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So gelingt die Marketing Automation

Marketing Automation muss keine Dauerbaustelle sein, die das Tagesgeschäft blockiert.
Hanno Simon | 14.10.2021
Mit kurzen Sprints den Automatisierungsgrad verbessern © freepik / ArthurHidden
 

Eine neue Methode vereinfacht die digitale Transformation des Marketings. Das Vorgehen ist minimal invasiv und automatisiert die Marketing-Prozesse von Konzernen und Mittelständlern, ohne das laufende Tagesgeschäft zu blockieren.

 

In der Regel verursacht der Gedanke an ein IT-lastiges Projekt zur Marketing-Automation eher Frust als Lust. Dutzende, zwingend-nötige Anforderungen, doppelt so viele Umsetzungs-Ideen, mehrere involvierte Abteilungen, 8.000 mögliche Martech-Lösungen und ein parallellaufendes Tagesgeschäft sind eine große Herausforderung für Automatisierungsprojekte. Hinzu kommt der Druck der Geschäftsführung, die schnelle Erfolge einer datenbasierten Marketing-Strategie sehen möchte. Weniger Zeit, mehr Erfolgsdruck, keine zusätzliche Manpower. Klar ist: Ohne Automatisierung geht es zukünftig nicht mehr. Es stellt sich die Frage, welche Lösungsbestandteile sind im Unternehmen bereits vorhanden. Wer nutzt diese? Wie reagieren andere Abteilungen, wenn das Marketing seine Prozesse umstellt? In dieser Gemengelage fühlen sich Marketingleiter eher wie in einem Hamsterrad als auf einer Kommandobrücke. Um die Kontrolle über das Geschehen zurückzuerlangen, müssen kleine Eingriffe her, die eine große Wirkung entfalten. Genau dies leistet die minimal invasive Marketing Automation.

 

Minimal invasiv: Handliche Teilprojekte in einem definierten Zeitfenster

Im Rahmen einer minimal invasiven Marketing Automation werden komplexe Anforderungen in handliche Teilprojekte zerlegt. Alle notwendigen Maßnahmen orientieren sich an messbaren Zielen und folgen einem definierten Projektablauf. Ziel ist es, alle fünf Phasen einer minimal invasiven Marketing Automation in kurzen Sprints zu durchlaufen. Jeder Durchlauf dauert maximal 80 Werktage. Am Ende jedes Durchlaufes sind ein neues Produkt oder ein weiteres Feature nutzbar. Auf diese Weise wird der Automatisierungsgrad sukzessive verbessert. Über ein definiertes Organisationsverfahren wird sichergestellt, dass der zeitliche Rahmen eingehalten wird.

 

Mit kurzen Sprints den Automatisierungsgrad verbessern

Damit die minimal invasive Automatisierungsmethode ihre volle Effizienz entfaltet, wird das 80-Tage-Projekt in 5 kompakte Sprints unterteilt. In der Praxis hat sich folgendes Vorgehen bewährt:

 

  • Sprint 1
    Starten Sie mit der Planung: Dieser Sprint beschäftigt sich ausschließlich mit der Prüfung und der Anforderungsdokumentation. Die Dauer von 10 Werktagen wird nicht überschritten. Stellt sich heraus, dass das Projekt in diesem Zeitraum nicht planbar oder durchführbar ist, werden die Arbeiten beendet und das Teilprojekt muss neu definiert werden.

 

  • Sprint 2
    In den nächsten 20 Werktage müssen sämtliche Anforderungen strukturiert und in detaillierte Anforderungen für die technische Umsetzung überführt werden. Tipp: Für diese Arbeiten eignen sich Werkzeuge aus dem Design Thinking – beispielsweise der Double Diamond Ansatz – sehr gut. Als Ergebnis werden S.M.A.R.T. (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert) Anforderungen definiert. Diese werden zusammen mit einem Prototyp (z.B. Klickdummy) dem Development-Team bereitgestellt.

 

  • Sprint 3
    Die nächsten 25 Werktage sind für den Entwicklungssprint reserviert.
    Neben der reinen Programmierung, eignet sich diese Phase auch dafür, die „innerbetrieblichen Rahmenbedingungen“ zu evaluieren und ggf. anzupassen.

 

  • Sprint 4
    Anschließend folgt der 10tägige Acceptance-Sprint. Hier testen möglichst alle oder zumindest viele Teilhaber (Stakeholder) das Ergebnis gegen die definierten Anforderungen.

 

  • Sprint 5
    Für die Implementierung des Ergebnisses sollten Sie weitere 5 Werktage einplanen.

Die verbleibenden 10 Werktage sind als Puffer reserviert und werden gerne für einen früheren Start der nächsten Iteration genutzt werden. Geübte Teams starten auch mehrere Teilprojekte mit einem geringen Zeitversatz und skalieren so die Release-Geschwindigkeit.

 

Fünf Phasen werden durchlaufen

Damit das übergeordnete Ziel „Marketing-Automation“ immer im Blick behalten wird, wählt man die Teilprojekte entsprechend dem Reifegrad des eigenen digitalen Ökosystems aus. Hier werden fünf Phase unterschieden, die auf dem Weg zur perfekten Marketing Automation durchlaufen werden müssen:

 

Phase 1: Dokumentation

Die erste Phase der Automatisierung, ist die Dokumentation der vorhandenen Lösungen und Fähigkeiten. Alles was nicht dokumentiert ist, kann per se nicht verbessert werden, da es nur informell bekannt ist. Gleichzeitig gehört es zu dieser Phase, immer einen Standard zu etablieren, der aktuelle und verständliche Dokumentationen ermöglicht.

 

Phase 2: Strukturierung
Die gelebten Prozesse werden geprüft. Sind diese sinnvoll strukturiert, um die Unternehmensziele zu erreichen? Gibt es ineffiziente Abläufe die sicher automatisiert werden können? Eine Anmerkung am Rand: Diese Frage stellt sich in der Praxis in regelmäßigen Abständen immer wieder. Entsprechend sollte auch diese Phase immer wieder durchlaufen werden.

 

Phase 3: Realisierung

Nun muss geprüft werden, ob die vorhandenen Werkzeuge an die neuen Prozesse angepasst werden können oder neue Werkzeuge nötig sind. Dabei sollte eine einheitliche Datenbasis angestrebt und Redundanzen vermieden werden (Single Source of Truth). Damit wurden die ersten drei Stufen der Automatisierung erfolgreich durchlaufen. Dies geht oftmals sehr schnell.

 

Phase 4: Effizienzsteigerung

In den ersten drei Phasen wurde die Basis im Sinne einer leistungsfähigen Infrastruktur geschaffen. Nun werden die auf diesem Wege generierten Daten aktiv genutzt. Ziel ist es, Daten – auch jene, die indirekt durch die Nutzer generiert wurden – für eine individuelle und zielgerichtete Ansprache zu nutzen; beispielsweise für die Individualisierung von Websites oder Landingpages.

 

Phase 5: Skalierung & Optimierung

In dieser Phase wird angestrebt, dass Abläufe durch Algorithmen initiiert werden können. Ziel ist es, selbstlernende Abläufe zu implementieren, um weitere Hypothesen ohne manuelle Eingriffe zu definieren und zu testen (KI gestützte Prozesse). Damit haben Sie die Königklasse der Marketing Automation erreicht!

 

Minimal invasive Marketing Automation: Nutzbare Ergebnisse nach max. 80 Werktagen

Die 80-Tage-Sprints über diese 5 Phasen werden genauso oft durchlaufen, bis der gewünschte Automatisierungsgrad erreicht ist. Sie senken damit Ihr Projektrisiko auf den Umfang von maximal 80 Werktagen. Ihre Auslastung steuern Sie über die Anzahl der Sprints und deren Taktung. Der Automatisierungsgrad kann auch zu einem späteren Zeitpunkt weiter gesteigert werden. Dieses Vorgehen schafft mehr Handlungsspielräume für Marketer und verhindert Abhängigkeiten. Jeder Durchlauf wird so konzipiert, dass er als Ergebnis ein neues Feature oder ein neues Produkt liefert, das sofort eingesetzt werden kann, wie beispielsweise die neue Online-Terminvereinbarung, die spätestens seit Corona zum guten Ton gehört, oder das neue Kalkulationsmodul, das vollständig in die vertrieblichen Abläufe integriert wurde. Ein weiterer Vorteil: Mit jedem Durchlauf wird internes Wissen aufgebaut. Mit wachsendem Know-how können komplexere Problemstellungen schneller und sicherer gelöst werden.

Unsere Erfahrung zeigt, dass Iterationen, die den Zeitrahmen von 80 Werktagen überschreiten, ein sicherer Indikator für unstrukturierte Anforderungen sind. Ob dies der Fall ist, lässt sich in der Regel bereits in der ersten Phase – dem Dokumentieren des Ist-Stands und des daraus abgeleiteten Ziels – sehr gut erkennen. Die Problemstellung und Zielsetzung können zu diesem Zeitpunkt sehr gut angepasst werden, ohne dass ein faktischer Schaden entsteht.

 

Fazit

Marketing Automation muss keine Dauerbaustelle sein, die das Tagesgeschäft blockiert. Mit minimal invasiven Eingriffen kann der Automatisierungsgrad im Marketing sukzessive erhöht werden. Ergebnisse sind bereits nach 80 Werktagen nutzbar, ebenso ist das Projektrisiko auf ein 80-Werktage-Projekt beschränkt. Die Praxis zeigt, dass sich dieses Verfahren nicht nur sehr gut in den Arbeitsalltag von vielen mittelständischen Unternehmen und Konzernen einfügt, sondern immer auch messbare Erfolge liefert.

 

 

Über Hanno Simon

Hanno Simon ist Geschäftsführer der Pixelgenau Consulting GmbH. Seine unabhängige Beratungsfirma möchte einen Beitrag dazu zu leisten, dass Marketer mehr Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens haben.

 

www.pixelgenau.de

 

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