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E-Commerce 2023 vor ungewohnten Herausforderungen

BNPL steht ein schwieriges Jahr bevor. Kommt jetzt der Durchbruch für Headless Commerce?
Ken Serdons | 13.02.2023
E-Commerce 2023 vor ungewohnten Herausforderungen © Freepik / ijeab
 

Neues Jahr, neues Glück? Hinter uns liegen Monate geprägt von wirtschaftlichen Turbulenzen, die weltpolitischen Großereignisse zogen auch am E-Commerce nicht spurlos vorüber. Nach Jahren des kontinuierlichen Wachstums im digitalen Handel, der im Laufe der Corona-Pandemie ungeahnte Sphären erreichte, sind die aktuellen Zahlen ernüchternder Natur. Laut des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) lagen die Verkaufszahlen über das Internet von 1. Oktober bis 30. November 2022 knapp 17 Prozent unter dem Vergleichszeitraum 2021. 

Aber: Die aktuellen Zahlen, so eine Pressemitteilung des bevh aus dem Dezember, sind immer noch um 13,1 Prozent höher als im Prä-Corona-Jahr 2019. Die langfristigen Aussichten im digitalen Handel waren und sind also durchaus positiv zu bewerten. Um dieses positive Momentum jedoch nicht zu verschenken, müssen gerade deutsche Marktplätze und Online-Händler jetzt agieren und alles in die Waagschale werfen, um im umkämpften E-Commerce Segment Marktanteile zu gewinnen und zu sichern. Denn trotz aller Chancen und vielversprechenden Aussichten: Wer als Gewinner der aktuellen Krise hervorgehen will, muss neue Herausforderungen und Trends früh erkennen und entsprechende Lösungen implementieren. Ein Überblick. 

Cashflow neu gedacht

Steigende Betriebskosten, Zurückhaltung der Konsumenten und rückgängige Umsätze gepaart mit traditionell hohen Kredithürden, die für viele junge und innovative Unternehmen unüberwindbar sind (Europäische Zentralbank Studie): Kapital ist derzeit insbesondere für jene, die mit der herausfordernden Wirtschaftslage zu kämpfen haben, nur äußerst begrenzt vorhanden. Und dabei müssen Unternehmen gerade jetzt Geld in die Hand nehmen und an Stellschrauben drehen, um erfolgreich durch die schwierigen Zeiten zu navigieren. Dazu gehören punktuelle Marketing-Ausgaben zur Erhöhung der Kundenbindung, zum Beispiel mittels kundenzentrierten Social Media Kampagnen, genauso wie die Implementierung von Tools zur Umsatzsteigerung, beispielsweise durch die Aufrüstung des eigenen Webshops (u.a. Optimierung der gesamten User Journey). Schnellen Zugang zu Kapital erhalten Unternehmen deshalb über neue, unbürokratische Lösungen und flexible Finanzierungsmodelle. Ausgewählte Anbieter von E-Commerce-Tools haben dies erkannt und stellen zur Überbrückung von Engpässen kurzfristig und einfach das benötigte Kapital direkt über ihre Plattform zur Verfügung. Diese Art der Finanzierung wird in diesem Jahr eine wichtige Lücke schließen und eine entsprechend hohe Nachfrage erzielen.

Individuelle Optimierung dank Headless Commerce 

Eines vorweg: Headless Commerce ist trotz seiner vielen Vorteile nicht zwingend die beste Lösung für alle Online-Händler. Denn dieser neuartige Ansatz für die technologische Infrastruktur ist betreuungsintensiv – ohne entsprechende Ressourcen sollten gerade die kleineren Online-Händler auch weiterhin auf die bekannten statischen E-Commerce Ökosysteme und Integrationen vertrauen. Für alle anderen gilt: Dank Headless Commerce kann der eigene Online-Auftritt besser und agiler individualisiert werden, die Abhängigkeit von größeren Systemanbietern sinkt dadurch. Im Umkehrschluss können Online-Händler Lösungen entwickeln, die speziell für sie und nicht für die Masse der Plattform-Kunden den größten Mehrwert bieten. Möglich macht dies eine strikte Trennung zwischen Backend und Frontend, sodass sich Marktplätze schneller und flexibler den ständig ändernden Kundenbedürfnissen anpassen können. 

Aus zwei mach eins: Analoges und digitales Shopping-Erlebnis werden hybrid

Wo sich einst Team Online-Shopping und Team In-Store-Shopping gegenüberstanden, reagiert heute vielerorts der Wunsch nach einem ganzheitlich hybriden Modell. Kaum ein Konsument trifft eine “Entweder-Oder”-Entscheidung, sondern genießt die Freiheit, von Tag zu Tag und Shopping-Trip zu Shopping-Trip die für sich beste Wahl zu treffen. So gewannen neue Modelle wie Click-and-Collect sukzessive an Bedeutung: Nach Feierabend auf der Couch schnell ein Hemd online geshoppt, am nächsten Tag mit dem Partner beim Stadtbummel abgeholt. Solche Innovationen zeigen, wie sich die beiden Welten aufeinander zu bewegen. Langfristig wird eine Omni-Channel-Welt entstehen, bei der die jeweils größten Vorteile (online zum Beispiel Bequemlichkeit, offline haptisches Erlebnis) noch stärker herausgearbeitet werden – und 2023 sehen wir hier einen großen Entwicklungsschritt.

2023 als Belastungsprobe für Buy Now Pay Later (BNPL) 

Das Zahlungsmodell BNPL wird im hiesigen Markt immer beliebter. So stiegen am Black Friday die durch BNPL-Käufe erzielte Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um satte 187 Prozent (Mollie Daten). Für die Online-Händler ist das in erster Linie eine gute Nachricht, da auch Konsumenten mit weniger Kaufkraft bei ihnen einkaufen und erst später bezahlen müssen. Ihr Geld erhalten die Anbieter dennoch – vorgestreckt von den BNPL-Anbietern. 

Für eben jene Anbieter dieser Zahlungsmodelle könnte die anhaltende Krise jedoch zur ersten großen Belastungsprobe werden. Denn die Freiheit, nicht direkt bezahlen zu müssen, birgt Risiken. Die Inflation macht vielen Verbrauchern zu schaffen, die Gürtel müssen enger geschnallt werden. Im schlimmsten Fall resultiert die Spirale in Zahlungsausfällen, die letztlich die BNPL-Anbieter tragen müssen. Auch Behörden werden vermehrt diese Bezahlmethode unter die Lupe nehmen, um potentiell vermehrten Verschuldungen entgegenzuwirken. Das heißt im Umkehrschluss: Die Plattformen und Algorithmen müssen weiter optimiert werden, um die Grundlage für oder gegen die Bewilligung des BNPL-Angebots optimal zu berechnen. Zudem sollten Anbieter ihr Preismodell auf Resilienz in Krisenzeiten prüfen. 

Das laufende Geschäftsjahr wird also mitnichten ein leichtes. Mit Blick auf die mittelfristige Zukunft dürfen Online-Händler jedoch weiterhin optimistisch bleiben. Sobald sich Inflation und Rezession abschwächen, wird auch der Online-Handel den gewohnten Zulauf wie zu Vorkrisenzeiten wieder zu spüren bekommen. Bis dahin sollten Händler ihre Budgets rigoros analysieren: Braucht es wirklich eine weitere, teure Google Ads Kampagne? Oder kann ich mit innovativen Aktionen auf Social Media meine Zielgruppe besser erreichen und die Kundenbindung erhöhen? Wie kann ich außerdem meinen Webshop optimieren? Hier gibt es je nach Region starke Unterschiede, beispielsweise bei den bevorzugten Bezahlarten. Wenn ich den Webshop und den Check-Out-Prozess effizienter mache, steigen auch die Umsätze – mithilfe von monetär vergleichsweise überschaubaren Mitteln.