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In 5 Schritten zum Persona-Targeting

Mehr als nur Demografie: Erfahren Sie, wie Sie mit Personas Ihre Kunden wirklich verstehen und gezielt ansprechen können.
Personas helfen Unternehmen dabei Kunden zielgenau anzusprechen © Freepik
 

Wäre es nicht ein Traum, besonders für Marketer und Analysten, jeden Kunden, jede Interessentin jederzeit individuell ansprechen zu können? Jede Person mit hochindividuellem Content, mit ihrem hochindividuellen Werbemittel auf dem Kanal, der genau zu ihr passt? Man müsste nur modernste Vorhersage- und Automatisierungstechnologie einsetzen! Die meisten Unternehmen sind jedoch nicht so weit. Hyperpersonalisierung ist für sie weder umsetzbar noch bezahlbar. Deshalb heißt es, den goldenen Mittelweg zwischen zu leistendem Aufwand und gewünschtem Individualisierungsgrad zu finden. Und hier kommen Personas ins Spiel.

So hilfreich sie sind, so schwierig wird es aber herauszufinden, welcher Bestandsadresse im Unternehmen eine bestimmten Persona zugeordnet werden kann. Denn Personas liefern typischerweise kaum Informationen, die auf individuelle Kundendaten im CRM-System gemappt werden können. Deshalb scheitert die konsequente Ausschöpfung ihres Potenzials oft an der Frage:

Wie können Personas Bestandsadressen zugeordnet werden?

Abb. 1: Weg für die Zuordnung auf den einzelnen Kunden oder Interessenten.


Step 1: Personas erstellen und nutzen

Wenn sich Unternehmen noch nicht an komplexe Personas wagen wollen, können sie erst einmal mit RFM-Themen in Kombination mit Lieblingsprodukten oder Ähnlichem im Bestand beginnen und daraus Segmente erstellen. In diesem Fall ist es auch einfach, die Informationen auf die einzelnen Adressen zu mappen, denn sämtliche Informationen stammen aus den Kundendatensätzen und können einfach zusammenselektiert werden.

Um „richtige“ Personas zu entwickeln, gibt es zwei Wege: Einmal auf Basis von Marktforschung, Studien und Erfahrungswissen (klassischer Weg). Oder auf Basis der vorhandenen Daten und Unsupervised Learning (Clustering – datengetriebener Weg). Eine klassische Persona ist eine B2C-Persona. Meistens gibt es in Unternehmen vier bis sechs davon. Je nach Geschäftsmodell können es auch mehr sein. Was eine Persona enthält, hängt von den zur Verfügung stehenden Informationen und den spezifischen Anforderungen eines Unternehmens ab.

Abb. 2: Beispiel Nora Neugierig.


Sie hat einen typisierenden Namen erhalten und besteht aus einem prototypischen Foto sowie sehr generischen demografischen Angaben (Alter, Geschlecht, gegebenenfalls Ausbildung, Beruf, Familienstand, Wohnsituation, durchschnittliches Einkommen, …).

Je nach Anforderungen eines Unternehmens werden Informationen zur Persönlichkeit (Wünsche, Werte, Charakteristik, Herausforderungen …), zu bevorzugten Kontaktkanälen, Marken, zur Mediennutzung und Ähnlichem hinzugefügt. Diese können aus Umfragen stammen, aber auch aus Studien, aus Recherchen zu am Markt verfügbaren Informationen zu Kunden bestimmter Branchen, allgemeinen Beschreibungen zu Personen, die in einer bestimmten Branche/in einem bestimmten Beruf tätig sind oder die sich für bestimmte Produkte interessieren.

Es handelt sich dabei um Daten aus zweiter Hand. Texte werden ausgewertet und interpretiert oder es werden Erkenntnisse aus Cluster-Analysen genutzt – bis sich herauskristallisiert, was die durchschnittliche Nora Neugierig ausmacht. Wie oft sie im Service- Center anruft, den Unternehmens-Store oder die Werkstatt besucht oder im Newsletter macht, was sie tun soll – diese Informationen sind nur als Durchschnittswerte verfügbar.

Auf Basis der Informationen zur Persona können Handlungsempfehlungen abgeleitet werden: Mit welcher Ansprache/Tonalität, welchem Content und auf welchem Kommunikationskanal ist Nora Neugierig am besten zu erreichen?

Grundsätzlich gilt für die Arbeit mit Personas: Personas zu erstellen, ist kein Selbstzweck. Deshalb heißt es, B2C- und B2B-Personas nicht so detailverliebt wie möglich zu erstellen, sondern genau passend auf das unternehmenseigene Business – und so, dass entsprechende Kommunikationsmaßnahmen auch umgesetzt werden können.

Step 2: Kundensample ziehen

Warum nicht gleich mit dem ganzen Kundenbestand, sondern mit einer Stichprobe arbeiten? Eine repräsentative Stichprobe zu ziehen ist sehr sinnvoll, wenn mithilfe von Befragungen die Zugehörigkeit zu einer Persona ermittelt werden soll. Erfolgt die Findung/Ermittlung von Personas nur über Unsupervised Learning (zum Beispiel Cluster- Analysen), sind ausreichend große Stichproben hilfreich, da je nach Größe des Kundenbestandes eines Unternehmens auch die besten Analysetools an ihre Grenzen kommen, wenn sehr viele Variablen einfließen.


Abb. 3: Kundensample Erstellung einer Lernmenge.

Nun gibt es zwei Optionen – entweder wird nur Clustering angewendet – oder idealerweise Clustering in Kombination mit menschlicher Expertise. Kolleginnen und Kollegen aus dem Vertrieb können zum Beispiel beurteilen, ob die Ergebnisse der Cluster-Analysen oder die Informationen aus Studien und Fragebögen wirklich stimmig sind. Und sie kennen idealerweise prototypische Kundinnen und Kunden im Bestand, die ziemlich genau eine Nora Neugierig oder, wie auf Abb. 3, Persona X, Simon Sportlich, darstellen.

So wird jede Person in der Lernmenge explizit gekennzeichnet – gehört sie zur Persona X oder nicht? Mit anderen Worten: Wenn im Unternehmen fünf Personas entwickelt worden sind, hat am Ende dieses Prozesses jede Adresse in der Lernmenge fünf Merkmale mit Wert 1 oder 0 – Wert 1 für die Persona, der sie zugeordnet ist, 0 für die anderen vier Personas.

Zu jeder dieser gekennzeichneten Adressen sollten in der Datenbank des Unternehmens mehr oder weniger gut strukturiert Daten zur Verfügung stehen. Idealerweise ergänzt durch Informationen aus Umfragen, zu Interaktionen und persönlichen Reaktionen (Newsletter, E-Mail, Webseite …). Neben den persönlichen Daten sind ganz wichtig: Daten zum Kauf- und Zahlverhalten, zur Werbehistorie, zum Beschwerdemanagement, …

Abb. 4: In der Unternehmensdatenbank verfügbare Daten.


Auf diesem Datenbestand werden heute schon in vielen Unternehmen Analysen gefahren. Je umfänglicher und aktueller dieser ist, desto wertvoller ist er auch für den nächsten Schritt.

Step 3: Persona-Modelle erstellen

Für jede im Unternehmen entwickelte Persona werden Vorhersagemodelle erstellt – in einem ganz normalen Predictive-Modelling-Prozess (klassischer CRISP- beziehungsweise SEMMA-Prozess). Dazu wird eine genau auf ihre Eigenschaften abgestimmte Sammlung von erklärenden Variablen genutzt, die aus den zu den Personen in der Lernmenge in der Unternehmensdatenbank verfügbaren Daten ermittelt werden. So lässt sich die Wahrscheinlichkeit für die Zugehörigkeit jeder Person zu einer Persona entsprechend ihrer Merkmale berechnen. Dieser Wert hat dann Ausprägungen zwischen 0 und 1, je näher an 1, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die konkrete Person der Persona zugerechnet werden kann.

Vereinfacht beschrieben, beginnt der Prozess mit der Zielformulierung (Ermittlung und Gewichtung von Variablen/Schwellwerten, die die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Persona definieren). Dann werden die zur Verfügung stehenden Daten analysiert und interpretiert.

Besonders wichtig: Der iterative Lernprozess, der nun einsetzt. Denn so gut wie nie kommt man gleich mit dem ersten Datenmodell zu einem guten Schätzer. In der Validierung und in den Bewertungsläufen zeigt es sich, ob das Modell verbessert werden muss oder ob mehr Daten benötigt werden. Diese „Lernschleife“ dauert so lange an, bis sich pro Persona mindestens ein Modell herauskristallisiert, das diese sehr gut beschreibt – nicht nur von statistischen Gesichtspunkten aus, sondern auch nach gesundem Menschenverstand.

Abb. 5: Persona-Modellierung – vereinfachter Modellierungsprozess.

Step 4: Validierung durch Anwendung auf dem gesamten Kundenbestand

Die Modelle, die so entwickelt wurden, werden nun auf den gesamten Kundenbestand angewendet. Ob es Probleme gibt, zeigt die technische Validierung durch Prüfung aller relevanten statistischen Parameter.

Abb. 6: Anwendung des Modells auf dem gesamten Kundenbestand.

Persona-Modelling ist kein „Schnellschuss-Predictive-Modelling“, das nur für eine einzige Kampagne benutzt werden soll oder das gerade mal ein paar Banners im Web steuert. Es ist zwar nur heuristisch, eine Annäherung, aber die Ergebnisse haben große Auswirkungen. Sie sollen im CRM implementiert und langfristig eingesetzt werden. Deshalb ist der nächste Schritt nach der statistisch/technischen Validierung und der Anwendung auf den Gesamtkundenbestand essenziell: Wieder eine Stichprobe der Ergebnisse ziehen und sie wieder von menschlichen Experten von Hand validieren lassen.

Es reicht eine recht kleine Stichprobe, 100 Adressen maximum pro Expertin oder Experte. Die Mitwirkenden schauen sich die CRM-Einträge der Personen aus ihrer Stichprobe auf dem ganz normalen Dashboard an, das sie üblicherweise nutzen. Passen diese zum geistigen Bild, das die zugeordnete Persona in ihnen hervorruft? Welche Zuordnung, hätten sie von alleine nicht so vorgenommen, ist aber trotzdem stimmig? Ist die Fehlerquote des Persona-Modells tolerierbar?

Ein wichtiger Hinweis: Wenn die Ergebnisse zu gut sind, ist das ein untrügliches Indiz dafür, dass mit dem Modell etwas nicht in Ordnung ist. Gibt es keine Fehlzuordnungen, heißt das: Genau hinschauen, das Modell auf Herz und Nieren prüfen und gegebenenfalls von Neuem mit der Modellierung beginnen. Der Aufwand mag hoch sein, aber er lohnt sich. Denn was bei der Modellierung herauskommt, hat einen gigantischen und langfristigen Einfluss auf Strategie, Ausgaben und Kommunikationskonzepte eines Unternehmens.

Step 5: Implementierung im CRM-System

Sind die Persona-Modelle im CRM-System implementiert, können sie ihre ganze Wirkung entfalten und stetig verfeinert werden. Jede Persona, die ein Unternehmen entwickelt hat, bekommt die ihr entsprechende Kommunikation. Die ihr zugrunde liegenden Regelwerke können je nach Unternehmensanforderung immer wieder neu berechnet werden: Jede Nacht, jede Stunde, nach jeder Transaktion oder einmal im Monat – wie es passt. Es gibt klare Regeln zum Content: Was muss für welche Persona zu welchem Zeitpunkt ausgespielt werden?

Abb. 7: Maßgeschneiderte Kommunikation Zusammenspiel Personas und CRM-System.

Wenn ein neuer Kunde hereinkommt, wird dieser mithilfe seines aktuellen Kaufverhaltens und allen Transaktionsdaten, die zu diesem Zeitpunkt zu ihm vorhanden sind, bewertet und einer Persona zugeschlagen. Diese erste Zuordnung muss nicht unbedingt zu 100 Prozent passen, ist aber sinnvoller, als ihn einfach mit allem verfügbaren Content zu beschießen. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Persona-Modelle im CRM-System eingespielt sind, wird ihre Zuordnung auf individuelle Personen verfeinert. Jede neue Interaktion der Personen fließt in den Bewertungsprozess ein.

Für jede Adresse im Bestand werden Werte zwischen 0 und 1 für die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Personas errechnet. Je näher der Wert an 1 liegt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Person zur dieser Persona gehört. So kann zum Beispiel die konkrete Kundin Michaela Schulte 0,9 für Persona Nora Neugierig erhalten, aber auch 0,6 für Persona Simon Sportlich. Da der Zuordnungswert für die Persona Nora Neugierig größer ist als die für die Persona Simon Sportlich, heißt das, dass Michaela Schulte die Botschaften für Nora Neugierig erhält. Zusätzlich sind aber auch bestimmte Kampagnen für Simon Sportlich für sie interessant, weil sie mit 0,6 auch eine Affinität für diese Gruppe zeigt.

Wenn es also darum geht, die Menge der Adressaten für eine Simon- Sportlich-Kampagne zu erhöhen, kann Frau Schulte einfach mit dazu selektiert werden, wenn kein kommunikativer Widerspruch zu den Nora-Neugierig-Kampagnen besteht. Und mit ihr auch andere Kunden, die zwar anderen Personas angehören, aber über vorab definierten Grenzwerten für Simon Sportlich liegen.

Fazit

Wer kann es sich heute noch leisten, vollständig auf Individualisierung zu verzichten? Das hieße: Alle Personen aus dem Adressbestand bekommen die gleiche Botschaft. Ein Workflow, ein Text, ein Design, ein Kreationsansatz – und kein Kunde fühlt sich respektvoll behandelt. Doch es muss auch nicht gleich Hyperpersonalisierung sein, selbst wenn neueste Technologien die Möglichkeit dazu bieten.

Ein guter Weg ist die Arbeit mit Personas. Erstellt genau passend zu den Bedürfnissen des eigenen Business und den eigenen Kapazitäten, zurückgemappt auf den Kundenbestand, sukzessiv weiterentwickelt mit jeder Kundentransaktion. Dabei unterstützen der Einsatz von Predictive Modelling, ein solides CRM-System und nicht zuletzt Geschäftswissen und gesunder Menschenverstand.

Unternehmen können so die Individualisierung in der Kommunikation im eigenen Tempo vorantreiben, ohne sich zu überfordern – Kunden werden immer individueller angesprochen und fühlen sich wertgeschätzt. Gute Voraussetzungen für nachhaltigen Erfolg!

Img of Andrea Ahlemeyer-Stubbe

Andrea Ahlemeyer-Stubbe ist Diplom-Statistikerin und seit 1999 als selbstständige Data- Mining- und CRM-Spezialistin tätig.

Kommentare

Harald Henn

Sehr fundierte Beschreibung und ein guter Ansatz, mit den bestehenden Kundendaten zu arbeiten. Das sollte Pflicht in den Unternehmen sein. Die Kür liegt dann darin, den Kunden kontextbezogen „abzuholen“, seine Absichten (Intents) zu verstehen und aus diesem Wissen dann die personalisierte Ansprache zu gestalten.

Reinhardt  Neuhold

Personas sind ein wertvolles Tool im Marketing und CRM, doch datenbasierte Mechaniken können sie ergänzen oder ersetzen. AI-basierte Tools können sogar schnell Personas aus Daten erstellen. Durch Automatisierung liefern sie effizient individuelle Angebote. Im Vertrieb kann dies oft "genug" sein, um Kunden gezielt anzusprechen. Ein ausgewogener Ansatz nutzt beides optimal.