheiten der jeweiligen Bundesländer haben also keine Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen. Durch bundeseinheitliche Regelungen müssen daher klare Vorgaben gegeben werden.

Überbrückungshilfe III Plus

Ohne die geforderten bundeseinheitlichen Vorgaben wird es den Veranstaltungsunternehmen auch weiterhin nicht möglich sein, wirtschaftlich zu arbeiten und aus eigener Kraft den so wichtigen Restart ohne Inanspruchnahme staatlicher Hilfen umzusetzen. Die Überbrückungshilfe III Plus müsse daher bis mindestens Ende des Jahres und möglicherweise sogar bis weit in das Jahr 2022 verlängert werden. Die Verbände haben dankbar zur Kenntnis genommen, dass zumindest das BMWi eine Verlängerung der Überbrückungshilfe III Plus über den September 2021 hinaus jedenfalls für besonders betroffene Branchen unterstützt.

 

Ausfall- und Wirtschaftlichkeitshilfen für Messen und Kongresse

Ein weiteres Thema im Gespräch am runden Tisch war die angekündigte Ausfallabsicherung und Wirtschaftlichkeitshilfe auch für Messen und Kongresse. Das Forum Veranstaltungswirtschaft hat nochmals deutlich gemacht, dass auch die Kongresswirtschaft dringend gegen zukünftige Veranstaltungsausfälle und Wirtschaftlichkeitsbeschränkungen abgesichert werden müsse. Für Kulturveranstaltungen ist ein entsprechendes Programm soeben in Kraft gesetzt worden. Das Forum Veranstaltungswirtschaft hatte die Bundesregierung bereits im Spätsommer 2020 aufgefordert, branchenspezifische Programme zu entwickeln und diese der EU-Kommission vorzulegen.

 

Gutscheine und Konzertkarten

Anfang 2022 muss damit gerechnet werden, dass 3,5 Millionen Gutscheine in Geld umgetauscht werden müssen. Aufgrund der sogenannten Gutscheinregelung erhielten Veranstalter seit März 2020 bis Dezember des Jahres das Recht, den Besuchern bei pandemiebedingt abgesagten Veranstaltungen anstatt Rückzahlung des Kartenpreises einen Gutschein auszugeben, der bis Ende 2021 für ein Nachholkonzert oder andere Konzerte eingelöst werden konnte.

Nachdem die Veranstalter allerdings auch in diesem Jahr aufgrund des andauernden Lockdowns der Branche und damit unverschuldet keine Möglichkeit hatten, Ersatzkonzerte anzubieten, sind sie nun verpflichtet, Anfang 2022 den Gutscheininhabern den Kartenpreis zu erstatten. Da sich die wirtschaftliche Situation des Wirtschaftszweigs gegenüber dem vergangenen Jahr aber noch verschlechtert hat, wird das für viele Veranstalter sehr schwer sein. Vom Gesetzgeber wird deshalb über den 31. Dezember 2021 hinaus eine Verlängerung der Gutscheinregelung gefordert oder Hilfen für Ablösung der Gutscheine.

 

Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge

Von der Bundesagentur für Arbeit wurde für die Unternehmen der Veranstaltungsbranche vom EVVC gefordert, bis zum Ende Dezember 2021 die Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe weiter zu übernehmen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte bekräftigt, dass er diese Forderung umsetzen wolle. Innerhalb der Regierungskoalition ist dieses sinnvolle Vorhaben aber anscheinend nicht mehrheitsfähig. Gerade diese Lösung könne jedoch den Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft mehr Planungssicherheit in Bezug auf das Kurzarbeitergeld geben und Arbeitsplätze erhalten.

 

 

Durch Corona haben sich die Veranstaltungsformate geändert. Doch digitale Events können persönliche Treffen nicht ersetzen. Mit neuen Kunden ins Gespräch kommen und der persönliche Kontakt – diese funktionieren wunderbar auf Live-Events und sind nicht wegzudenken.

In Spanien ist nun die fünfte Welle in Anmarsch. Uns droht die nächste im Herbst. Hoffen wir, dass die Akteure der Veranstaltungsbranche diese schwierige Zeit überstehen.

 

Quellen:

AUMA Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Dt. Wirtschaft e.V. : Messe-Lockdown kostet bisher 40 Mrd. Euro. News vom 17.05.2021
https://www.marketing-boerse.de/news/details/2120-messe-lockdown-kostet-bisher-40-mrd-euro/177137

AUMA Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Dt. Wirtschaft e.V.: Messewirtschaft startet Ende Juni wieder. News vom 24.06.2021
https://www.marketing-boerse.de/news/details/2125-messewirtschaft-startet-ende-juni-wieder/178093

BDKV Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e.V.: 7. Runder Tisch der Veranstaltungswirtschaft: Maßgeschneiderte Programme und mehr Perspektiven. News vom 1. Juli 2021
https://bdkv.de/7-runder-tisch-der-veranstaltungswirtschaft-massgeschneiderte-programme-und-mehr-perspektiven/

 

 

Cover of Leitfaden Personalisierung

Mehr Umsatz mit Marketing Automation

Verlag: marketing-BÖRSE
2022, 352 Seiten, 44,90 Euro, ISBN: 978394366633

Img of Gabriele Braun

Gabriele Braun ist Geschäftsführerin des Dienstleisterverzeichnisses marketing-BÖRSE GmbH.