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Diesjährige Cyber Week erfordert Umdenken

Die Cyber Week hat sich als wichtige Verkaufssaison für Onlinehändler etabliert. Doch Corona hat alle Retail-Segmente durcheinandergebracht.
Stefan Bernauer | 19.11.2021
Diesjährige Cyber Week erfordert Umdenken © freepik / chinnarach
 

Erst kam der Black Friday, dann der Cyber Monday und dann die Cyber Week. Es ist nicht von der Hand zu weisen: Dieser sich immer mehr ausdehnende Aktionszeitraum hat sich definitiv als wichtige Verkaufssaison für Markenhersteller und Onlinehändler etabliert.

Die Corona-Pandemie hat alle Retail-Segmente durcheinandergebracht und weitreichende Störungen verursacht. Wir haben alle gehofft, dass 2021 eine Rückkehr zu einer gewissen Normalität in allen Lebens- und Geschäftsbereichen stattfinden würde. Aber leider sieht es derzeit nicht danach aus.

Nicht nur die Folgen der Pandemie haben länger angedauert, als die meisten von uns vorhergesehen haben, sondern die Lieferketten wurden auch durch extreme Witterungsbedingungen, Arbeitskräftemangel und sogar in Kanälen steckengebliebenen Schiffen gestört. Unter anderem hat der Bereich Consumer Electronics darunter zu leiden, nicht zuletzt wegen der weltweiten Halbleiterknappheit, die nach wie vor zu Problemen bei der Verfügbarkeit von verschiedensten Produkten führt.

Zeit zum Umdenken … aber nicht zu lange

Aus all den oben genannten Gründen erfordert die rasant herannahende Cyber Week ein Umdenken. Sie bleibt eine Verkaufszeit mit erheblichem Potenzial, aber Markenhersteller und Onlinehändler müssen kreative Wege finden, um einige der diesjährigen Unwägbarkeiten zu umschiffen.

Der Trend für die Cyber Week geht dahin, diese auf mehrere Wochen oder sogar Monate auszudehnen. Ein verlängerter Aktionszeitraum könnte besonders dem Einzelhandel zu Gute kommen, der sich gerade erst von den Schließungen des Offline-Handels während der Pandemie erholt.

Vor allem ist es an der Zeit, sich ein wenig zu sputen. Manche Advertiser scheinen zu zögern, ihre Promotion- und Affiliate-Strategien für die Cyber Week in Angriff zu nehmen. Oft werden die Aktivitäten der Mitbewerber abgewartet, auf die man dann reagieren kann. Dies führt jedoch zu einer potenziell riskanten Pattsituation, bei der sich die Advertiser gegenseitig beobachten und die Publisher nicht in der Lage sind, alle gewünschten Platzierungen auf den letzten Drücker auch zu realisieren. Gute Platzierungen erhalten meist nur Advertiser, die Werbeaktionen und Exposure-Pakete schnell ordern. Wer also schnell ist, kann hier einen echten Vorteil erzielen.

Immer längere Aktionszeiträume als Ergänzung zu einem Full-Funnel-Ansatz

Zu den Stärken des modernen Affiliate-Marketings gehört die Fähigkeit, die Verbraucher während der gesamten Purchasing Journey zu erreichen – von Discovery zu Conversion zu Advocacy. Während bei der Cyber Week selbst der Fokus eher auf Conversion liegt, können die Advertiser von einem davor liegenden verlängerten Werbezeitraum profitieren, um Affiliate-Modelle zu integrieren und damit die Verbraucher zu einem früheren Zeitpunkt in der Customer Journey zu identifizieren, zu erreichen und zu beeinflussen und bestehende Upper-Funnel-Aktivitäten zu ergänzen.

Produktknappheit kann auch Chancen eröffnen

Das Zögern, in Werbung für die Cyber Week zu investieren, könnte zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass Unsicherheiten darüber bestehen, ob die Produkte auch wirklich verfügbar sein werden. Wie soll man guten Gewissens Angebote für Produkte bewerben, von denen man nicht weiß, ob sie auch geliefert werden können?

Hier sehen wir einige innovative Strategien. Advertiser versuchen, interessante Angebote für Produkte zu stricken, die auf Lager sind. Auch wenn es sich dabei nicht um die allerneueste Produktgeneration handelt, können solche Artikel für preisbewusste Verbraucher durchaus attraktiv sein. Die Knappheit neuer Produkte lässt sich auf diese Weise sogar in einen Vorteil verwandeln: Der Kunde kann ein Produkt kaufen, dass zwar nicht der neuesten Produktgeneration entspricht, aber dafür mit einem Preisnachlass angeboten wird. Hierfür erhält er außerdem Treuepunkte, einen Gutschein oder einen Platz ganz oben auf der Warteliste für die neueste Version, sobald diese garantiert lieferbar ist.

Entscheidend ist auch, flexibel zu bleiben. Affiliate-Marketing war noch nie eine statische Angelegenheit. Aber heute ist es wichtiger als je zuvor, Strategien anzupassen und kreativ zu sein, um Erfolg zu haben. Die Konzeption neuer Werbemaßnahmen für derzeit weniger nachgefragte Produktkategorien oder für den forcierten Verkauf von Produktlinien, von denen große Lagerbestände verfügbar sind, kann eine wirksame Strategie darstellen, um die Verbrauchernachfrage zu bedienen und Verkäufe zu fördern. Hier zahlen sich Partnerschaften und die Zusammenarbeit zwischen Advertisern und Publishern aus und ermöglichen eine praktisch sofortige Reaktion auf ein sich veränderndes Kundenverhalten.

Von anderen Branchen lernen

Aus dem Vorhandenen das Beste zu machen kann sogar noch einen Schritt weiter gehen. Manche Markenhersteller bieten den Verbrauchern Refurbished-Produkte als Alternative zu der erst verspätet lieferbaren Neuware an. Dies mag zwar für den Bereich Consumer Electronics, in dem brandneue Ware bevorzugt wird,  kein idealer Ansatz sein, aber dafür in anderen Segmenten. Beispielsweise ist in der Automobilindustrie angesichts der Knappheit von Neufahrzeugen momentan der Gebrauchtwagenmarkt unglaublich erfolgreich – gute Gebrauchtwagen von namhaften Händlern verkaufen sich fast so teuer wie ein nicht verfügbares neues Modell. Ein neues Auto ist ein neues Auto, auch wenn es nicht das allerneueste Modell ist.

Die Verbrauchernachfrage ist nach wie vor vorhanden und in manchen Fällen sogar stärker als zuvor: Angebote und Affiliate-Strategien können den Bedarf effektiv decken, ohne die Positionierung der Premium-Marken zu gefährden, indem sie Kundenbeziehungen herstellen und pflegen, die zukünftigen Nutzen generieren.

Hin und her, auf und ab, aber immer vorwärts

Not macht erfinderisch. Die Pandemie hat uns einige wertvolle Lektionen darüber erteilt, wie wichtig es für Markenhersteller, Onlinehändler und Publisher ist, für wichtige Verkaufszeiten trotz Störungen und ungünstiger Bedingungen innovative Lösungen zu finden und ihre Agilität und Reaktionsfähigkeit zu bewahren.

Vielleicht wird die Cyber Week 2021 einen Wendepunkt für Onlinehändler und Markenhersteller sein und sie dazu bringen, kreativere Lösungen zu finden, um die Verbrauchernachfrage zu decken und neue Impulse für diese wichtige Verkaufszeit zu entwickeln. Vielleicht werden dabei dann sogar neue, bisher übersehene Strategien und Einnahmequellen erschlossen.

 

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Stefan Bernauer ist Country Manager Germany bei Rakuten Advertising.