DOOH: Lichtblick im Advertising-Chaos?
Ein bisschen fühlt es sich wie bei Asterix und dem berühmten gallischen Dorf an: Minus 3,4 Prozent – so lautet die vorläufige Bilanz von Nielsen Media Research für 2022. Fast alle Mediengattungen mussten sich im vergangenen Jahr der Rezession im deutschen Werbemarkt beugen. Fast alle bis auf Digital Out of Home (DOOH), das sich weiterhin standhaft vom allgemeinen Abwärtstrend entkoppeln kann: Am Ende steht für DOOH eine Steigerung von zwei Prozent gegenüber den Bruttowerbespendings von 2021. Damit legen die digitalen Screens im öffentlichen Raum, die mittlerweile mehr als ein Drittel der gesamten Außenwerbeumsätze beitragen, zum vierten Mal in Folge ihr erfolgreichstes Jahr hin.
Programmatic DOOH wächst rasant
An dieser Stelle endet allerdings auch schon die Analogie zu den kämpferischen Galliern, denn im Gegensatz zu ihnen braucht DOOH keinen magischen Zaubertrank. Stattdessen sind ganz reale Faktoren für den Aufwind der Gattung verantwortlich. Allen voran der Siegeszug von Programmatic DOOH: Allein im vergangenen Jahr hat die Zahl der programmatisch buchbaren DOOH-Werbeflächen rasant zugenommen, da nach den großen Vermarktern auch immer mehr mittelständische Netz-Anbieter in das Programmatic Advertising eingestiegen sind. Rund 70 Prozent aller digitalen Außenwerbeflächen in Deutschland sind inzwischen an ein automatisiertes Buchungssystem angeschlossen, was in etwa 90 Prozent der DOOH-Reichweiten entspricht. Das wirkt sich auch auf die Umsätze aus: 2022 stammte bei einzelnen Anbietern bereits mehr als die Hälfte der Netto-Werbeinnahmen aus programmatischen Einbuchungen. Über die gesamte Branche gesehen lag der Programmatic Anteil schon bei annähernd 40 Prozent. Und in diesem Jahr könnten sogar deutlich mehr Nettoumsätze über Programmatic DOOH erzielt werden als über klassische Buchungen.
Tatsächlich eröffnen sich mit Programmatic DOOH eine ganze Reihe von Vorteilen, die im Vergleich zu anderen Mediengattungen geradezu unschlagbar sind: Zum einen ist die Außenwerbung, ob analog oder digital, das letzte verbleibende Reichweitenmedium, das sehr schnell sehr viele Menschen auf einmal ansprechen kann. Als „Außer-Haus-Gattung“ erzielt sie zudem wertvolle Kontakte in den mobilen und den jüngeren Zielgruppen, die über die anderen klassischen Medien bekanntlich nur noch schwer in dieser Menge zu erreichen sind.
Verbindung von Reichweitenstärke und Flexibilität
Zum anderen wird dank Programmatic in der Außenwerbung erstmals „echtes“ Targeting von Zielgruppen und damit die Minimierung von Streuverlusten möglich. Dabei sind von Geokoordinaten und Umfeldfaktoren über soziodemografische Merkmale bis hin zu Zeitschienen und Wetter unzählige Selektionskriterien denkbar. Über programmatische Infrastrukturen lässt sich DOOH zudem noch leichter in Digitalkampagnen integrieren und mit anderen digitalen Medien kombinieren. Zumal Online beziehungsweise Mobile und DOOH auch inhaltlich eine perfekte Kombination abgeben, wenn es darum geht, den gesamten Brand Funnel zu bespielen: DOOH mit seiner großen Reichweite und damit seiner Stärke bei der Schaffung von Awareness. Die Online- und Mobile-Medien mit ihrer personalisierten Ansprache und der Möglichkeit, Performance-Kampagnen zu schalten. Und parallel dazu speziell DOOH am stationären POS, wo es unmittelbar vor dem Kauf aktivieren kann. Schließlich erfährt die Gattung durch die neue Technologie auch eine bislang unbekannte Dynamik: Nicht nur, dass die Buchungsabwicklung für die Kunden und Agenturen damit einfacher, transparenter und effizienter wird. Die Vermarkter haben nun auch die Möglichkeit, auf extrem kurzfristige Anfragen schnell und flexibel zu reagieren.
Kurzum: DOOH vereint auf einzigartige Weise das Beste aus zwei Welten. Und diese Kombination macht sich gerade jetzt in Zeiten großer Unsicherheiten bezahlt, in denen Werbekunden Medien bevorzugen, die reichweitenstark sind und gleichzeitig flexibel auf wechselnde Rahmenbedingungen und Bedürfnisse reagieren können. Dank Programmatic haben zudem einige Kundengruppen die Gattung DOOH neu für sich entdeckt, die früher die klassische, analoge Außenwerbung gemieden und nur „digital-online“ belegt haben.
Diese Herausforderungen gilt es zu meistern
Diese neue Kundengruppe beschert der DOOH-Branche allerdings nicht nur „frische“ Budgets, sondern auch neue Herausforderungen: Denn der Kenntnisstand in Bezug auf Programmatic DOOH ist bei den Agenturen immer noch uneinheitlich. Die Spezialmittler, also die Plakatmediaagenturen, sind schon früh in das Programmatic-Thema eingestiegen und haben sich hier, mit den entsprechenden Kenntnissen zu Out of Home im Gepäck, zu echten Experten entwickelt. Die Digitalagenturen steigen nach und nach in immer größerer Zahl in das Thema ein und lernen dabei, dass DOOH grundlegend anders funktioniert als Online und Mobile und entsprechend auch anders behandelt werden muss.
Der größte Unterschied ist, dass DOOH ein One-to-Many- und kein One-to-One-Medium ist. Das heißt, jeder Screen erzielt immer mehrere Kontakte und erreicht dabei auch unterschiedliche Personen. Dadurch erübrigen sich auf diesem Medium personalisierte Kampagnen ebenso wie Werbemaßnahmen, die auf eine Reaktion oder Interaktion mit der Zielgruppe zielen. Dafür können Zielgruppensegmente sehr gut angereichert werden, indem beispielsweise die richtigen Umfelder und Zeiten belegt werden. Zudem entfaltet die digitale Außenwerbung ihre Wirkung häufig direkt am oder in der Nähe vom Point of Sale. So sind zahlreiche DOOH-Screens in Shopping Malls, Supermärkten, Tankstellen und vielen anderen POS-Umfeldern platziert, wo sie in der Customer Journey meist den letzten Kontakt vor dem Kauf für sich verbuchen und auf diese Weise nochmal den entscheidenden Anreiz zum Erwerb eines Produkts setzen.
Als One-to-Many-Medium, das zudem noch im öffentlichen Raum platziert ist, hat DOOH schließlich keinerlei Probleme mit verschärfter Datenschutzgesetzgebung, Ad Blockern, Ad Fraud oder Brand Safety: Ohne Personalisierung werden keine personenbezogenen Daten benötigt, Ad Blocker können von niemandem installiert werden und jederzeit kann von jedem kontrolliert werden, was auf welchem Screen gerade läuft. Gleichzeitig erlaubt die Nutzung von anonymen Massendaten aus Smartphones und Sensorik eine immer genauere Vermessung der (digitalen) Außenwerbung und damit immer passgenauere Kampagnen mit intelligenteren Targeting-Möglichkeiten. All diese Faktoren gepaart mit der Umfeld- beziehungsweise Kontext-basierten Planung, die in Out of Home seit je her praktiziert wird, lassen DOOH zu der perfekten Lösung für die Cookie-lose Zukunft werden. Auch das unterscheidet Digital Out of Home letztendlich von den legendären Galliern: Während diese vor allem darauf bedacht sind, ihr kleines Revier vor den Römern zu verteidigen, hat DOOH seinen Eroberungszug gerade erst angetreten.