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Schnell maschinell übersetzt – und überschätzt

Frei verfügbare Übersetzungssysteme ermöglichen, Content schnell und günstig in andere Sprachen zu bringen. Und womöglich darüber zu stolpern.
Jasmin Nesbigall | 12.06.2023
Schnell maschinell übersetzt – und überschätzt © Freepik / gesrey
 

Recherchen und Texte von ChatGPT, Bilder von Midjourney und Übersetzungen von DeepL – Contenterstellung wird jetzt von der KI übernommen. Gerade im Marketing, wo state-of-the-art und innovativ kommuniziert wird. Ende der Geschichte und des Beitrags. Oder? Ganz so übel und einfach ist es nicht.

Maschinelle Übersetzung im Marketing

Immer neue KI-Tools tragen dazu bei, die Arbeit von Marketeers zu erleichtern. Nicht wenige befürchten, dass ihre Arbeit dadurch sogar überflüssig wird. Und manchmal kann gut gemachte Arbeit quasi verpuffen, wie sich am Beispiel der kürzlich noch massiv gehypten maschinellen Übersetzung (MT) festmachen lässt: Wenn Sujets von frei verfügbaren, generischen MT-Systeme unbeabsichtigt fehlübersetzt und dadurch lächerlich werden, kann die Marketing-Mission schnell scheitern.

Natürlich ist es naheliegend, MT-Systeme verwenden zu wollen, weil sie erstaunlich leistungsstark und einfach zu nutzen sind. Damit sind sie auch bestens geeignet für den privaten und informellen Bedarf. Doch bei der professionellen Verwendung ist Vorsicht geboten. Denn keinem MT-System gelingt es bislang, Präsentationen und Dokumentationen, Fach- und Produkttexte wirklich fehlerfrei und konsistent zu übersetzen.

Risiken, Sprach- und Machbarkeitsgrenzen

Generische MT-Systeme einfach so zu verwenden, birgt einige Risiken. Angefangen bei kleinen, teils subtilen Fehlern mit größeren Auswirkungen. Ein ausgelassenes „nicht“, ein falscher Bezug, unbekannte Wörter, die als Fantasiebegriffe ausgegeben werden – all das fällt nicht gleich ins Auge, ändert aber Kontext und Bedeutungen. Haben Originaltexte Umbrüche, die nicht direkt erkennbar sind, verändern sich für das MT-System ganze Sinnzusammenhänge, und es versucht, jeden Textteil für sich sinnvoll zu übersetzen.
Dies zu überprüfen, funktioniert vielleicht im meist gut beherrschten Englisch, jedoch nicht bei Übersetzungen in Sprachen, die man selbst nicht kann.

Hinzu kommt, dass ein uniques Markenwording in maschinellen Übersetzungen nicht konsistent eingehalten wird. Generische MT-Systeme übersetzen heute anders als morgen, weil sie neue Inhalte als Trainingsdaten verwenden und kontinuierlich daraus lernen. Sie liefern schnell und günstig gute Ergebnisse, bilden aber keine Markenspezifika oder individuellen Stilvorgaben ab.

Große Unterschiede gibt es auch je nach Sprachkombination. So eignen sich frei verfügbare MT-Systeme für einige Sprachen recht gut, während sie für andere kaum nutzbar sind. Hier muss zwischen High- und Low-Resource-Sprachen unterschieden werden, die je nach Sprecherzahl und Verbreitung unterschiedlich große Mengen an Trainingsdaten ergeben. Während vom Deutschen ins Englische (High Resource) auch kreative Marketingtexte keine Hürde darstellen, sind sie zum Beispiel vom Deutschen ins Tschechische (Low Resource) für die meisten MT-Systeme eine echte Challenge.

Nicht minder herausfordernd ist die Textstruktur. Denn selbst wenn der Text an sich gut übertragen wird, orientiert sich die Übersetzung strukturell immer am Ausgangstext. Es wird also nicht passieren, dass ein MT-System zwei Sätze zusammenfasst oder anders aufteilt als im Ausgangstext. Ergo erfolgt keine „kreative“ Übersetzung oder Anpassung, wie dies bei der Transkreation der Fall ist. Auch hier stößt die MT klar an ihre Grenzen.

Maschinelle Übersetzung braucht menschliches Know-how

Für (maschinelle) Übersetzungsergebnisse, die einer Humanübersetzung gleichkommen, braucht es menschliches Know-how. Der Mensch kann sich in Texte einlesen, ihre Sinnhaftigkeit prüfen, Mehrdeutigkeiten erkennen und alles zu stimmigem Content zusammenfügen. Arbeiten Mensch und Maschine derart zusammen, ist von Machine Translation + Post-Editing (MTPE) die Rede. Bei dieser Methode werden Texte maschinell vorübersetzt und von muttersprachlichen Linguist:innen, die mit Sprache und Kontext vertraut sind, systematisch geprüft, korrigiert und vereinheitlicht. Je nach Textsorte und Sprachkombination werden dabei mindestens 25 Prozent, manchmal bis zu zwei Drittel angepasst. Das gilt auch für Content, der auf den ersten Blick gut aussieht.

Alles wird gut und geht sogar besser

Auch wenn maschinelle Übersetzung auf Knopfdruck funktionieren kann, gibt es kleine Hebel, um sie in puncto Konsistenz und Kosten zu optimieren. Werden MT-Systeme beispielsweise von Translation-Memory-Systemen unterstützt, die alle bisherigen Übersetzungsergebnisse enthalten, ergeben sich hohe Einsparpotenziale.

Ein weiterer Hebel ist die Einbindung von Terminologievorgaben in Form von Datenbanken oder Glossaren. Durch ein definiertes Markenwording lassen sich Vorgaben unmittelbar in den maschinellen Output integrieren und die Ergebnisse damit direkt anpassen. Dies erhöht die Textkonsistenz und reduziert den Nachbearbeitungsaufwand.

Welcome to the machine!

In der Marketingübersetzung ausschließlich auf MT-Systeme zu setzen, wäre aus den genannten Gründen fatal. Sinnvoll und stimmig wird der Einsatz allerdings mit den richtigen Möglichkeiten. Denn selbstverständlich ist es richtig, für eine moderne und multilingual effektive Kommunikation auch moderne Technologien zu nutzen. Und mit der maschinellen Übersetzung ist eine Komponente hinzugekommen, die gezielt integriert werden kann, um alle Möglichkeiten sinnvoll zu verbinden und für eine optimale Übersetzung zu nutzen. Plötzlich ist es möglich, nicht mehr nur zwei Faktoren aus dem Dreigespann Kosten, Zeit und Qualität auszuwählen, sondern alle drei umzusetzen. Dabei macht die Maschine den Menschen längst nicht überflüssig, sondern braucht dringend den menschlichen Weitblick und Verstand, um sinnvoll zum Einsatz zu kommen.